Himmel und Hölle - Jón Kalman Stefánsson

  • Himmel und Hölle - Jón Kalman Stefánsson


    Kurzbeschreibung
    Himmel und Hölle führt in eine vergangene Welt. Stefánssons unverwechselbarer Erzählton, der mit kleinen Geschichten den verschiedensten Lebensentwürfen mal nachdenklich, mal verschmitzt nachspürt, verbindet sich hier mit einer dramatisch zugespitzten Handlung und der Wucht des Tragischen.


    Über den Autor
    Jón Kalman Stefánsson, geb. 1963, trat mit Lyrik und Romanen hervor. Bevor er Literaturwissenschaft an der Hochschule von Island studierte, hatte er sich in den verschiedensten Berufen umgetan: in der Fischindustrie, als Maurer und für kurze Zeit auch als Polizist.


    Acht Jahre unterrichtete er Literatur an einer Schule in Akranes, verfasste Artikel für die Zeitung Morgunbla i sowie für den nationalen Radiosender. Von 1992 bis 1995 lebte Jón Kalman Stefánsson in Kopenhagen, las, schrieb und zählte Straßenbahnen. Anschließend leitete er bis zum Jahr 2000 die Stadtbücherei von Mosfellsbær bei Reykjavík.


    meine Meinung
    Was für ein einfallsloser Titel, dachte ich mir zunächst, für einen, der Bücher wie „Verschiedenes über Riesenkiefern und die Zeit“ und „Das Knistern in den Sternen“ geschrieben hat. Aber doch, es einfach die Überstzung des Originals: Himnaríki og helvíti.
    Als ich aber zu lesen begann, war ich sofort hingerissen. Dabei ist die Geschichte schnell erzählt: ein Junge versucht, mit dem Tod seines Freundes klarzukommen.
    Die Geschichte spielt in Island im, wie ich schätzen würde, frühen 20. Jhd. Die armen Bauern verlassen ihre Höfe, um sich ein Zubrot mit dem Fischfang zu verdienen, nicht selten unter Einsatz ihres Lebens, während die Honoratioren in der Stadt Kaffeekränzchen veranstalten oder erbauliche Abende beim Pfarrer abhalten. In dieses Spannungsfeld gerät der Junge, nachdem er beschlossen hat, nie wieder zur See zu fahren.
    Jón liefert hier ein fesselndes Bild einer Gesellschaft auf dem Sprung in die Moderne, mit wunderbaren Figuren, faszinierenden Schilderungen der Landschaft, insbesondere des Meeres und lakonischen Betrachtungen zu Leben und Tod. Und obwohl immer eine unterschwellige Melancholie in der Geschichte mitschwingt, hinterlässt sie, nicht zuletzt wegen des feinen Humors das Gefühl, dass auch unter härtesten Bedingungen das Leben einfach schön ist.


    Und außerdem ist dieses Buch unbedingt etwas für Freunde der isländischen Namen: die Heldin heißt Geirþruur :anbet

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von DraperDoyle ()

  • Jón Kalman Stefánsson: Himmel und Hölle

    Piper Taschenbuch 2011. 240 Seiten

    ISBN-10: 3492258328

    ISBN-13: 978-3492258326

    Originaltitel: Himmnaríki og helvíti

    Übersetzer: Karl-Ludwig Wetzig


    Verlagstext

    Island, vor etwa 100 Jahren: Ein namenloser Junge und sein bester Freund Bárður verdienen mit dem Dorschfang ihr Geld, wenngleich ihre wahre Leidenschaft der Poesie gilt. Eines Morgens verliert sich Bárður jedoch so sehr in den Versen des Dichters Milton, dass er darüber vergisst, seinen Anorak mit aufs Fischerboot zu nehmen. Auf dem offenen Meer, umgeben von eisigen Polarwinden, bezahlt er dafür mit seinem Leben. Vom Tod des Kameraden erschüttert, plagen den Jungen fortan Fragen über sein eigenes Dasein: Wozu lebt er? Hat er es verdient zu leben? Und soll er sich der Ungewissheit der Zukunft stellen?


    Der Autor

    Jón Kalman Stefánsson, geboren 1963 in Reykjavík, lebte einige Jahre in Dänemark, bevor er sich mit seiner Familie in Mosfellsbær auf Island niederließ. Er zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des Landes, sein Werk ist preisgekrönt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Für seinen Roman »Sommerlicht, und dann kommt die Nacht« erhielt Stefánsson im Jahr 2005 den isländischen Literaturpreis. Den internationalen Durchbruch bescherte ihm der Roman »Himmel und Hölle«, erster Teil einer Trilogie, dem »Der Schmerz der Engel« und »Das Herz des Menschen« folgten.


    Inhalt

    Dorsch wurde vor 100 Jahren von offenen Ruderbooten aus mit Angelleinen gefischt. Sechs Mann gehörten zu einer Bootsbesatzung, die geschmiedete Haken mit Ködern besteckten, stundenlang auf den Fjord hinaus ruderten und - oft in Schnee und Eis - die Leinen mit ihrem Fang wieder einholten. Kaum einer der Männer konnte schwimmen; im eisigen Wasser hätte ihm das auch wenig genützt. Kenterte ein Boot, starben dabei oft Brüder oder Vater und Sohn. Im Leben der Männer besteht Glück aus Wärme, Licht und Tabak. In solch einem Sechser-Team arbeiten ein Junge, dessen Name nicht genannt wird, und sein Kamerad Bárdur. Die ganze Härte ihres Lebens wird in der Szene deutlich, als Àrni 6 Stunden zu Fuß nachhause marschiert, um seine Frau vor dem Auslaufen noch einmal zu sehen. Bárdur und der Junge lesen in jeder freien Minute. Ihre Bücher leihen sie sich bei dem legendären blinden Kapitän Kolbeinn aus, von dem man munkelt, er würde 400 Bücher besitzen. Lesen ist Verschwendung von Zeit und Licht, finden die anderen Männer. Als Bárdur, vertieft in John Milton, beim Auslaufen seinen Anorak an Land vergisst, kostet ihn das sein Leben. Vor den Augen der Männer gefriert der nasse Schnee auf Bárdurs Wollpullover und er erfriert, noch ehe das Boot zurückgekehrt ist. Mancher wird Bárdurs Tod seiner Sehnsucht zuschreiben nach allem, was außerhalb des Fjordes existiert; durch seinen Wissensdurst hat er aber auch den Rest der Mannschaft in Gefahr gebracht …


    Der Junge verlässt die Mannschaft und marschiert mitten im Winter in den Ort zurück, aus dem Bárdur und er einmal an die Küste gekommen sein können. Er will Kolbeinn sein Buch zurückzubringen, entschlossen dann selbst aus Kummer um Bárdur zu sterben. Vom archaischen Kampf gegen das Meer aus einer Nussschale heraus vollzieht er damit einen Szenenwechsel in einen Ort mit Handel, Gasthaus und einem wohlhabenden Bürgertum, das sich Dienstboten, große Häuser und Bildung leisten kann. Der Wohlstand, aus dem heraus Kolbeinns privater Bücherverleih entstanden ist, wirkt beinahe obszön im Vergleich zum harten Leben der Dorschfischer.


    Erzählt wird die Geschichte in wunderbarer Sprache von einem allwissenden Erzähler (auch er könnte aus Bárdurs Dorf stammen), der die Dramatik der Ereignisse mit feiner Ironie abfedert. Ein zeitloser Roman über den Hunger nach Bildung, der zu den in Fischereimuseen ausgestellten Dorschleinen die Geschichte der Fischer erzählt.


    10 von 10 Punkten