Ich finde das Bild des Vergleiches gar nicht so schräg- es beinhaltet die Unterdrückungsgeschichte und die Ängste auf der einen Seite genauso wie die beiderseitige Emanzipation und Anerkennung der Standpunkte und die Sprachlosigkeit und das Unverständnis im konkreten Handeln. Den Vergleich klaue ich dir und werde ihn zukünftig sicher häufiger verwenden.
Religiöse Gefühle - eine kleine Phänomenologie
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Ich denke, dass Religion etwas Privates bleiben sollte, was man in seinen 4 Wänden ausleben kann, aber dann bitte auch dort belassen sollte.
(Persönlich bezeichne ich mich als Agnostiker mit einer Schwäche für Naturgewalten.)Ich bin von Atheisten zwar schon mal seltsam angesehen worden, wenn ich mich als Enkel einer Göttin bezeichnet habe; angegriffen wurde ich aber deswegen bisher nur von einer ehemaligen Büchereule. Es ist wohl einfacher über ein anonymes Medium jemanden anzugreifen als von Angesicht zu Angesicht. Vielleicht haben wir deswegen hier auch ferventere Diskussionen zu diesem Thema.
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Zitat
Ich denke, dass Religion etwas Privates bleiben sollte, was man in seinen 4 Wänden ausleben kann, aber dann bitte auch dort belassen sollte.
Naja - das wird nicht praktiziert, in jeder zweiten Straße steht ein Gebäude zur Zusammenkunft der verschiedenen Glaubensrichtungen. Ansonsten stimme ich Dir zu, wenn Du meinst, das jeder für sich entscheiden soll und die Entscheidung Anderer respektiert.
ZitatIch empfinde diese Gesellschaft und den Weg, den sie eingeschlagen hat als beunruhigend, bisweilen als beängstigend. Um es mal so auszudrücken, ich finde mich in dieser Welt nicht mehr wieder und ziehe mich daher aus ihr zurück, soweit mir das möglich ist.
Das kann ich nachvollziehen. Geht mir manchmal genauso. Nur halte ich nicht den Glauben oder Nicht-Glauben für ursächlich, sondern Egoismus und Machtstreben. Ich erschrecke immer wieder über Vorgänge in unserer Gesellschaft (im Kleinen wie im Großen), initiert von Gläubigen und Nichtgläubigen. Je älter ich werde, um so mehr ängstigen mich diese Erkenntnisse.
Ich ziehe mich allerdings nicht zurück. Wenn ich Gelegenheit habe zu widersprechen - dann tu ich das. Oft zum Leidwesen meiner Umwelt.
Ich bin katholisch getauft und halbherzig katholisch erzogen (Kommunion und Firmung =ja, sonntäglicher Kirchbesuch = nein). Ich habe mich in jungen Jahren bemüht, zum Glauben zu finden. Hauptsächlich weil es bei Freundinnen und Verwandten anscheinend problemlos ging und irgendwie beglückend wirkte. Ich habe es nicht geschafft.
Höhepunkt war dann meine anstehende Hochzeit. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen in einer Kirche zu bestätigen, das ich mit meinem Mann mein Leben verbringen möchte. 4 Wochen vor dem (standesamtlichen) Hochzeitstermin war ich dann endgültig zu der Erkenntnis gelangt - das wird nichts mehr mit mir und der Kirche! - und bin ausgetreten.
Ich lebe umgeben von Gläubigen. Eine meiner Freundinnen war vor der Geburt Ihrer Kinder Diakonin. Eine gestaltet aktiv den (ev.) Kindergottesdienst. Eine gestaltet die Familiengruppe in der kath. Kirche. Meine Schwägerin ist im Kirchenvorstand der ev. Kirche. Meine Seite der Verwandtschaft ist nach wie vor katholisch. Meine Schwiegermutter ist streng ev ref. und sehr gläubig. Meine frühere Nachbarin gehörte der Pfingstgemeinde an und versuchte manchmal mich einzuladen.
Das Miteinander ist unkompliziert. Zumindest empfinde ich das so. Ab und an gibt es eine kleine Anfrage meiner Schwiegermutter, aber mehr auch nicht. Die Kinder, die getauft, konfirmiert, gefirmt, verheiratet werden, werden von mir beglückwünscht und beschenkt, für mein Kind kommt es nicht in Frage (es sei denn, er möchte das irgendwann auch = kein Problem).
Ich erkenne für mich keine wirklichen Probleme.
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Beowulf hat recht, so schräg ist der Vergleich gar nicht. Im Gegenteil. Er hat mir klar gemacht, daß ein „verstehen“ in der Tat nicht möglich ist, weshalb ich diesen Versuch aufgeben werde. (Warum nur muß ich immer wieder an churchills Beitrag „Religion und Moderation – Ein Gegensatz?“ denken?)
