Am Wochenende habe ich mir den Film "Der Junge im gestreiften Pyjama" angesehen.
Handlungsabriss:
Berlin 1942: Als Bruno eines Tages nach Hause kommt, werden gerade alle seine Habseligkeiten in Kisten verpackt. Sein Vater wurde befördert und die Familie muss umziehen, an einen weit entfernten Ort, wo es niemanden gibt, mit dem er spielen kann. Ein hoher Zaun trennt ihn von den seltsamen Menschen in gestreiften Anzügen in der Ferne. Aber Bruno beschließt, dass es mehr an diesem verlassenen Ort geben muss, als es den Anschein hat. Er trifft auf einen Jungen, dessen Lebensumstände ganz anders als seine eigenen sind. Die beiden Jungen freunden sich an - und das hat verheerende Folgen.
Das Buch dazu habe ich gelesen, als englisches Original. Es hat mir nicht allzu gut gefallen, weil ich die kindliche Unschuld und Unwissenheit der Hauptperson Bruno einfach zu übertrieben und unrealistisch fand (Auschwitz = Out-With, Führer = Fury und so etwas)
Ich war erstaunt, wie schwer es war, ein Kino zu finden, dass diesen Film, der ja erst letzte Woche (7.5.09) angelaufen ist, zeigte. Ist wohl für viele Kinos einfach zu anspruchsvoll. Ich habe es dann aber geschafft, und zwar das Apollo in Aachen (Es gibt auch noch eins in Düsseldorf, was den Film aktuell zeigt). Ein recht kleines Kino, dass anspruchvolle Filme zeigt. Es war dann auch recht leer, obwohl es nur ein kleiner Saal war... Vielleicht 8 Leute.
Zum Film selbst:
Die Story ist an das Buch angelehnt und dieser wirklich sehr ähnlich. Es ist schon etwas her, seit ich das gelesen habe, mir ist jedenfalls keine große/wichtige Differenz aufgefallen. (Einzig, dass sie sich im Buch über ein Jahr treffen, im Film kommt das nicht so lange rüber, bei manchem bin ich mir unsicher, ob das im Buch auch so war, ich spoiler das mal)
Die Wandlung der Schwester vom Puppen-Mädel zur Nazibraut schlechthin;
Die naive Mutter, die selber nicht weiß, dass da Juden vergast werden und keine alten Kleider verbrannt;
Die Mutter, die sich traut dem Vater öffentlich entgegenzutreten, weil sie mit seiner Arbeit nicht einverstanden ist, aber trotzdem Rollenkonform bleibt;
Der Propagandafilm, der Bruno glauben lässt, das Lager sei eine Art Ferienlager, in dem es ein Café und Sportverastaltungen gibt
Der Film ist sehr ergreifend. Sowohl Bild-, Licht- als auch Tongestaltung unterstützen die Stimmung: In Berlin zu Beginn bunt, lustig - später aber bedrückt und dunkel.
Das Ende (sehr ähnlich dem im Buch) ist beklemmend. Zwar finde ich es im Nachhinein etwas effektheischend und leicht überzogen (das hätte man auch offener und stiller gestalten können), aber es passte in dem Moment. Danach war der Kinosaal still und alles blieb erst mal sitzen. Nach dem Abspann wollte ich eigentlich noch was essen gehen, aber das ging erst mal gar nicht, da war ich zu aufgewühlt.
Die Stimmung kam im Film viel besser rüber als im Buch, fand ich. Die kindliche Naivität war bei beiden vorhanden, wirkte im Buch aber für mich übertrieben, im Film hatte sie die Richtige Gewichtung. Gerade die differenz zwischen Brunos Naivität und der Realität kam durch die Bilder des Lagers und der Häftlinge sehr zu tragen.
Ich würde den Film ab 15 oder 16 empfehlen, er ist nicht sehr brutal in seinen Bildern, aber der Hintergrund ist einfach zu heftig, als dass ich denke, dass jüngere es verstehen und verkraften. Wenn man in der Thematik nicht bescheid weiß, dann weiß man den Film auch nicht so wirklich zu würdigen, sondern findet ihn vermutlich etwas langweilig. Der Film ist nur zu genießen, nein besser zu erfassen und zu erfahren, wenn man den Hintergrund soweit kennt und verstanden hat (genießen kann man bei dem Thema sowieso nicht, aber die filmerische Leistung sollte man trotz Ergriffenheit würdigen). Schreckliche Bilder kommen eigentliche keine vor, werden maximal angedeutet, daher braucht man schon Vorwissen, um den Schrecken des Films zu begreifen. Als solches ist der Film eher ruhig, langsam, manchmal sogar träge - er erschließt sich nur im Zusammenhang mit den Vorkenntnissen der Besucher über das, was hinter der Fassade wirklich passiert. Und das ist eben wirklich psychisch brutal!
Ich vermute mal ganz stark, dass sich den Film viele Schüler bald in Reli, Geschichte oder Deutsch ansehen müssen - und ich schätze (wenn es kein LK ist, oder es super engagierte Schüler in den Kursen gibt) es wird sich kaum jemand dazu äußern, dass ihn der Film gerührt hat. Leider 'dümpeln' solche Filme vielzuoft als Schul-Lektüre-Filme herum und diese haben eben oft die Eigenschaft, dass die Schüler sich wegen ihrer Noten zwar positiv über den Film äußern müssen, aber schon negativ vorgestimmt herangehen (ich gebe zu, dass war bei mir in der Schulzeit auch so), weil es ja Schullektüre/-film ist. Ich hoffe, dass dieser Film das Schicksal solch eines Nischendaseins nicht bekommen wird, es lohnt sich wirklich ihn zu sehen.
Ich lehne Buchverfilmungen eigentlich erst mal ab, aber diese fand ich besser als das Buch, ja mindestens genauso gut! Für mich 10 von 10 Punkten für einen ruhigen, aber ungeheuer ergreifenden und tragischen Film!