Religiöse Gefühle - eine kleine Phänomenologie

Die tiefgreifenden System-Arbeiten sind soweit abgeschlossen. Weitere Arbeiten können - wie bisher - am laufenden System erfolgen und werden bis auf weiteres zu keinen Einschränkungen im Forenbetrieb führen.
  • Zitat

    Original von Iris


    Um das mal in die deutlichen Worte der Redlichkeit zu fassen: Demnach sind gläubige Menschen entweder zu dumm (unredlich ausgedrückt: es mangelt aus biologischen Gründen an kognitiven Fähigkeiten) oder zu borniert (unredlich ausgedrückt: sie wollen es einfach nicht einsehen), um zu kapieren, dass der ganze Quatsch Quatsch ist.


    Ganz großes Tennis, Tom!


    LOL!!!
    PULCHRE BENE RECTE
    WEITER SO!!!


    Es geht bei beiden sichtweisen der welt - obwohl SiCollier mit seinen teilgesellschaften recht hat, man soll bloss nicht generalisieren - um die sinnfrage, und daraus ergibt sich die kampffrage zwischen religiösem und a-religiösem weltbild um die seelen/oder ob es sowas überhaupt gibt bei den menschen.


    Ich denk, Religion hat was mit dem Rückhalt in der welt zu tun, und erfindet einen sinn für das ganze, wie gut oder schlecht, wie un/&sinnig auch immer getroffen.
    Echte, wissenschaftliche, weltsicht bietet keinen emotionalen, sinngebenden rückhalt, ausser jemand findet auch in persönlichen katastrophen trost im ewigen nachfragen und in vorläufig gültigen antworten, am ewigen wandel, an der schönheit des mathematischen apfelmännchens, der sterne, pflanzen, elemente, etc...


    Ich find's witzig, denn zB Dawkins selbst etwa ist mir in seinem Gotteswahn sehr 'weltreligiös' vorgekommen: er findet die kleinen und grossen sichtbaren dinger im universum so unendlich toll, dass er eher wie ein religiöser schwärmer auftritt, wenn er etwas erklärt. Er ist im betrachten der schönheit des irdischen und der bewunderung des ewigen Wandels versunken.
    Aber seine wissenschaftliche art der weltsicht versucht äusserst aktiv den anders-glaubenden bzw den nicht-wissen-warum-noch-in-kirche-seienden vage-gläubigen den schwebenden teppich / den vermeintlich fixen boden wegzuziehen, und tatsächlich haben die wissenschaftlich-weltreligiösen die besseren argumente auf ihrer seite.
    Denn es gibt keine logische begründung, warum ein heiliges buch 'wahrer' als alle anderen sein sollte, und warum man einem glauben anhängen muss, nur weil ihn die eltern und grosseltern hatten, oder die nachbarn im dorf haben, während man selbst gar nicht davon überzeugt ist, oder nicht darüber nachdenkt, aber trotzdem zu den religiösen festen geht und kirchensteuer zahlt. Da kann man es ja gleich bleiben und sich nicht mehr von einer organisation für dumm verkaufen lassen, nur damit man weihwasser auf den sarg gespritzt kriegt, wenn alles sowieso ungewiss ist, das ritual lächerlich, die argumentation der mit/bzw neben-christen peinlich und nicht von einem geteilt.
    Ich fand den Ex-Missionar, Linguisten und Anthropologen Daniel Everett hier mit seinem agnostischem urvolk der Piraha sehr aufschlussreich, wie sehr religion von der kultur und ausdrucksweise abhängt(Das naturvolk der Piraha hat den missionar Everett durch pointierte fragestellungen, die nur aus ihrer sprache und weltsicht möglich sind, missioniert): Das umfeld macht das religiöse verständnis aus, wenn es nicht mehr da ist, oder nicht mehr als fix wahrgenommen wird, ändert sich auch das religiöse verständnis - sofern man sich nicht in seiner eigenen meditationszelle eingesperrt hat, und der eigene kopf immer um dasselbe Mantra kreist, denn dabei wird man wirklich religiös irr.


