Diesen Bericht habe ich gerade im ZDF - Heute - Ticker gelesen ( ich dachte echt, so etwas gibt es inzwischen nicht mehr, wurde jedoch eines besseren belehrt ) :
Todesurteil der eigenen Familie
Azize ist Kurdin, stammt aus Südostanatolien in der Türkei und hat alles durchgemacht: vom Vater verkauft, vom Ehemann geprügelt und vergewaltigt, von Gendarmen gefoltert und von der eigenen Familie zum Tode verurteilt, um die Ehre der Familie zu wahren. Ihr blieb nur die Flucht.
Überall in der Türkei werden Frauen ermordet, wenn sie sich der Familie widersetzen. Sie sind Schlampen, wenn sie glauben, ein Recht auf eigenes Glück und Liebe zu haben. Sie werden zu einem "Stück Dreck", nachdem ein fremder Mann sie angefasst hat, selbst wenn sie Opfer einer Vergewaltigung sind. Einer aus der Familie muss "die Hure" eigenhändig umbringen, um das Ansehen der Familie, die Ehre, wiederherzustellen.
20 Jahre familiäre Hölle
Azize schwebt in Lebensgefahr und versteckt sich. "20 Jahre hat mich mein Mann geschlagen und vergewaltigt. 'Da kannst Du nichts machen, sie sind Männer, wir sind Frauen. Der allmächtige Allah hat uns den Männern gegeben. Sie dürfen mit uns machen, was sie wollen. Er ist dein Mann, meine Tochter. Und du warst ihm nicht gefügig. Deshalb hast du es verdient, getötet zu werden. Ich kann dir nicht helfen', sagte meine Mutter zu mir," erzählt Azize.
In Siirt in Südostanatolien beginnt Azizes unglaubliche Geschichte. In einer Gesellschaft, in der noch steinzeitliche Gesetze gelten, als umherziehende Stämme Vieh und Frauen gegen die Begehrlichkeiten anderer verteidigten. In den Köpfen der Menschen spukt das noch immer als "Ehrensache" herum. Im Alter von zehn Jahren wurde Azize mit ihrem 20 Jahre älteren Cousin Ahmet verheiratet. Sie wollte nicht, vor allem nicht das, was er nun jede Nacht von ihr verlangte.
Gefoltert und vergewaltigt
Nach Jahren der Hölle floh Azize von zu Hause. Als Kurdin fand sie in einer Frauengruppe der Kurdischen Demokratischen Volkspartei Zuflucht vor ihrer Familie. Damit geriet sie ins Visier der türkischen Sicherheitskräfte. Im Januar 1999 wurde sie vom Geheimdienst der Gendarmerie verhaftet und in ein Verlies gesperrt, 15 Tage lang, nackt und mit verbundenen Augen. Untersuchungshaft nennt sich das. Sie wurde gefoltert: Aufhängen an den Armen, Elektroschocks, Schläge und immer wieder Vergewaltigung auf jede nur erdenkliche Art. Aber es lag nicht das Geringste gegen sie vor. Schließlich ließ man sie gehen, nach Hause, in die andere Hölle.
Dort beachtete sie niemand, so Azize. Die eigenen Kinder mieden sie, man sagte ihnen, sie sei "dreckig", weil sei vergewaltigt worden war. Die Familie hatte beschlossen, sie umzubringen. Weil sie von so vielen Gendarmen vergewaltigt worden war, war Azize für sie beschmutzt und wertlos. Sie lief wieder fort, versteckte sich in der Millionenstadt Adana bei einer Bekannten. Doch die Familie fand sie. Zweimal entkam sie nur Dank der Hilfe von Passanten einem Mordanschlag.
Flucht vor der Familie
Fatos Hacivélioglu, eine mutige junge Rechtsanwältin, nahm sich Azizes Fall an, reichte Klage ein und beantragte die Scheidung. Sie hat Erfahrung in Sachen "Ehrenmorde" und weiß, dass Azize in Lebensgefahr schwebt. Die letzte Begegnung mit ihrem Mann hatte Azize im Gerichtsgebäude: Ahmet fuhr sie an: "Frauen dürfen sich überhaupt nicht scheiden lassen. Du hat den Tod verdient. Du wirst diesen Prozess nicht mehr erleben. Hast du nicht im Fernsehen gesehen, was der Hure Güldünya passiert ist?"
Güldünya Tören war von einem Cousin in ihrem Heimatdorf vergewaltigt worden - und damit eine Schande für die ganze Familie. Sie floh nach Istanbul. Ein islamischer Geistlicher nahm sie auf und beschützte. Ihre Brüder schossen sie vor seinem Haus nieder. Doch Güldünya überlebte und wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. In der Nacht schlichen sich die Brüder ins Krankenhaus und gaben ihrer Schwester den Rest. Die Ehre war wieder hergestellt.
Auch Azizes eigener Vater wollte sie zurück ins Dorf locken, um sie dort leichter umbringen zu können. Er hat ihrem Mann und Sohn gesagt, sie seien keine richtigen Männer, da sie die Hure noch immer nicht getötet hätten. Jetzt bleibt Azize nur noch die Flucht, denn in Adana ist es nur eine Frage der Zeit, bis ihre Familie es schafft, sie umzubringen. Aber auch nirgendwo sonst in der Türkei kann sie sich sicher fühlen, weder Gerichte noch Polizei haben Azize beschützt. Einen Teil ihrer Qualen hat sie im Gewahrsam türkischer Sicherheitskräfte erlitten. Begleitet von der Anwältin und dem ZDF-Team fährt Azize zum Flughafen. Nun beginnt für sie eine Reise aus der Hölle ins Ungewisse.
Nuran wurde zum Opfer der Ehre
Andere überlebten die Hölle nicht. Nuran war 14 und wehrte sich, verheiratet zu werden. Sie sollte den Mann heiraten, der sie vergewaltigt hatte, um so die Schande für die Familie zu vertuschen. Der Vater erwürgte sie mit einer Drahtschlinge, weil sie sich weigerte. "Ich habe meine Ehre wiederhergestellt", sagte er, als er abgeführt wird. Das passiert nicht irgendwo in Anatolien, sondern in der Weltstadt Istanbul. Ein Mann stach auf seine am Boden liegende Ehefrau ein, ohne dass die Polizei sofort eingriff. Vor Gericht wird er mildernde Umstände geltend machen: Seine Frau habe ihn durch ihr Verhalten provoziert.
Etwa 200 Menschen werden in der Türkei offiziell jährlich Opfer von Ehrenmorden. Die Dunkelziffer ist wohl drei bis vier mal höher. Oft werden minderjährige Familienmitglieder zur Ausführung der Tat angestiftet, denn sie müssen im schlimmsten Fall nur mit geringen Strafen rechnen. Bisher können "Ehrenmörder" vor Gericht sogar mit Strafnachlässen rechnen. Dies soll sich durch eine Gesetzesänderung im Rahmen der Strafrechtsreform ändern.