Religiöse Gefühle - eine kleine Phänomenologie

  • Debatten zwischen Theisten und Atheisten haben bei den Eulen inzwischen eine gewisse Tradition - auch, was ihren Verlauf anbetrifft. Ausgehend von tagesaktuellen Ereignissen oder Buchbesprechungen treten die üblichen Protagonisten auf den Plan, wiederholen gebetsmühlenartig in leichter Variation altbekannte "Argumente", um dann früher oder später an einem Punkt anzukommen, an dem einem oder mehreren Disputierenden die "Verletzung religiöser Gefühle" attestiert und persönliche Beleidigung unterstellt wird. Offenbar ist es, nebenbei bemerkt, ohnehin so, dass Glaubende jedwede Kritik an ihrer Weltanschauung sehr viel persönlicher nehmen als Nichtglaubende, aber diese Diagnose mag zu subjektiv sein (und ganz gewiss darf sie nicht verallgemeinert werden). Jedenfalls ist nach meiner Erinnerung der umgekehrte Fall noch nie eingetreten, also derjenige, dass ein Atheist plötzlich behauptete, seine (humanistischen?) Gefühle seien durch die Argumentationsweise der "Gegenseite" oder die Tatsache, dass sie überhaupt argumentieren würde, verletzt worden. Sondern höchstens sein Intellekt.


    "Religiöse Gefühle". So, so. Das ist eine sehr interessante, bemerkenswerte Begrifflichkeit. Gefühle kann man definitiv verletzen, unbeabsichtigt oder vorsätzlich, und das ist schlecht. Vor allem aus der Sicht desjenigen, dessen Gefühle verletzt werden. Wenn ich traurig bin, weil einem Angehörigen ein Bein amputiert werden musste, und jemand erzählt in meiner Gegenwart irgendeinen blöden, steinalten Witz, bei dem es um gute und schlechte Nachrichten eines Arztes an einen Amputationspatienten geht, verletzt das meine Gefühle. Wenn der Witzeerzähler auch noch wusste, was geschehen ist, geschieht das absichtlich. Es ist anzunehmen, dass sich mein Trauergefühl in dieser Situation verstärkt, dass gerade anheilende Wunden aufgerissen werden. Leute, die derlei absichtsvoll tun, möchte ich gerne "Arschlöcher" nennen dürfen. Aber es spielt eigentlich keine Rolle, ob es absichtlich oder versehentlich geschieht. Witze sind auch Ventile, sie verbinden nicht selten Schreckliches mit befreiendem Gelächter, was einen gewissen Ausgleichscharakter haben kann. Manch einem fährt der Schreck in die Glieder, wenn der nostalgische Otto-Waalkes-Spruch "Tumor ist, wenn man trotzdem lacht" fällt - ein Spruch, der damals übrigens einen kleinen Skandal ausgelöst hat. Seinerzeit war es, wenn ich mich recht erinnere, eine Krebspatienten-Selbsthilfegruppe, die der ganzen Angelegenheit den Wind aus den Segeln nahm, in dem sie meinte, den Spruch einhellig lustig gefunden zu haben. Natürlich ist Krebs nicht lustig, sondern ein tragisches Schicksal, das nicht selten mit einem frühen Tod endet. Aber das Lachen wird diesen Tod nicht beschleunigen, möglicherweise allerdings verlangsamen. Lachen ist eine Medizin, das steht unumstritten fest. Und auch geschmacklose Witze sind manchmal therapeutisch geeignet. Was man gut und was man schlecht findet, ist Geschmackssache. Ups, so weit sollte dieser Exkurs allerdings nicht führen.