ZitatOriginal von Tom
Ein säkularer Staat kann und soll nur begrenzt Rücksicht auf religiöse Befindlichkeiten nehmen, aber er sollte sie auch nicht ignorieren, wenn eine relevante Minderheit so empfindet. Bei Ja-Nein-Fragen aber gibt es keine Kompromisse.
Ja, okay. Aber in der angesprochenen Thematik (Abtreibung) sehe ich nicht nur ein religiös bedingtes Problem. Ich habe extrem große Probleme damit, wenn der Mensch sich anmaßt, Anfang und Ende des Lebens festzulegen. (Zum Thema „Ende“ habe ich durchaus Erfahrungen. Ich habe in meiner damaligen Eigenschaft als Betreuer für meinen Vater über eine halbe Stunde intensiv mit dem Arzt diskutiert, bevor eine Entscheidung getroffen wurde, und ich sicher war, daß das Ende nicht durch meine Entscheidung, sondern durch die Natur - um diesen neutralen Ausdruck zu gebrauchen - festgelegt wurde.) In dem Moment, wo ein Anfang und ein Ende per Gesetz (etwa „bis zur xten Woche darf man abtreiben“) festgelegt wird, wird eine Grenze festgelegt, wird bestimmt, wer leben darf und wer nicht, wessen Leben lebenswert ist und wessen nicht. Grenzen kann man verschieben. Und werden aller Erfahrung nach auch verschoben. Davor habe ich Angst. Doch das wird zu sehr OT.ZitatOriginal von Tom
Nur - was ist die Alternative?
(...)
Wie sollte ein Gegenentwurf aussehen, der auch tragfähig ist?
Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. In manchem von Insomnias Post finde ich mich gut wieder. Ich weiß aus der Geschichte, was passiert, wenn religiöser Fundamentalismus, gar Extremismus, an die Macht kommt (gibt es in verschiedenen Ländern auch heute noch). Andererseits hat das 20. Jahrhundert mit seinen „großen“ Diktaturen bewiesen, daß die Gegenseite auch nicht besser ist. Womit ich wieder beim Rückzug aus der Gesellschaft ins Private bin. Übrigens ein durchaus dem Christentum immanenter Zug. Ich hätte in jungen Jahren nur nie gedacht, daß ich selbst mal so weit kommen würde.@ Oryx
ZitatOriginal von Oryx
Ich denke, dass Religion etwas Privates bleiben sollte, was man in seinen 4 Wänden ausleben kann, aber dann bitte auch dort belassen sollte.
Das geht nicht. Ich kann nicht „im Privaten“ bestimmte Grundüberzeugungen haben, die mein Denken und Handeln beeinflussen, und diese immer, wenn ich durch die Haustüre nach draußen gehe, wie einen Mantel ablegen, um neutraler Staatsbürger (oder was weiß ich) zu sein. Hätte ich irgendein Amt inne, könnte ich da auch nicht einfach von „religiös“ auf „neutral“ umschalten. Entweder ist es eine Grundüberzeugung - oder es ist keine. Im ersteren Fall wird mein Denken und Handeln davon bestimmt sein, egal was ich tue (oder lasse).Ich habe kürzlich ein (eher evangelikales) Buch gelesen, in welchem Pilatus einen Centurion nach Jerusalem sandte mit dem Auftrag, den Gerüchten über diesen gekreuzigten Jesus von Nazareth, dessen Leiche verschwunden war, nachzugehen und die Sache aufzuklären. Kurz darauf sah ich einen Film (Produktion der RAI), in welchem Tiberius einen römischen Offizier mit gleichem Auftrag nach Jerusalem sandte. Interessanterweise kommen Buch wie Film zum gleichen Ergebnis: es gibt Indizien für die Wahrheit dieser Gerüchte wie auch für deren Falschheit. Pros und Contras halten sich die Waage. Es bleibt es jedem selbst überlassen, die Dinge für sich zu werten und sich für eine Version zu entscheiden. Letztlich beweisen läßt sich keine. Es bleibt nur Glauben. Und jeder muß des anderen Wahl akzeptieren.
Was für mich wichtig ist, womit wir wieder zur Ausgangsfrage dieses Threads zurück kommen, ist, wie man miteinander umgeht. Dazu ist eine gewisse Toleranz und Gelassenheit, aber auch ein gewisses Verständnis für die „andere Seite“ nötig. Ich gebe zu, durch diesen Thread sehr zum Nachdenken, und durchaus auch zu manchem Verstehen gekommen zu sein. Ich werde also versuchen, künftig manches etwas lockerer und entspannter zu sehen, und meine „Beleidigungsschwelle“ massiv nach oben zu verschieben.
