Vom blendenden Scheinwerferlicht beleuchtet betritt die Schauspielerin die Bühne. Sie ist sehr hell, ein Schneefeld in kalter Wintersonne, hinter dem sich ein dunkler und undurchdringlicher Wald erstreckt– der Zuschauerraum. Erwartungsvolles Schweigen kriecht als dicker Nebel daraus hervor, fließt über die Kante der Bühne, um ihre Füße herum und umhüllt ihren Körper, drückt auf ihre Brust und ihren Hals, bis schließlich ihr ganzer Kopf davon umgeben ist. Sie kann nicht atmen. Sie kann nicht sprechen.
Fragmente ihres Textes tauchen in ihren Gedanken auf. „Furcht“, „angestrengt“, „still!“ – kein Zusammenhang stellt sich her, keine Struktur. Doch sie kann nicht mal die Bruchstücke aussprechen.
Von der Seite der Bühne her nimmt die Schauspielerin eine Bewegung wahr. Sie wendet ihren Blick, doch der Nebel ist so dicht, dass sie kaum etwas sieht. Sie weiß, dass der Souffleur dort sitzt. Aber warum sagt er nichts? Oder ist er selbst so sehr vom Nebel umfangen, dass er nicht sprechen kann?
Sie schaut wieder nach vorne, ins Schwarze. Nur etwas sagen können. Ein einziges Wort. Sie versucht sich auf eines der Worte in ihrem Kopf zu konzentrieren. Still! Still! Still.... Jedes Mal versucht sie den Mund zu öffnen, doch es gelingt ihr nicht, einen Ton hervorzubringen. Es ist, als hätte sie vergessen, wie man Laute formt.
Die Schauspielerin beginnt, sich über die Zuschauer zu wundern. Warum hat sich noch niemand geräuspert, warum tuschelt niemand mit seinem Nachbarn, fragend, ob dieses lange Schweigen zum Stück gehört? Warum bewegen sie sich nicht, scharren mit den Füßen, rutschen unruhig auf ihren Stühlen hin und her?
Und wenn dort vielleicht niemand sitzt? Sie bezweifelt es, denn der kalte, dichte Nebel muss seinen Ursprung im Schweigen haben. So viel Nebel, so dichter Nebel – viele Menschen müssen dort sitzen, unzählige, und schweigen.
Langsam bewegt die Schauspielerin die rechte Hand. Es fällt ihr schwer, doch es funktioniert. Die Hand streicht durch den Nebel, fährt nach oben durch die Luft, bis die Schauspielerin dasteht, die eine Hand zur Decke gestreckt, die andere schlaff an ihrer Seite hängend. Sie fragt sich, ob das Publikum sie überhaupt noch sehen kann, so dicht ist der Nebel inzwischen geworden. Was, wenn sie einfach die Bühne verlässt, einfach geht?
Plötzlich dringt ein Geräusch zu ihr. Etwas singt. Eine leise, schwache Melodie. Sie weiß nicht, wo es herkommt, aus dem Zuschauerraum oder von hinter der Bühne vielleicht, oder es könnte auch von der Seite kommen, von dort, wo der Souffleur sitzt. Die leise, schwache Stimme kämpft gegen die Stille an. Und ist der Nebel nicht tatsächlich etwas dünner als noch vor einem Moment?
Doch während die Stimme noch singt, geschieht über ihr etwas. Oben an der Bühne knirscht es, und dann kracht etwas Großes herunter, landet direkt vor der Schauspielerin auf der Bühne. Ein Scheinwerfer. Er bleibt so liegen, dass er das Publikum beleuchtet, die ersten paar Reihen. Menschen sitzen dort, Männer in schwarzen Anzügen, mit Krawatten, und alle tragen einen Zylinder. Ihre Füße stehen parallel zu einander vor ihnen auf dem Boden, ihre Hände liegen auf den Oberschenkeln, ihr Blick ist starr nach vorn gerichtet. Nur in der Mitte in der ersten Reihe, auf einem Platz direkt vor ihr, sitzt ein kleines Mädchen. Es ist vielleicht fünf, trägt ein türkisfarbenes Kleid und blonde Locken fallen ihm ins Gesicht. Die Füße unter dem Körper im Schneidersitz verschränkt, die Hände im Schoß liegend, lächelt es. Es singt. Nun, wo es vom Scheinwerfer angestrahlt wird, wird sein Gesang etwas kräftiger. Langsam steht es auf, stellt sich auf den Sessel und breitet die Arme aus.