    Gefühle - Emotionen - sind Ergebnisse komplexer körperlicher und bzw. psychologischer Vorgänge. Emotionen sind Freude, Lust, Angst, Trauer, Wohlempfinden, Ärger undsoweiter. Wer in welcher Situation welche Gefühle empfindet, ist schwer vorherzusagen. Eine spannende Szene in einem Horrorfilm mag in vielen Kinobesuchern Ängste auslösen, aber auch einige zum Lachen bringen. Einer ärgert sich über einen fallenden DAX, der andere freut sich, und zwar nicht notwendigerweise abhängig davon, dass einer oder beide in DAX-Werte investiert haben. Ein Mensch sieht ein neugeborenes Lämmchen und bricht in Rührungstränen aus, der andere verspürt lediglich Hunger. Während ein Mensch freudig in den neuen Tag aufbricht, weil die Sonne scheint, vermag sie die Depressionen des anderen nicht zu vertreiben. Gefühle, Emotionen, sind individuell und von subjektiven Faktoren bestimmt, deren Auslöser und Vermittler kaum generalisiert werden können.


    Nicht so "religiöse Gefühle". Diese neuzeitliche Kategorisierung ist weit mehr als nur ein rhetorischer Kniff, obwohl das möglicherweise ursprünglich ihr Zweck war. Wer Glauben kritisiert, und zwar weitgehend unabhängig davon, ob mit harten oder weniger harten Worten, riskiert heutzutage fast zwangsläufig, jemanden auf den Plan zu rufen, dessen religiöse Gefühle dadurch verletzt wurden. Was aber ist das, ein "religiöses Gefühl"?


    Nach meinem Verständnis ist damit die Übertragung von allgemeiner Kritik auf die glaubende Person gemeint, und also eine Automatismus. Wer die Grundsätze irgendeines Glaubens zum Beispiel als "Unsinn" bezeichnet, weil er feststellt, dass sie jedweder Evidenz entbehren und offensichtlich auf sehr erfolgreichen, nichtsdestotrotz der Phantasie entsprungenen Mythen beruhen, kritisiert und beleidigt damit automatisch jeden, der diesem Glauben anhängt. Hierin unterscheiden sich theistische Weltanschauungen auf dramatische Weise zum Beispiel von politischen. Kaum ein Marxist wird sich in seinen "politischen Gefühlen" verletzt sehen, wenn man ihm erklärt, dass man einen seiner Grundsätze, nämlich die unbedingte Herrschaft des Proletariats, für ziemlichen Dünnpfiff hält. Er wird, ganz im Gegenteil, mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine energische Diskussion und für seinen Standpunkt eintreten. Oder er wird einem den Vogel zeigen und erklären, dass alles andere doch wohl noch größerer Schwachsinn wäre, wie sich übrigens auch gezeigt hätte. "Politische Gefühle", obwohl auch mit - zuweilen ziemlich stark verinnerlichten - Grundsätzen verbunden, sind meiner Beobachtung nach längst nicht so leicht zu verletzen wie religiöse. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass es sie überhaupt nicht gibt, die "politischen Gefühle". Jedenfalls nicht in verletzbarer Qualität.


    Religiöse Weltanschauungen aber, und hier hinkt der Vergleich natürlich, sind deutlich lebensbestimmender als politische. Der Marxist mag es sich trotzdem in unserer marktwirtschaftlichen Welt bequem machen, vielleicht genießt er sogar den Luxus, links reden und rechts leben zu können, wie man so schön sagt. Offen gestanden nehme ich sogar an, dass nicht wenige Marxisten redliche Angst vor einer tatsächlich marxistischen Welt hätten, aber das ist ein Randaspekt. ;-)