Insofern hat der Thread (zumindest mir) durchaus etwas gebracht.
Edit meint, dann sollte ich mich bei Tom für das Eröffnen des Threads und den Anstoß zum Nachdenken bedanken, was ich hiermit tue.(Und ich bin immer noch ganz erstaunt, daß jetzt so viel und lange über solche strittigen Fragen diskutiert, ohne daß man sich - im übertragenen Sinne - gegenseitig an die Gurgel geht. Das kannte ich bisher nur aus einige Leserunden.)
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Hallo, SiCollier.
ZitatAndererseits hat das 20. Jahrhundert mit seinen „großen“ Diktaturen bewiesen, daß die Gegenseite auch nicht besser ist. Womit ich wieder beim Rückzug aus der Gesellschaft ins Private bin. Übrigens ein durchaus dem Christentum immanenter Zug. Ich hätte in jungen Jahren nur nie gedacht, daß ich selbst mal so weit kommen würde.
Ich empfinde das als sehr vereinfachend, wenn die "großen" Diktaturen (von denen keineswegs alle säkular waren) als "Gegenseite" eines religiös bestimmten Staatsgefüges herangezogen werden. Das Gegenteil eines Gottesstaates ist mitnichten eine Diktatur, die Gottlosigkeit erzwingt, wie das in der UdSSR der Fall war oder in China usw. Sondern eine Gesellschaft, die Wandel und Meinungs-, also auch Religionsfreiheit zulässt, ohne dergleichen in die eine oder andere Richtung manipulativ zu steuern. Der Widerstreit der Meinungen also, denn Religion ist - Emotionalität hin oder her - letztlich auch nur eine Meinung, eine erworbene oder anerzogene Auffassung davon, wie die Welt funktioniert oder zu funktionieren hat. In diesem Bereich haben wir auch verschiedene Spielarten. In den US of A ist es für einen Politiker, der sich für ein hohes Amt bewirbt, nach wie vor so gut wie ausgeschlossen, sich als bekennender Atheist zu zeigen, selbst wenn er das eigentlich ist, weil dieser Standpunkt, ganz unabhängig von seinen sonstigen Befähigungen, sofort zu einem Sturm der Entrüstung, mindestens aber seiner Ablehnung führen würde - mehr als siebzig Prozent der Amerikaner halten die Existenz des christlichen Gottes für eine unverrückbare Tatsache, und damit hat man sich abzufinden, wenn man dort politische Karriere machen will. In Deutschland wiederum haben selbst in den C-Parteien gottlose Menschen durchaus ihre Chance. In diesem Zusammenhang weiß ich, wovon ich spreche.
Dass Religion - oder auch das Gegenteil davon - hierzulande keine maßgebliche Rolle im sozialen Gesamtgefüge (mehr) spielt, bedeutet aus meiner Sicht allerdings nicht, dass sie in Zurückgezogenheit ausgeübt werden muss oder gar - das hast Du gestern geschrieben - verfolgt würde (hier würde ich gerne wissen, wie sich das darstellt). Tatsächlich gibt es nicht wenige Regionen, in denen man als Atheist mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hätte wie ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat. Im großen Gesamten also mag sich der Glauben nur ausnahmsweise wiederfinden (stimmt aber eigentlich auch nicht), aber im Kleinen hat er durchaus nicht selten nach wie vor bestimmenden Charakter, auch in sozialen Bereichen, die nicht mittelbar mit Religion zu tun haben. Dass Medien, Internet, Öffentlichkeit religiöse Grundsätze missachten und ihren Anhängern kaum Identifikation bieten, ist aus meiner Sicht willkommener Ausdruck der Säkularität des ganzen - davon abgesehen gibt es viele Nischen, die derlei bieten. Aber Ausgrenzung oder gar Verfolgung bedeutet das in meinen Augen nicht. Kann es sein, dass Du hier ein bisschen zu sehr schwarz-weiß siehst?
ZitatDas geht nicht. Ich kann nicht „im Privaten“ bestimmte Grundüberzeugungen haben, die mein Denken und Handeln beeinflussen, und diese immer, wenn ich durch die Haustüre nach draußen gehe, wie einen Mantel ablegen, um neutraler Staatsbürger (oder was weiß ich) zu sein. Hätte ich irgendein Amt inne, könnte ich da auch nicht einfach von „religiös“ auf „neutral“ umschalten. Entweder ist es eine Grundüberzeugung - oder es ist keine. Im ersteren Fall wird mein Denken und Handeln davon bestimmt sein, egal was ich tue (oder lasse).