    *Magna Mater (trotz ihrer eigenen sichtbar-gravett-venusischen göttlichkeit laut Belief-o-mat 100% Unitarische Universalistin und 89% Liberale Quäkerin) lehnt sich zurück, holt sich tee und biskotten und geniesst den thread*


    EDIT: der ewige krampf mit dem linken

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Tom


    Warum nicht? Ich kann mein Unbehagen schlecht in Worte fassen.
    Ein Unbehagen, das sich bei mir nicht nur auf Werbung für Jesus begrenzt.
    (Als bei uns aus Werbegründen der höchste Berg mit grellen Scheinwerfern schnurgerade wie eine Autobahn beleuchtet wurde, fand ich das auch nicht passend. Ein Berg ist eben auch etwas "Erhabenes" :-) )


    Es ist eine aggressive Werbung, die für so etwas Intimes, wie es Glauben oder Nichtglauben für mich ist, nach meinem Gefühl nicht passt.


    Was habe ich denn davon, wenn da steht: "Jesus liebt Dich"?
    Gehe ich deshalb in die Kirche, wenn ich mit Glauben nichts am Hut habe?


    Oder werde ich Atheist, wenn ich da lese: "Es gibt mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Gott"?
    Wohl auch eher nicht, Gewissheit gibt es da ohnehin keine.


    Wenn die Kirche sich Sorgen um Mitgliederschwund macht, ist ein Forschen nach den Ursachen im eigenen Haus besser geeignet als Plakate an Bussen.


    Und ich möchte auch nicht durch Plakate dazu gedrängt werden, endlich mal nicht mehr zu glauben.


    Jeder soll nach seiner Fasson selig werden.

  • Hallo, bertrande.


    Zitat

    Was habe ich denn davon, wenn da steht: "Jesus liebt Dich"?


    Wenn ich mich recht erinnere, handelt es sich dabei um Werbung für eine kirchliche Telefonseelsorge. Es ist durchaus anzunehmen, dass Menschen, die sich in verzweifelten Situationen befinden, angesichts einer solchen Werbung dem Impuls nachgeben, dort anzurufen. Und es ist sogar anzunehmen, dass es einigen hilft. Sonst gäbe es diese Einrichtung nämlich nicht.


    Religion ist möglicherweise eine intime Angelegenheit, aber fraglos auch eine öffentliche. Viele Menschen bedürfen der Solidarität und der Gemeinschaft, um sich bekennen und ausleben zu können (siehe SiColliers Anmerkungen), oder um Probleme zu bewältigen. Selbsthilfegruppen funktionieren besser als Selbsttherapien im stillen Kämmerlein. Das Bewusstsein, nicht alleine dazustehen, sich sogar öffentlich machen zu können, stützt Überzeugungen jeglicher Art. Deshalb halte ich es für falsch, weltanschauliche Werbung und damit - konsequenterweise - Symbolik aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Kirchentage und religiöse Straßenfeste sind auch öffentliche Werbung. Glockengeläut ist es. Die Präsenz von religiösen Bauten. Das Kruzifix im Schulzimmer oder Gerichtssaal. Der optionale Nachsatz "So wahr mir Gott helfe" bei Vereidigungen jeder Art, der trotzdem auf dem Ablesezettel steht, ob man ihn nun vortragen will oder nicht.


    Nur muss und sollte es dann auch umgekehrt erlaubt sein. Die Berliner Nahverkehrsbetriebe (BVG) haben das ziemlich bauernschlau gehandhabt, als die Buskampagne anstand. Sie wurde zum Anlass, weltanschauliche Werbung generell auszuklammern. Nur: Wie lange? Bis die Buskampagne vorbei ist? Und was ist mit der religiösen Werbung, die vorher erlaubt war, während es Werbung dagegen oder für naturalistische Weltsichten meiner Kenntnis in vergleichbarer Form bisher noch nie gab? "Jesus liebt Dich!", wie gut oder schlecht man das im Einzelfall fand, hat die Gemüter nicht erregt, obwohl ich mir gut vorstellen kann, dass der eine oder andere, der mit Glauben so ganz und gar nichts am Hut hat, einen Platz in der U-Bahn gewählt hat, von dem aus er diese persönliche Anmache nicht im Blickfeld hatte. Und das ist m.E. ein grundsätzliches Problem. Glauben ist verankert, hat unumstößliche Rechte, wie fortwährende Präsenz (die obigen Beispiele stellen nur die Spitze des Eisbergs dar). Die Gegenmeinung "verletzt Gefühle". Dafür reicht die Behauptung aus; Gefühlsverletzungen lassen sich nicht nachprüfen. Und für die Fatwa gegen Rushdie oder den Wahnsinn, den die Mohammed-Karikaturen bei Leuten ausgelöst haben, die sie nie gesehen haben, gibt es in der Öffentlichkeit immer noch deutlich mehr Verständnis als für die andere Seite.