    Die Entscheidung für Gott geht sehr viel weiter als eine politische Einstellung, die man gerne auch mal wechselt, wenn sich die Zeiten ändern. Wer die Regeln einer Religionsgemeinschaft für sich akzeptiert und sie nicht nur als Sonntagschrist lebt, führt ein grundsätzlich anderes Leben als ein naturalistischer Hedonist. Viele Regeln müssen eingehalten, viele Rituale befolgt werden, abhängig von Konfession oder Spielart des Monotheismus'. "Glaube" bedeutet, mit möglichst absoluter Gewissheit anzunehmen, dass jener Gott existiert und dass die Entscheidung für ihn die richtige war. Glaube ist auch Verzicht, und zwar nicht notwendigerweise in negativer Konnotation. Deshalb hat diese weltanschauliche Entscheidung, ob sie nun bewusst getroffen oder geerbt wurde, sehr viel mehr mit Gefühlen zu tun als zum Beispiel eine für die Bundestagswahl am nächsten Sonntag. Der Glaube muss nach außen und vor sich selbst gerechtfertigt werden, standhalten. Die Versuchungen sind groß, die Gesellschaft ist (weitgehend) säkular, Werbung, Medien und Öffentlichkeit scheren sich wenig um die Grundsätze der widerstreitenden Religionen. Eine säkulare Welt macht es Gläubigen schwerer, ihren Glauben zu leben. Sie macht es auch schwerer, ihn glaubhaft zu vertreten, zu transportieren, weiterzugeben. Verkürzt gesagt: Sie beleidigt den Glauben mehr als ihn zu respektieren. Eine Welt, die durch Glauben bestimmt ist, sähe anders aus.


    Und nun kommen diese atheistischen Furzköppe daher und hören nicht damit auf, alles noch stärker in Frage zu stellen, beanspruchen Werbeflächen (s.u.), verkaufen gottlose Bestseller, drucken ferkelige Kinderbücher, verhöhnen heilige Figuren und Rituale. All dies geschieht, so könnte man meinen, ausschließlich, um Gläubige zu beleidigen. Während die Religion früher in unseren Breitengraden und heute immer noch in vielen Ländern der Erde Unantastbarkeit genoss, sehen sich ihre Anhänger einer respektlosen Missachtung ihrer Grundsätze ausgesetzt. Plötzlich scheint es fast schick zu sein, Glauben als Unsinn zu bezeichnen, oder wenigstens seine Fundamente (was m.E. schwerer wiegt), und immer lautstärker nach seiner Verdrängung aus der Öffentlichkeit zu rufen.


    Kein Wunder, dass da so mancher verletzt reagiert oder ist. Nur - sind das "religiöse Gefühle", die da verletzt werden? Oder geht es nicht um andere Dinge, etwa Verlustängste, Zweifel, gar Panik? Um persönlichen Leidensdruck, weil es noch schwerer fällt, den Glauben zu leben? Also, anders gesagt: Sind diese "religiösen Gefühle" tatsächlich religiös?


    Denn: All dies gilt umgekehrt auch. Während die Religion das weltanschauliche Gefüge des Abendlandes lange bestimmte, und Atheismus bestenfalls als exotische Randerscheinung auftrat, selten in der Öffentlichkeit gepflegt, blicken also jene, die sich für eine naturalistische Weltsicht entscheiden, auf eine vergleichsweise kurze Tradition des Erfolgs zurück. Anders gesagt: Auch diese Entscheidung ist eine mutige, eine, die gegen großen Widerstand und nicht selten gegen große Ängste getroffen wird. Eine Welt, in der immer noch an jeder Straßenecke zwei Kirchen stehen, in der Präsidenten und Würdenträger auf die Bibel schwören, in der Samstagabends Pfarrer das Wort zum Sonntag im öffentlichen Fernsehen sprechen, in der um Religionsunterricht als Pflichtfach gestritten wird usw. usf., macht es nämlich umgekehrt auch nicht leicht, sich gegen eine Masse zu entscheiden, die in nicht wenigen Ländern die Mehrheit darstellt. In den US of A glauben mehr als siebzig Prozent der Menschen felsenfest an ihren persönlichen, christlichen Gott. Insofern hat diese Weltanschauung, die nicht wirklich a-theistisch ist, sondern eher theismusfrei, auch etwas mit Gefühlen zu tun, denn die lange Zeit eingeimpften Ängste vor dem allmächtigen Gott, die selbst in nachlässig christlichen Familien gerne als Erziehungselement eingesetzt wurden, müssen auch erst einmal niedergekämpft werden. Also gibt es eigentlich auch, verkürzt gesagt, "a-religiöse Gefühle". Oder "naturalistische". Trotzdem hantiert diese Seite eher selten mit diesem Aspekt. Weil irrationale Argumente keine sind, und jenes um die "weltanschaulichen Emotionen", dessen Erreichung mal früher oder später eintritt, ist bestenfalls ein Totschlagargument. Ein Zeichen dafür, dass man lieber überhaupt nicht diskutieren würde - meiner Beobachtung nach.