Ich habe Schwierigkeiten, hier ein Problem zu erkennen. Ganz ehrlich.
ZitatWas für mich wichtig ist, womit wir wieder zur Ausgangsfrage dieses Threads zurück kommen, ist, wie man miteinander umgeht. Dazu ist eine gewisse Toleranz und Gelassenheit, aber auch ein gewisses Verständnis für die „andere Seite“ nötig. Ich gebe zu, durch diesen Thread sehr zum Nachdenken, und durchaus auch zu manchem Verstehen gekommen zu sein. Ich werde also versuchen, künftig manches etwas lockerer und entspannter zu sehen, und meine „Beleidigungsschwelle“ massiv nach oben zu verschieben.
ZitatInsofern hat der Thread (zumindest mir) durchaus etwas gebracht.
Ich bin da noch unschlüssig. Mein Vergleich von gestern humpelt in meinen Augen durchaus, aber ich kann auch verstehen, warum er beifälliges Nicken erzeugt hat. Während die Entscheidung für eine Form von Sexualität, wenn man dem Betroffenen alle Freiheiten lässt, keine kognitive ist, gilt das meiner Meinung nach für jene Fragen, die wir hier diskutieren, durchaus. Es hängt davon ab, inwieweit man Kognition zulässt. Manch einer bleibt Hetero, weil seine Ängste vor der "anderen Welt" zu groß sind, weil er um sein Umfeld fürchtet und um soziale Ankerennung - auch heute noch, im Jahr 2009. Und hier unterscheidet sich das Beispiel eben von jenen Punkten, die wir diskutieren. Aber es hat auch mir selbst geholfen, das Phänomen - siehe Threadtitel - etwas besser zu verstehen.
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Zitat
Original von Tom
Während die Entscheidung für eine Form von Sexualität, wenn man dem Betroffenen alle Freiheiten lässt, keine kognitive ist, gilt das meiner Meinung nach für jene Fragen, die wir hier diskutieren, durchaus. Es hängt davon ab, inwieweit man Kognition zulässt.
Um das mal in die deutlichen Worte der Redlichkeit zu fassen: Demnach sind gläubige Menschen entweder zu dumm (unredlich ausgedrückt: es mangelt aus biologischen Gründen an kognitiven Fähigkeiten) oder zu borniert (unredlich ausgedrückt: sie wollen es einfach nicht einsehen), um zu kapieren, dass der ganze Quatsch Quatsch ist.Ganz großes Tennis, Tom!
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Nein, Iris, so war es nicht gemeint - obwohl ich zugeben muss, dass man es so verstehen könnte. Dummheit ist nicht das Gegenteil von "Kognition zulassen". Und ich habe auch nicht angemerkt, für welche "Seite" ich das ausgeführt habe. Ängste sind ein guter Verhinderungsgrund, um sich mit einer Sache auseinanderzusetzen, die sie vergrößern kann. Angst vor dem Tod ist eine sehr beherrschende. Wir alle wissen, dass gerade diese Angst sehr eng mit Fragen der Religiosität verbunden ist. Deshalb ist es nicht notwendigerweise dumm, hier die Kognition auszublenden. (Edit: Und auch das ist nur ein Beispiel von sehr vielen möglichen - für die eine oder andere "Seite".)
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Zitat
Original von Tom
Dummheit ist nicht das Gegenteil von "Kognition zulassen".
Falsch.
Ich nannte nicht das "Gegenteil von "Kognition zulassen", sondern zwei Möglichkeiten, die dazu führen können (!), Kognition (=Erkenntnis) nicht zuzulassen:- mangelnde kognitive Fähigkeiten ("dumm")
- fehlender Wille zur Einsicht bzw. falsche Einstellung, die Einsicht verhindert ("borniert")
Es wäre angemessen, sich auf die Argumente im Wortlaut zu beziehen, nicht auf etwas, was man auf Umwegen herauslesen kann, um es eristisch zu verwerten.
ZitatAngst vor dem Tod ist eine sehr beherrschende. Wir alle wissen, dass gerade diese Angst sehr eng mit Fragen der Religiosität verbunden ist.
Ach? Das wissen "wir alle"?Was deine Theorien völlig unbeachtet lassen, ist die statistisch relevante und damit empirisch festgestellte Tatsache, dass die meisten Menschen angesichts des Todes zunächst einmal ihren Glauben verlieren -- ganz gleich, ob es sich um den Tod eines Angehörigen oder um den bevorstehenden eigenen Tod handelt.