    Das ist schlecht.

  • ab iatzat :chen aber ich bin in denken und schreiben beständig inkohärent...
    alles fliesst, wirbelt und wuselt... wie mein natürliches gottesbild

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


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  • Zitat

    Original von SiCollier
    Zum Thema USA. Die ganze Zeit über ging mir die Aussage von Diana B. Hellmann, die seit Jahren in L.A. lebt, aus der Leserunde durch den Kopf:


    Sorry, Off-Topic, aber ich glaub, wenn ich dieses Argument noch ein einziges Mal höre, dann wird mir übel.


    Es ist keine allgemeingültige "amerikanische Lebensanschauung", dass Atheismus eine Religion ist, sondern dass wird meiner Erfahrung nach vor allem von evangelikalen Amerikanern gebetsmühlenartig wiederholt. Atheisten hingegen sträuben sind eher dagegen, dass ihr "lack of belief" als Glaube ("faith") bezeichnet wird. Z.B. hier: Isn't atheism just another fundamentalistic religion?. Atheismus ist ungefähr so sehr eine Religion, wie Nicht-Briefmarkensammeln ein Hobby ist. Und ich hab auch noch nie gehört, dass Christen ihren mangelnden Glauben an Zeus, Thor oder Ra als Religion bezeichnet hätten.


    "Freedom of religion" schließt ein, dass man auch gar keiner Religion angehören darf (nicht umsonst wurden die USA ausdrücklich als säkularer und nicht als christlicher Staat gegründet) und nicht, dass man zwar frei wählen darf, welcher Religion man angehört, irgendeine sollte es aber bitte schön doch sein. Und wenn das einmal klar ist, dann muss man auch Atheismus nicht zur Pseudoreligion erklären, um zu rechtfertigen, warum Atheisten nicht aus dem Land gekickt werden. Und man muss auch kein "entschiedener Atheist" sein, nein, man darf auch Agnostiker sein.


    Dass "Freedom from religion" nirgendwo erwähnt wird heisst nicht, dass man nicht die Freiheit hat, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören, sondern dass es für Religionsgemeinschaften nicht verboten ist, sichtbar zu sein und Leute zu behelligen, die das vielleicht gar nicht wollen.


    Wie willkommen Atheisten in den USA wirklich sind zeigt die University of Minnesota-Study aus 2006, nach der Atheisten die am meisten gehasste Minderheit in den USA sind:




    Oder etwas älter die Gallop Poll von 1999:



    Im Moment gibt es einen einzigen geouteten Atheisten im US-Congress und zwar Pete Stark aus Kalifornien.

  • Zitat

    Atheismus ist ungefähr so sehr eine Religion, wie Nicht-Briefmarkensammeln ein Hobby ist.


    So ist es. Dieser Gedanke, man müsse etwas Gleichwertiges an die Stelle der Religion setzen, hat aber nicht nur rhetorische Qualität. Vielen religiösen Menschen geht (meiner quasi-empirischen Beobachtung nach) einfach das Verständnis dafür ab, dass man das vorläufig Nicht-Erklärbare nicht irgendwie erklären will. Eine Welt ohne diese schutzgebende "Gewissheit" entzieht sich ihrem Verständnis.


    Zitat

    Und ich hab auch noch nie gehört, dass Christen ihren mangelnden Glauben an Zeus, Thor oder Ra als Religion bezeichnet hätten.