    Uff. Anlass für dieses, möglicherweise etwas wirre, Traktat ist übrigens eine Anmerkung im "Spaghettimonster"-Thread (Buchbesprechung). Jemand hat dort auf die Buskampagne hingewiesen. Diese wurde von vielen deutschen Nahverkehrsbetrieben abgelehnt, um keine "religiösen Gefühle" zu verletzen. Dazu gibt es hier:


    http://www.wend.de/2009/04/15/…verhoehnung-von-christen/


    einen sehr bemerkenswerten Blogeintrag, der mittelbarer Auslöser für dieses Posting war. Hinzukam eine PN, dessen Verfasser sicher weiß, dass er gemeint ist. ;-)

  • ich bin es leid, auf diese Themen zu reagieren. Und ich bin es auch leid, dieses Traktat zu lesen und ich bin versucht, eine PN hier zu posten, die nicht nur meine religiösen, sondern auch meine menschlichen Gefühle (falls man das überhaupt trennen kann) tief verletzen. Nach der Lektüre dieser PN halte ich eine sinnvolle sachliche Diskussion über derartige Themen mit Herrn Lier für ausgeschlossen.

  • Zitat

    Original von licht


    Nach der Lektüre dieser PN halte ich eine sinnvolle sachliche Diskussion über derartige Themen mit Herrn Lier für ausgeschlossen.


    Wer ist denn Herr Lier?
    Postet der hier?


    ?(

    Man sollte nichts auf morgen verschieben, wenn man es genausogut auch übermorgen erledigen kann. (Mark Twain)

  • Hallo Tom!


    Danke für das ausführliche Statement.
    Ich weiß gar nicht genau, ob mein anstehender Erklärungsversuch überhaupt das Thema an sich trifft, trotzdem möchte ich einen Teil meiner Meinung - oder besser, einen Teil meiner Erlebnisse - dazu beisteuern. Und das tue ich aus meiner Sicht, meine ganz alleine. Und ich spreche damit nicht automatisch für millionen Katholiken ;-)


    Los gehts...


    Ich empfinde diesen christlichen Glauben als Fundament meiner Lebenseinstellung, als Grundlage für den Umgang mit meinen Mitmenschen, als Regelwerk für meine moralischen und ethischen Entscheidungen. Dazu möchte ich aber nochmal ausdrücklich betonen, weder extrem religiös erzogen worden zu sein, noch sehe ich mich von höherem dazu genötigt, irgendwelche Bibelregeln millitant zu befolgen. Ich bin nicht mal sonderlich bibelfest, auch habe ich seit Jahren keinen Gottesdienst mehr besucht.
    Trotz allem ist der Glaube ein Teil von mir. Ein Teil, durch den ich mich selbst unter anderem definiere.
    Dieser Glaube, mein Glaube, hat sich bestimmt in den vergangenen Jahren von der Kirche als Institution entfernt. Da ich durchaus fähig zur Meinungsbildung bin. Nicht alles, was irgendein Obermufti spricht, wird für mich zum Gesetz. Aber soweit möchte ich überhaupt nicht ausholen.