Der Nebel beginnt langsam zu verschwinden, und je mehr er verschwindet, desto lauter wird der Gesang des Mädchens, je lauter der Gesang des Mädchens wird, desto mehr verschwindet der Nebel. Es ist schwer zu sagen, was zuerst eingesetzt hat – ist zuerst der Nebel lockerer geworden, so dass das Mädchen anfangen konnte zu singen? Oder ist der Gesang der Anstoß dafür gewesen, dass der Nebel sich lichtet?
Die Männer in den Anzügen bewegen sich. Einer nach dem anderen stehen sie auf, zuerst die in der ersten Reihe, gehen im Gleichschritt die Reihe entlang, nach hinten, und verschwinden im Dunkeln, die in der zweiten und dritten Reihe tun es ihnen gleich, die vierte Reihe kann die Schauspielerin nicht mehr sehen. Nur die Geräusche der Schritte der Männer hallen noch durch den Zuschauerraum.
Die Schauspielerin schaut das Mädchen an, das auf ihrem Stuhl in der ersten Reihe steht und noch immer singt. Es ist ein langsames, verträumtes Lied. Nach der Stille, die sie die ganze Zeit umfangen hat, wirkt es ungewohnt, als würde man direkt in die Sonne schauen, nachdem man lange im Dunkeln gewesen ist.
Immer mehr lassen die Geräusche, die die Schritte verursachen, nach. Als sie verklungen sind, weiß die Schauspielerin nicht, ob es daran liegt, dass die Männer alle fort sind, oder ob die letzte Reihe nur zu weit weg ist, als das man die Klänge von dort noch hören könnte. Der Nebel ist beinahe verschwunden, nur einzelne Schwaden treiben noch über den Boden und ziehen sich langsam, wie die schwarz gekleideten Herren, nach hinten in den Zuschauerraum zurück. Das Mädchen singt, der Nebel verliert sich in der Dunkelheit.
Dann ist es vorbei. Der Gesang der Kleinen verstummt, der Nebel weg. Doch die Stille, die darauf folgt, ist nicht wie die Stille von eben. Ohne es ausprobieren zu müssen, weiß die Schauspielerin, dass sie nun mühelos wieder sprechen könnte.
Das Mädchen kichert. Noch immer steht es auf dem Sessel. Es hüpft ein paar Mal auf dem Sessel herum, dann lässt es sich auf seinen Hintern fallen, und sitzt, die Arme vor der Brust verschränkt, lächelnd da. Es schaut die Schauspielerin an. Dann ruft es: „Komm herunter!“
Langsam geht die Schauspielerin zum Rand der Bühne nach vorn. Dann springt sie hinab zu dem Mädchen, bleibt kurz vor ihm stehen und setzt sich neben es in den Sessel. Von Nahem sieht das Mädchen viel älter aus. Es ist zwar nach wie vor klein, aber sein Gesicht trägt die Züge einer Jugendlichen. Die Augen sind dunkel und umgeben von langen, schwarzen Wimpern.
„Wie heißt du?“, fragt das Mädchen.
„Ich weiß nicht“, antwortet die Schauspielerin.
Das Mädchen sieht sie lange an. Es blinzelt nicht. Die Schauspielerin ist hilflos. Sie starrt zurück, und fragt sich, was sie jetzt tun soll. Der herabgestürzte Scheinwerfer blendet sie.
„Dein Kleid ist schön“, sagt das Mädchen. Die Schauspielerin schaut an sich hinab. Sie hat ganz vergessen, was für ein Kleid sie überhaupt trägt. Es ist weiß und bodenlang. Sie weiß nicht, warum sie gerade dieses Kleid trägt. Was für eine Rolle sollte sie spielen? Sie weiß auch das nicht mehr.