    Du hast das Unsichtbare Rosafarbene Einhorn und, gelobt seien Seine Nudeligen Tentakel!, das FSM vergessen. ;-) Trotzdem: Schön gesagt.

  • Zitat

    Original von Delphin
    Wie willkommen Atheisten in den USA wirklich sind ...


    Die Zahlen sind interessant. Einen Gedanken möchte ich diesbezüglich einwerfen:
    Bevor ich für längere Zeit in die USA gegangen bin, wurde mir geraten, bei der Frage nach Religionszugehörigkeit zu sagen, dass man "keiner Religion" angehört oder (bei Fragebögen) das Feld zu streichen. "Atheist" habe in den USA einen aggressiven Beigeschmack, würde von den Amerikanern als jemand verstanden, der religionsfeindlich ist. Ich weiß nicht, ob das durchgehend so der Fall ist. Ich hatte jedenfalls in einem doch relativ konservativ und kirchennahen Umfeld nie Probleme mit der Äußerung, keiner Religion anzugehören.

  • Zitat

    Original von22 Tom


    Die Berliner Nahverkehrsbetriebe (BVG) haben das ziemlich bauernschlau gehandhabt, als die Buskampagne anstand. Sie wurde zum Anlass, weltanschauliche Werbung generell auszuklammern.


    Finde ich ausgesprochen gut.
    Weltanschauliche Werbung, egal welcher Art (auch nicht christliche), brauche ich nicht auf Bussen.
    Auch deshalb nicht, weil diese beiden diskutierten Fälle sicher nicht die einzigen bleiben würden. Das riecht nach Problemen, die ohne diese Aufschriften gar nicht sein müssen.
    Ich stelle mir z.B. vor, was die Aufschrift "Allah ist groß" bei bestimmten Gruppen (die nicht unbedingt Christen sein müssen - Verfolgungswahn ist "religionsneutral")auslösen könnte.

  • bertrande :


    Ich weiß nicht, wie es im Allgäu aussieht, aber wir haben in Berlin 80 Moscheen, etwas mehr als 170 römisch-katholische Kirchen und knapp 400 evangelische. Zu den 80 Moscheen gehört die größte Deutschlands, am Flughafen Tempelhof. Man braucht keine Busse mehr, auf denen "Allah ist groß!" oder "Gott liebt Dich!" steht, denn alleine diese über 600 Sakralbauten rufen das mehr als laut in die Welt hinaus, pausenlos, rund um die Uhr, gelegentlich von Glockengeläut begleitet. Sie sind überall im Stadtbild präsent. Die genannte Moschee liegt an einer der wichtigsten Ost-West-Achsen des Berliner Zentrums. Ihre Türme sind weithin sichtbar.


    Werden damit Gefühle verletzt? Warum eigentlich nicht?


    "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott. Erfülltes Leben braucht keinen Glauben." Das sollte auf den Bussen stehen, vorübergehend, auf den gleichen Bussen, die vorher für Kirchentage geworben haben, in denen immer noch die Seelsorge-Schildchen mit der Aufschrift "Jesus liebt Dich!" hängen.


    Mit ist es egal, ob die Exponenten der religiösen Weltanschauungen meinen, Werbung für ihre Auffassung machen zu müssen oder nicht. Aber die Buskampagne ist nicht abgelehnt worden, weil sich die BVG (in Berlin) grundsätzlich dagegen entschieden hat, derlei zu tun, sondern weil sie eine aktuelle Notsituation vermeiden wollte. Weil Atheisten all diese Signale und Werbemaßnahmen erduldet haben und weiterhin erdulden, aber Theisten umgekehrt dazu nicht in der Lage zu sein scheinen. Die Keule heißt "religiöse Gefühle". Siehe Threadtitel.

  • @ Delphin


    Das Argument stammt nicht von mir, sondern von Diana Beate Hellmann, die seit 1994 in den USA lebt, dort verheiratet ist und auch arbeitet. Zumindest in ihrem Erfahrungsbereich wird es wohl so sein.




