Zum Autor: Phil Rickman, geboren in Lancashire, ist Literaturkritiker und im Nebenberuf Autor. Zu seinen Werken gehören auch bemerkenswert erfolgreiche Horrorromane, die er unter dem Pseudonym Will Kingdom verfasst. Seit Ende der neunziger Jahre schreibt er an der Krimireihe um Merrily Watkins.
Phil Rickman, Frucht der Sünde
Merrily Watkins zieht mit ihrer 15-jährigen Tochter Jane in das Dorf Ledwardine, wo sie das Amt der Pfarrerin übernehmen soll. Ganz sicher ahnt sie nicht, in welche turbulenten Ereignisse sie in den ersten Wochen am neuen Ort verwickelt wird.
Ledwardine war früher berühmt für seinen Cider, heute erinnert der riesige verwilderte Apfelgarten an diese Zeit. In diesem Apfelgarten kommt es gleich am Anfang zu einem Todesfall, ob Selbstmord oder Unfall sei dahingestellt. Jedenfalls nehmen damit Ereignisse ihren Lauf, die alle mit der Geschichte des Ortes, altem Volkglauben rund um den Apfel und die Beziehungen der Dorfbewohner untereinander zu tun haben. Und dann gibt es da noch den Pfarrer aus dem 17. Jahrhundert, der, um einer Anklage gegen Hexerei zu entgehen, im Apfelgarten Selbstmord begangen hat und dessen Geschichte jetzt als Theaterstück in der Kirche aufgeführt werden soll.
Das Buch lebt von den eindringlichen Charakterzeichnungen der liebenswürdigen sowie der weniger sympathischen Akteure. Am Ende hat man das Gefühl, die Dorfbewohner sehr gut zu kennen.
Auch das Gefühl für die unterschiedlichen Stimmungen ist eindeutig ein Pluspunkt. Der Grundton ist dabei recht düster. Merrily wird im großen, leeren Pfarrhaus von Alpträumen heimgesucht, Tochter Jane hat ein mystisches Erlebnis im Apfelgarten und der depressive Sänger und Songwriter Lol hängt seinen melancholischen Gedanken über den früh verstorbenen Nick Drake nach. Das alles wird so eindringlich beschrieben, dass man zwischendurch vergisst einen Krimi zu lesen. Für eingefleischte Krimifans mag das Ganze etwas langweilig anmuten. Wer jedoch nicht nur auf Spannung Wert legt, bekommt einen guten Roman geboten.
Trotzdem gibt es mehrere Todesfälle, die zum Schluß aufgeklärt werden. Es gibt auch polizeiliche Ermittlungsarbeit, die allerdings nie im Mittelpunkt steht. Pfarrerin Merrily ist auch keine leidenschaftliche Hobbydetektivin. Vielmehr ergibt sich aus den verschiedenen Handlungssträngen am Ende ein stimmiges Bild vom Ablauf der Ereignisse.
Gut, dass es auf englisch schon insgesamt zehn Bände aus der Reihe gibt, denn ich freue mich auf jeden Fall auf weitere Begegnungen mit Pfarrerin Merrily Watkins und Tochter Jane.
Fazit: Ein ungewöhnlicher, stimmungsvoller Krimi mit sehr starken Charakteren. Für alle, die von einem Kriminalroman mehr erwarten, als „Kommissar XY sucht den Mörder“.
8 von 10 Punkten