Und solange der Tod weit weg ist, macht er eigentlich keine Angst. Schon gar nicht in einer Welt, die ihn schlicht ignoriert, sofern sie ihn nicht als cineastischen oder virtuellen Nervenkitzel auf die Bildschirme lockt. Fromm macht das die Leute nachweislich nicht.
Die Tatsache, dass man nach einer kitzligen Situation häufig reflexartig die Phrase "Gottseidank" absondert, ist kein Beleg für einen dem zugrundeliegenden latenten "irrationale Glauben" an einen rettenden Strippenzieher.
Nein, Tom, das Argument ist schlicht Quatsch.
- mangelnde kognitive Fähigkeiten ("dumm")
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Hallo, Iris.
ZitatIch nannte nicht das "Gegenteil von "Kognition zulassen", sondern zwei Möglichkeiten, die dazu führen können (!), Kognition (=Erkenntnis) nicht zuzulassen:
Und ich nannte eine dritte - Ängste. Die nichts mit Borniert- oder Dummheit zu tun haben. Angst steht der Erkenntnis nicht selten im Weg.
ZitatWas deine Theorien völlig unbeachtet lassen, ist die statistisch relevante und damit empirisch festgestellte Tatsache, dass die meisten Menschen angesichts des Todes zunächst einmal ihren Glauben verlieren -- ganz gleich, ob es sich um den Tod eines Angehörigen oder um den bevorstehenden eigenen Tod handelt.
Nochmal: Ich habe diese Argumentation nicht für eine Seite ins Feld geführt. Dennoch verblüfft mich diese Behauptung, deckt sie sich doch so überhaupt nicht mit allem, was ich selbst bisher gehört, gelesen, erfahren habe. Aber das mag alles falsch oder Quatsch sein - möglich. Unsere Welt ist überfüllt mit Quatsch.
ZitatUnd solange der Tod weit weg ist, macht er eigentlich keine Angst.
Das ist eine nicht minder verblüffende Behauptung. Stellt doch die Angst vor dem Tod die Basis nicht nur vieler esoterischer Weltsichten, sondern auch diejenige ganzer Industrien dar - bei Kosmetik beginnend und längst nicht bei der Pharmazie endend, um nur einige weltliche Industrien zu nennen. Todesängste sind omnipräsent, stehen Fluggästen ins Gesicht geschrieben, wenn die Maschine in ein Luftloch sackt, und bilden die Basis für jenen Reiz, den man "Spannung" nennt. Und wie "weit weg" der Tod ist, das weiß niemand. Genau das ist ja das Problem für viele. Und es geht ja nicht nur um die mittelbare Angst vor dem Tod, sondern um die Sorge bezüglich des Danachs.
ZitatNein, Tom, das Argument ist schlicht Quatsch.
Möglich. Mag aber auch sein, dass Du nur nach Wegen suchst, um diese Bezeichnung anbringen zu können.
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Hallo, Tom!
ZitatOriginal von Tom
Dennoch verblüfft mich diese Behauptung, deckt sie sich doch so überhaupt nicht mit allem, was ich selbst bisher gehört, gelesen, erfahren habe.
Ich weiß ja nicht, wo du das gehört, gelesen, erfahren hast: Ich habe deine These zwar ziemlich oft aus dem Munde Nichtbetroffener gehört, sie aber eigentlich nur bei Ludwig Feuerbach und in den Elaboraten von Evolutionären Humanisten lesend finden können, und meiner Erfahrung und meiner mittelbaren und unmittelbaren Beobachtung betroffener Menschen nach fällt man in echter Not tatsächlich erst einmal vom Glauben ab.Zitat
Stellt doch die Angst vor dem Tod die Basis nicht nur vieler esoterischer Weltsichten, sondern auch diejenige ganzer Industrien dar - bei Kosmetik beginnend und längst nicht bei der Pharmazie endend, um nur einige weltliche Industrien zu nennen. Todesängste sind omnipräsent, stehen Fluggästen ins Gesicht geschrieben, wenn die Maschine in ein Luftloch sackt, und bilden die Basis für jenen Reiz, den man "Spannung" nennt.
Nett, aber eine schlichte These. Nicht jede Angst ist eine Todesangst. In den meisten Fällen handelt es sich erst einmal um reine Verlustängste, um die Angst vor Schmerzen, wohl auch vor dem Sterben selbst, aber nicht vor dem Tod.
All diese Partikularängste auf eine umfassende Todesangst (= einer Angst vor einem möglichen endgültigen Ende oder auch nicht) zurückzuführen, ist ein logisch unzulässiger Rückschluss.ZitatUnd es geht ja nicht nur um die mittelbare Angst vor dem Tod, sondern um die Sorge bezüglich des Danachs.