    Im Übrigen habe ich in diesem Thread inzwischen mehr geschrieben, als ich ursprünglich vor hatte. Da ich alles, was ich zum Thema äußern wollte, inzwischen von mir gegeben habe, wird es Zeit, das zu tun, was ich bereits mehrfach erwähnt habe: mich aus dem „Weltgeschehen“ zurückzuziehen in die (virtuelle) Bücherwelt. Was ich hiermit auch tue.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von Tom
    Im Prinzip würde das bedeuten, dass es unterschiedliche Wertesysteme gibt. Ist das so? Prinzipien wie Achtsamkeit, Nächstenliebe (ein sehr komplexer Begriff, der einer feineren Definition bedürfte), Subsidiarität, Schutz von Schwächeren usw. empfinde ich als grundsätzlich richtig,



    Dann glaubst Du an irgendetwas. Gerade der "Schutz von Schwächeren" ist keine Selbstverständlichkeit - es hat genug Kulturen gegeben, die für Schwäche nur Verachtung übrig hatten.


    Was versprichts Du Dir davon, Schwächere zu schützen? Einen persönlichen Vorteil? Oder einen kollektiven Vorteil für Deine Familie (in der man zueinander hält) Deine Nation (die niemanden verhungern läßt) oder allgemein die Menschheit?


    Wenn Du den "Schutz von Schwächeren" als Wert ansiehst, der einem Kollektiv weiterhilft, dann glaubst Du daran, daß dieses Kollektiv es wert ist, daß Du Deine Partikular-Interessen den Kollektiv-Interessen unterordnest.


    Das ist Glaube. Ob die Ersatzreligion nun "Familienehre", "Patriotismus" oder "Humanismus" heißt. Wenn Du nichts glauben würdest, müßtest Du Nihilist werden.


    Ich persönlich bin zu dem Schluß gekommen, daß Humanisten, die an "das Gute im Menschen" glauben, einer viel größeren Gefahr ausgesetzt sind, von ihrem Glauben ent-täuscht zu werden, als Monotheisten, die an die Gnade Gottes glauben.

  • Hm... glaube bedeutet aber immer auch verachtung, missionierungswillen bis hin zur ausrottung von andersgläubigen, die nicht derselben gruppe angehören... glaube hat nie und nimmer etwas mit nächstenliebe oder ethischem verhalten zu tun... es ist eine form von gruppenegoismus, und im vergleich zum humanismus, der sich den dienst und das wohlwollen allen menschen gegenüber auf die fahnen geschrieben hat, ist die gruppe bei gläubigen sehr eingeengt.


    Innerhalb der gruppe ist altruismus - vor allem den kindern der gruppe gegenüber - ein völlig normales verhalten, sogar bei tieren (es sei denn, ein alpha-männchen will sich genetisch durchsetzen und tötet alle jungen seines besiegten vorgängers, ein verhalten, das auch bei menschen vorkommt, als restlose vertilgung der vorhergehenden herrscher-dynastie), und tiere glauben höchstwahrscheinlich an nichts. Humanismus, sofern er ein echter humanismus ist, hat nur alle mitmenschen als teil derselben gruppe erkannt.
    Das ist kein glaube, sondern eine biologische tatsache, genauso wie ich etwa nie auf den gedanken käme, ein mit-säugetier zu essen, es gehört zu derselben sorte, und noch dazu der kleinsten im tierreich.
    Es ist nur logisch, als säuger allen mitsäugern den vorzug zu geben. Für vögel und fische, lurche und weichtiere, die ich als artfremd verstehe, und denen ich keinerlei sympathie ausser der des fressfeindes entgegen bringe, gilt das etwa nicht. Und dass ich säugetiere schützen sollte, ist kein glaube sondern einfach ein triviales wissen um meine biologische zugehörigkeit. Das hemd ist einem näher als der rock.
    Als religiöser mensch betrachtet man meisst nur sein unterhemd, seine philosophische kleingruppe, und kommt, wenn es zu der frage kommt, wer von der jeweils imaginierten gottheit gerettet werden oder auserwählt werden wird, zu kleinlichen ergebnissen.