„Was wolltest du sagen, bevor der Nebel kam?“, fragt das Mädchen.
„Ich bin nicht sicher“, sagt die Schauspielerin, „irgendwas mit Furcht und Stille. Und etwas über das angestrengt sein.“
„Vergisst du oft deinen Text?“
Die Schauspielerin überlegt. „Eigentlich nicht. Der Nebel war Schuld.“
Das Mädchen nickt.
„Wer bist du?“, fragt die Schauspielerin.
Das Mädchen schaut sie an. „Das weißt du doch. Ich bin ein Mädchen.“
„Ja…aber wer bist du?“
Das Mädchen schüttelt den Kopf. „Ich verstehe nicht, was du meinst.“
„Woher kommst du?“, fragt die Schauspielerin.
Jetzt lächelt das Mädchen. Es greift unter den Sitz und holt eine Handtasche hervor. Es öffnet die Tasche und zieht eine rote Rose heraus. „Für dich“, sagt es, und reicht der Schauspielerin die Rose. Lange Zeit sagen beide gar nichts. Das Mädchen sitzt neben der Schauspielerin, lässt die Beine baumeln und spielt dabei mit ihren Locken.
Langsam dreht die Schauspielerin die Rose zwischen ihren Fingern. Sie umfasst vorsichtig die Blüte mir ihrer ganzen Hand. Greift zu. Als sie die Handfläche wieder öffnet, ist sie rot gefärbt. Im Scheinwerferlicht glänzt die rote Farbe, sie ist flüssig, eine dicke Schicht aus flüssiger roter Farbe. Wieder betrachtete die Schauspielerin die Rose, die sich allmählich aufzulösen scheint, die rote Farbe läuft am Stiel herunter, über die Arme der Schauspielerin, auf ihre Hände. Sie sickert in ihren Schoß, dort sammelt sich die rote Farbe zu einem großen Fleck.
„Was soll das?“, fragt die Schauspielerin und dreht sich nach dem Mädchen um. Doch es ist verschwunden. Genauso wie die Rosenblüte, von der nichts mehr übrig ist. Nur die roten Hände und der Fleck auf dem Kleid. Sie dreht sich um, sieht nach, ob in den Reihen hinter ihr etwas von dem Mädchen zu sehen ist. Doch dort erkennt sie nur ein paar leere Sitzreihen und dann Schatten. Es wir kühler.
Von ganz hinten aus dem Raum hört sie ein leises Singen. Langsam steht die Schauspielerin auf. Sie geht an der ersten Sitzreihe entlang, bis zum Ende, und dreht sich vorsichtig herum. Blickt in den Schatten hinein. Einen Schritt nach dem anderen machend, langsam, bewegt sie sich in die Dunkelheit.
Theater
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Ich finde die Geschichte total schön.
Tiefgründig.
Besonders die letzten Worte:
Langsam, bewegt sie sich in die Dunkelheit.Sie hat keine Eile
Sehr schöne Geschichte
Liebe Grüße
BunteWelt -
Eine sehr schöne Geschichte.
Gefällt mir wirklich sehr. :]
Ich finde sehr schön wie du deine Bilder beschreibst. Mit dem Nebel, den Männern in den Anzügen und vorallem auch dem Licht des heruntergefallenen Scheinwerfers.
Man kann es sich wirklich vorstellen und "spürt" die Atmosphäre teilweise schon fast.
Den Schluss mag ich besonders.
Dort, wo das Singen wieder einsetzt. -
Danke für die Kommentare.
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Die Story ist schön, aber schon im ersten Satz merkt man, dass du noch viel Übung brauchst.
Dein Text ist viel zu geschwollen. Du trägst zu dick auf.
Weniger ist eindeutig mehr. -
Ein "netter" Versuch, dich hier im Forum einzubringen. Aber auch das ging leider daneben.
Egal was man von der Erzählweise und der Geschichte hält, von der Rechtschreibung könntst du dir noch ein Menge abgucken, buffybeast.Jaja...weniger ist manchmal mehr!