Es gibt jede Menge Leute, die zwar durchaus Angst vor dem Sterben haben, aber keine Angst vor dem Tod im Sinne von einem "Danach" -- nebenbei bemerkt: Sowohl unter religiösen Menschen als auch unter unreligiösen.
Bekanntlich reicht ein statistischer Ausreißer in der Gegenprobe, um einen mathematischen Beweis zu widerlegen.Zitat
Möglich. Mag aber auch sein, dass Du nur nach Wegen suchst, um diese Bezeichnung anbringen zu können.
Nachdem ich schon eine ganze Menge Quatsch über Religionen in diesem Thread (und einigen nderen) gelesen habe, war es mir durchaus ein Bedürfnis, mich redlich dazu zu äußern anstatt höflich, aber unredlich zu schweigen. -
Hallo, Iris.
ZitatIch weiß ja nicht, wo du das gehört, gelesen, erfahren hast: Ich habe deine These zwar ziemlich oft aus dem Munde Nichtbetroffener gehört, sie aber eigentlich nur bei Ludwig Feuerbach und in den Elaboraten von Evolutionären Humanisten lesend finden können, und meiner Erfahrung und meiner mittelbaren und unmittelbaren Beobachtung betroffener Menschen nach fällt man in echter Not tatsächlich erst einmal vom Glauben ab.
Du hast sie aus dem Mund eines Betroffenen gehört. Meine Eltern haben sich angesichts des Todes meines Bruders dem Glauben zugewandt. Das ist nicht evident, aber es ging hier auch nicht um eine These, die zu belegen oder zu widerlegen wäre, sondern um eine subjektive Beobachtung, die sich nichtsdestotrotz, wenn ich das wollte, auf eine Vielzahl von Quellen stützen könnte (aber eigentlich will ich das nicht). Außerdem ist der rhetorische Kniff, es auf die mittelbare Konfrontation mit Not oder Tod zu reduzieren, zwar zulässig, bleibt aber ein Kniff. Ängste sind nicht nur im Moment der direkten Konfrontation präsent.
Die Überwindung von Ängsten, und hierfür bin ich auch bereit, viele Quellen zu nennen, ist ein Hauptzweck von Religionen. Die positive Stimmung von Göttern war seit jeher Anlass für viele Rituale, Opfer und Selbstkasteiungen. An die Stelle der mittelbaren Furcht trat später die Ehrfurcht, aber auch die trägt ihren Suffix nicht ohne Grund. Was sich unerklärbar, aber fürchterlich darstellte, wurde schon zu Urzeiten mythischen Mächten, Dämonen (die lange Zeit z.B. als Verursacher so gut wie aller Krankheiten galten) und einer Vielzahl von Göttern zugeschrieben, und im gleichen Atemzug erdachte man Besänftigungsmethoden, zu denen heute noch Gebete und Gottesdienste gehören, aber auch keusche Lebensweisen und die Einhaltung von unterschiedlich vielen, zuweilen widersprüchlichen Geboten. Im Gegenzug stand die Erreichung des Paradieses als Belohnung in Aussicht. Dieser Umgang mit Urängsten, der vorläufigen Erkenntnis entsprungenen Beklemmungen und ähnlichem stellt eine nachvollziehbare Sperre dar, die einer Entzauberung dieser Mythen noch immer im Wege steht. Dabei scheint mir unwesentlich zu sein, zu welchem Zeitpunkt im Leben man entscheidet, den eigenen Ängsten, wie sie sich partikulär oder ganzheitlich auch immer darstellen mögen, das rituelle Opfer - nichts anderes sind solche Verhaltensweisen - entgegenzustellen. Das ist nachvollzieh- und verstehbar. Emotional. Meiner ganz unmaßgeblichen Meinung nach hat das mit Kognition allerdings nur ausnahmsweise etwas zu tun. Ohne dass Dumm- oder Borniertheit (übermäßige Überzeugung von eigenen Ansichten, ohne andere auch nur zu erwägen) dabei eine Rolle spielen müssen - aber fraglos können.
ZitatEs gibt jede Menge Leute, die zwar durchaus Angst vor dem Sterben haben, aber keine Angst vor dem Tod im Sinne von einem "Danach" -- nebenbei bemerkt: Sowohl unter religiösen Menschen als auch unter unreligiösen.
Bekanntlich reicht ein statistischer Ausreißer in der Gegenprobe, um einen mathematischen Beweis zu widerlegen.Auch dies war keine These im Sinne einer umfassenden Erklärung. Dass tiefreligiöse Menschen keine Angst vor dem Danach haben, liegt in der Natur der Sache - siehe oben. Dass zum Beispiel ich keine Angst davor habe, liegt schlicht und ergreifend daran, dass man vor nichts keine Angst haben kann.