    Dass menschen gelegentlich andere menschen enttäuschen liegt in der natur der sache, die da ist, dass andere menschen einfach zuviel von ihren mitmenschen erwarten. Dass enttäuschter humanismus und die oft daraus folgende entrüstung logischerweise zur erfindung eines einen nicht enttäuschenden, und vor allem über die enttäuscher richtenden übermenschens führt, ist kern des themas.
    Die illusion des perfekten gerechten überwesens, das immer und allzeit selbst für die kleinsten und unwichtigsten probleme des einzelnen zuständig ist, und die machtlosen gegenüber den mächtigen rächt, ist etwas, von dem sich zu verabschieden vielen leuten besonders schwer fällt.


    Es gibt in der wissenschaftlichen weltsicht keine bekannten und universal gültigen letzten antworten, es gibt keinen bekannten letzten grund, und es gibt keinen bekannten sinn. Es gibt viele leute, die eine solche erkenntnis nicht als wunderbar und befreiend empfinden, und nicht mit frei schwebender ungewissheit und werterelativität (und der oft daraus folgenden selbsvergottung des menschen - wegen ihrem eigenen minderwertigkeitskomplex) leben können, sondern immer nach einem halt suchen, weil sie unfähig sind zu erkennen, wie toll es ist, völlig frei zu schweben, eigene gesetze zu machen, ohne die ewig gedachen übermama/überpapa im hintergrund, die aufpassen, dass dem kleinen menschlein bloss nichts passiert. Die religiöse 'seele' ist in ihrer struktur eher kindlich, orientiert sich an grossen vätern, müttern, brüdern, lehrern.


    Ja, und hier schliesst sich der kreis: denn der genie- und vordenker-heroenkult, den wissenschafter gelegentlich betreiben, ist auch eine art idolisation. Das ist gestattet, wenn es sich um ein zitat in einem buch handelt, wenn man jedoch zur bezeugung des eigenen respekts auf einen grabstein/vor einer statue blumen opfert, ist das hart an der grenze zur erträglichkeit.


    Off topic - ich hab jetzt bei den großen brüdern an die erweckte christin denken müssen, die - sinngemäß - gesagt hat, I'll be coming back riding on a white horse beside Jesus, and we will wipe the world of unbelievers, you'll see - weiss irgendwer, ob Religulous schon läuft?

    DC :lesend


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  • Zitat

    Original von MagnaMater
    weiss irgendwer, ob Religulous schon läuft?


    Hab ich vor ca. 3 Wochen geguckt, war ganz witzig zusammengeschnitten, aber hat mich nicht vom Hocker gerissen. Das Beste war das Gesicht vom Senator von Arkansas, nachdem er sagte: "You don't have to pass an IQ-test to be in the senate though":
    http://www.youtube.com/watch?v=7fliFcvGAKk


    :rofl

  • Wieso muss man über so was eigentlich immer diskutieren? Kann man sich nicht einfach darauf einigen, dass man sich nicht einig werden kann?
    Ich bezeichne mich als Agnostiker und damit lebt es sich gut. Also wer an Gott glauben will soll das tun und wer das nicht kann oder will solls lassen. Man muss nicht alles in Grund und Boden diskutieren. :keks

  • Zitat

    Original von MagnaMater
    Hm... glaube bedeutet aber immer auch verachtung, missionierungswillen bis hin zur ausrottung von andersgläubigen, die nicht derselben gruppe angehören... glaube hat nie und nimmer etwas mit nächstenliebe oder ethischem verhalten zu tun.


    Kann ich so nicht stehen lassen. Ich kann hier ja nur für das Christentum sprechen, aber wenn ein Christ versucht einen Nichtchristen zu missionieren, dann tut er das nicht aus "Gruppenegoismus", sondern, weil ihm am Seelenheil des Betreffenden etwas liegt:


    Prämisse 1: wer sich von Jesus Christus retten läßt, kommt in den Himmel.
    Prämisse 2: wer sich nicht von Christus retten läßt, erwartet ewige verdsammnis
    Prämisse 3: Nächstenliebe heißt, daß ich meinem Nächsten den Himmel gönne


    Conclusio: ich wünsche meinem Nächsten, daß er sich auch von Jesus retten läßt und sage ihm das auch!



    Zum Altruismus "innerhalb der Gruppe":
    Man kann das eine tun ohne das andere zu lassen. Daß meine Frau und ich evangelisch sind und mit katholischen Messen nicht wirklich etwas anfangen können, ändert nichts daran, daß meine Frau bei der Entscheidung, was bei uns auf den Tisch kommt, ein weitreichendes Mitgefühl für Wirbeltiere und höhere Wirbellose walten läßt - tote Tiere ißt sie nicht und bereitet sie auch nicht zu, egal, ob Huhn, Fisch oder Granat. Und ich glaube nicht, daß man Krabben nach evangelisch oder katholisch unterscheiden kann. ;-)

  • gib zu, dass an Prämisse 1 ein haken der ungewissheit in a) der existenz gottes wie von uns menschen als persönlich vorgestellt selbst, b) der exclusiven heilsbringer-funktion christi ist, und an Prämisse 2 ein arrogant-elitendenkender haken ist, der den rest der unchristlichen menschheit automatisch ausschliesst, egal wie rein und rücksichtsvoll und gerecht sie leben, und die missionierenden christen mit der verbreitung ihrer lehre in verbund mit Prämisse 3 zur zweiten, extrem unsympathischen gruppe gleich neben dem wahabitischen islam macht.


    *:gruebelhm, ich kann jetzt gar nix gegen wahabiten im speziellen sagen, ausser dass ihr striktes morallehren-gebäude und ihr beinahe evangelikales eifern mir im allgemeinen missfällt, denn just ein persönlich sehr netter wahabitischer prediger bestätigte mir nach einer zweistündigen zugfahrt, in der wir moralfragen und gottesvorstellungen wälzten, ich sei eine muslima. Ich hab ihm den beginn der adhan hergesagt, und er hat mich den rest gelehrt, weil ich ihm sagte, ich würde sie gern auswendig können, und als ich noch dazu zu seiner grossen freude meinte, überhaupt kein problem mit ihrem inhalt zu haben, hat er mir seine alte gebetskette geschenkt und ich bin samt foto in seinem sammelalbum der westlichen konvertiten gelandet, die durch seine islamische missionstätigkeit gewonnen wurden... :wow*

    DC :lesend


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  • Zitat

    Original von Delphin


    Hab ich vor ca. 3 Wochen geguckt, war ganz witzig zusammengeschnitten, aber hat mich nicht vom Hocker gerissen. Das Beste war das Gesicht vom Senator von Arkansas, nachdem er sagte: "You don't have to pass an IQ-test to be in the senate though":
    http://www.youtube.com/watch?v=7fliFcvGAKk


    :rofl


    Lol, der ist gut... :chen

    DC :lesend


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  • Hallo, Behrnie.


    Zitat

    Dann glaubst Du an irgendetwas.


    Grundsätze wie - als simpelstes Beispiel die durchaus auch vernunftbegründbare - Goldene Regel zu akzeptieren, die, sehr vereinfacht, das Gegenseitigkeitsprinzip fundamentiert, mit Glauben an übergeordnete Kräfte oder irgendwelche Offenbarungen (auf Bergen oder in Wüsten) gleichzusetzen, kommt mir doch etwas seltsam vor. Dieses Prinzip bedarf keiner übergeordneten Instanz wie einem allwissenden, allgütigen und allmächtigen Gott. Und es erklärt auch, warum man Schwächere schützen möchte, da man jederzeit zu ihnen gehören kann. Das ist nur ein Beispiel. Solche ethischen und moralischen Maxime gibt es viele und in verschiedenen philosophischen "Tiefen". Die meisten religiösen Grundsätze, Regeln und Rituale sind umgekehrt nämlich nur Ableitungen und Institutionalisierungen solcher Ansätze, die es lange vor dem weltweiten Siegeszug der obskuren Sekte, aus der das Christentum entstand, gab. Zudem sind Belohnungssysteme und Empathie durchaus biopsychologisch erklärbar. Dass man sich, ebenfalls sehr vereinfacht gesagt, dabei gut fühlt, wenn man anderen Gutes angedeihen lässt, bedarf ebenfalls keiner transzendenten Kraft oder ähnlicher Strukturen.