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Hallo, Tom!
ZitatOriginal von Tom
Außerdem ist der rhetorische Kniff, es auf die mittelbare Konfrontation mit Not oder Tod zu reduzieren, zwar zulässig, bleibt aber ein Kniff. Ängste sind nicht nur im Moment der direkten Konfrontation präsent.
Dass gerade du mir einen "rhetorischen Kniff" vorwirfst, schlägt dem Fass den Boden aus -- YOU MADE MY DAY!ZitatDie Überwindung von Ängsten, und hierfür bin ich auch bereit, viele Quellen zu nennen, ist ein Hauptzweck von Religionen.
Dass das ein meinetwegen sogar Hauptzweck ist, will ich ja gar nicht bestreiten.Daraus die ständig wiederholte These zu konstruieren, es sei der einzige (Bitte nicht bestreiten! Es würde bloß verdammt zeitaufwendig werden, die siebenhundertzweiunddrölfzig Zitate zusammenzukopieren, um dir das überflüssigerweise nachzuweisen, und darauf habe ich echt keinen Bock. Alle Eulen kennen deine Thesen inzwischen bis zum vielzitierten Getno. :grin), ist rein formallogisch eine derart krude Unlogik, dass man sich an Kindergartenstreitereien erinnert fühlt.
Dabei sind diese Nicklichkeiten in der Tat lustig zu beobachten; du schaffst es ja mit konstanter Emsigkeit immer wieder, dieselben Eulen zum Widerspruch zu provozieren.
Ein bisschen erinnert das Ganze an die Rolling Stones, die seit gefühlten fünfzig Jahren immer wieder neue Abschiedstourneen machen -- nur dass die Stones gelegentlich mal das Programm variieren.
In diesem Reli-Threads hingegen läuft seit Jahren exakt dasselbe Programm.
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Zitat
Daraus die ständig wiederholte These zu konstruieren, es sei der einzige, ist rein formallogisch eine derart krude Unlogik, dass man sich an Kindergartenstreitereien erinnert fühlt.
Was ich bitte wo behauptet habe?
Davon abgesehen: Argumente dagegen?
ZitatIn diesem Reli-Threads hingegen läuft seit Jahren exakt dasselbe Programm.
Immerhin stehst Du auch bei fast allen Abschiedstourneen mit auf der Bühne.
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Es läuft ja auch immer derselbe Song als Schlußzugabe - I can get no satisfaction...
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Hallo, Tom!
ZitatOriginal von Tom
Was ich bitte wo behauptet habe?
Quod erat exspectandum!Netter Versuch!
Lies doch mal selbst deine Beiträge in den gesammelten Reli-Threads, ja? Ich bin schließlich nicht deine Mutti.ZitatDavon abgesehen: Argumente dagegen?
... und aus dem Keller klingt das leise Rasseln der Bartwickelmaschine ...Beo, mir ist Sympathy for the Devil viiiel lieber!
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Passt gut zum Threadtitel:
ZitatEVAG, Essen„Die Ankündigung auf www.buskampagne.de, dass die EVAG diese Werbung schalten würde, hat zu massiven Beschwerden einzelner Kunden geführt, die sich in ihrer Weltanschauung gekränkt fühlen und deshalb die Dienstleistung der EVAG zukünftig nicht mehr in Anspruch nehmen wollten. Diese Beschwerden legen die Vermutung nahe, dass die EVAG mit Umsatzeinbußen und Kündigungen von Abonnements rechnen müsste. Als kommunales Unternehmen mit den bekannt schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können wir diese Umsatzeinbußen nicht in Kauf nehmen.
Wir müssen deswegen die Zusage vom 28.04.09 korrigieren. Diese Entscheidung wird vom Vorstand der EVAG getragen.
Olaf Frei, Stellv. Pressesprecher“
Quelle: http://www.buskampagne.de/?p=876
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Zitat
Ob wohl jemals ein Atheist einer Busgesellschaft mit Kündigung der Monatskarte gedroht hat, weil auf den Bussen "Keine Sorge: Es gibt Gott" stand? Ich staune mal wieder!
edit: Rechtschreibfehler
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Mir ist genauso unwohl dabei, den Spruch der Buskampagne wie "Jesus liebt Dich" auf dem Bus zu lesen.
Nach meinem Gefühl gehört beides nicht auf Busse.Mein Mann ist schon lange aus der Kirche ausgetreten. Wir haben damit kein Problem.
Magendrücken bereiten mir nur Eiferer und Missionare, egal welcher Art. -
Mit den C-Parteien habe ich durchaus auch Erfahrung. Praktische meine ich. Drum ärgert mich manches in unserem Lande auch so sehr.
Zum Thema USA. Die ganze Zeit über ging mir die Aussage von Diana B. Hellmann, die seit Jahren in L.A. lebt, aus der Leserunde durch den Kopf:
ZitatOriginal von dbhellmann (Quelle: dieses Post)
Und auch Atheisten sind willkommen, vorausgesetzt, es handelt sich bei ihnen um entschiedene Atheisten. Wer überzeugter Nicht-Gläubiger ist, hat damit nach amerikanischer Lebensanschauung auch einen Glauben, und der ist zu respektieren - das steht sogar so in der Verfassung. Auch dazu gibt es einen schönen Spruch: "Welcome to the United States of America! Our Constitution grants you freedom of religion. Please be aware: There is no mention of freedom FROM religion."ZitatOriginal von Tom
(...) oder gar - das hast Du gestern geschrieben - verfolgt würde (hier würde ich gerne wissen, wie sich das darstellt).
Nachdem ich die Stelle gesucht habe, muß ich zugeben, daß das etwas mißverständlich formuliert war. Dies bezog sich noch die Äußerung meines seinerzeitigen Bekannten, die dieser über die Zukunft machte. Dieser Teil ist, zumindest in unserem Land, (noch) nicht eingetreten. Wenngleich mich manche Äußerungen (damit meine ich ausdrücklich nicht Dich, Tom!) bisweilen schon schaudern lassen. Vielleicht hatte ich aber auch noch diesen Artikel im Hinterkopf, der die Überschrift trägt: „2008 - Das Jahr der globalen Christenverfolgung“.ZitatOriginal von Tom
Ich habe Schwierigkeiten, hier ein Problem zu erkennen. Ganz ehrlich.
Das zu erklären, ist hier sehr OT und führt auf sehr „vermintes Gebiet“. Sagen wir mal so: ich kann das Abstimmungsverhalten von manchen (C-)Abgeordneten bei manchen Fragen überhaupt nicht und in keiner Weise nachvollziehen oder billigen. So sie eine religiöse Grundüberzeugung haben, haben sie diese wohl an der Garderobe des Bundestages abgegeben.Sicher humpelt ein Vergleich, wie die meisten. Mir zumindest hat er einen „Erkenntniseffekt“ gebracht. Der darin besteht, etwas, was ich nicht verstehen kann, nicht mehr verstehen zu wollen. Und mir die Nische zu suchen, in die ich mich zurückziehen werde. Wobei, suchen muß ich eigentlich nicht mehr.
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Zitat
Mir ist genauso unwohl dabei, den Spruch der Buskampagne wie "Jesus liebt Dich" auf dem Bus zu lesen. Nach meinem Gefühl gehört beides nicht auf Busse.
Und warum nicht?
Dass weltanschauliche Organisationen oder Firmen, die eine esoterische Unternehmensgrundlage haben, für sich werben, finde ich wiederum absolut in Ordnung. Jesus liebt mich zwar definitiv nicht, aber mein Missfallen erregt dieses Buhlen um Zulauf/Anrufer/Käufer nicht. Missionieren gehört für solche Institutionen zum Job. Auch "Allah ist groß!" oder "Sei nudelig!" würden mich nicht stören. Lieber offensive Kampagnen als verstecktes Bedrängen oder Indoktrinieren.
Was mich an diesem Vorfall allerdings wirklich stört, ist einerseits die Scheinheiligkeit derjenigen, die wieder - siehe Threadtitel - ihre "religiösen Gefühle" vorschieben, um jedweder Diskussion die Basis zu entziehen, und andererseits die Feigheit der Verantwortlichen in den Nahverkehrsbetrieben. Wir haben - sollten haben - eine Religions- und Meinungsfreiheit. Dazu gehört auch die Freiheit von Religion, für die zu werben gestattet sein muss. "Es gibt mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Gott" ist sogar eine relativierende Äußerung. Wesentlich aufregender als die im Stadtbild omnipräsenten Glaubensbauten - von Moscheen über Synagogen bis zu Kirchen - ist das nicht. Davon haben wir hunderte in Berlin.
Wirklich ärgerlich ist also nur, dass dieses Appeasement immer nur in eine Richtung geht, auf die Gläubigen zu. Wer glaubt, ist offenbar immer noch unantastbarer als jemand, der das explizit verneint. Das ist eine sehr paradoxe Situation. Nichtreligiöse Gefühle gibt es offenbar nicht. Und die Gewissheit des Glaubens scheint so stabil auch nicht zu sein. Sonst würde das bisschen Werbung für Atheismus keine Sau interessieren. Was es, zugegeben, ohne diese Gegnerschaft vermutlich auch nicht tun würde.