    Ich ich (ganz freiwillig :-)) in den östlicheren Teil der Republik zog, wurde ich auf einmal mit einer sehr kirchenfeindlichen Einstellung konfrontiert. Ich gebe zu, das war zunächst für mich ein echter Schock. Auch hier geschah es regelmäßig, daß einfach alles in einen einzigen großen Topf geworfen wurde. Der Topf nennt sich Kirche und ist einfach nur scheiße, bekloppt, überflüssig, etc. pp.
    Ich habe mich unendlich oft auf Diskussionen eingelassen, versucht zu erklären....meist mit eher zweifelhaftem Erfolg. Das "Kirche" und "Glauben" aus mehr besteht als aus einem Papst und nicht mehr zeitgemäßen Weltansichten, daß wir keine durchgeknallte Truppe von seltsamen Formeln murmelnden Freaks sind. Sondern dass es ein Teil des Denkens, Handelns, usw. ist. Das vieles einfach nur Metaphern sind, eine Art "Bedienungsanleitung" für das bessere Zusammenleben einer Gesellschaft darstellen.


    Nach gefühlen zwei Millionen fruchtlosen Diskussionen dieser Art resigniert man irgendwann - wohl ganz automatisch, vielleicht eine Art Selbstschutz. Ich muß mich auch nicht rechtfertigen, wieso auch? Ist doch mein Ding.


    Lustigerweise gehe ich im RealLife diesem mittlerweile sehr erfolgreich aus dem Weg. Sogar einige echt gute Gespräche über die Ansichten "verschiedener Seiten" sind zwischenzeitlich dabei rausgekommen. Aber ich werde mich auch weiterhin eher zurückhaltend verhalten.


    Anders, ganz anders verhält es sich zu meinem Verblüffen hier bei den Eulen. Warum? Keine Ahnung, ich habe noch keine Erklärung gefunden. Vielleicht liegt es daran, daß ich eine sehr hohe Meinung von den Meisten hier habe, gerade über die Menschen, die ich schon persönlich kennenlernen durfte. Von denen erwarte(te?) ich einfach eine anspruchsvollere Form der Toleranz und des gegenseitigen Respekts.
    Das funktioniert bei den meisten Themen ehrlich phänomenal. Erst beim Eulentreffen gab es da eine anfänglich recht festgefahrene Meinung zu einer bestimmten Krankheitsform...und daraus hat sich ein wirklich gutes Gespräch mit Offenheit, Interesse und sachlicher Argumentation für die jeweiligen Standpunkte gebildet. Nach diesem Gespräch sind alle beteiligten Eulen denke ich ein bißchen schlauer und ein bißchen besser informiert herausgegangen. Und das, ohne zu irgendeiner Zeit vom anderen verunglimpft worden zu sein. Schön, ehrlich! Und genau so sollte es doch sein, oder?


    Beim Thema Glauben scheint das aber nicht zu funktionieren. Ich nur für mich sprechend (!) weiß aus meiner Sicht jedenfalls, wieso. Durch genau dieser Erfahrungen nach meinem Umzug sitzt meine Nerv-Schwelle extrem niedrig. Und wenn dann auch noch furchtbar intolerante Meinungen zu lesen sind, von Menschen, denen ich eben diese Toleranz in hohem Maße zugeordnet hat, bröckelt mein Weltbild. Und das nur, weil jede Seite mit immer extremeren Aussagen versucht, das "andere" auszustechen.


    Ich spare mir, meinen Erguss nun nochmals durchzulesen. Vermutlich ist alles sehr wirr geworden, ich hoffe dennoch, dass ich mich in manchen Punkten verständlich machen konnte. Eben weil ich meinen Glauben nicht wie eine einzelne Meinung von meinem Gesamtleben separieren kann. Und wenn es mich als Gesamtheit betrifft, werden "normale" Gefühle eben auch zu religiösen Gefühlen. Weil man einen Glauben nicht wechselt wie Unterwäsche.


    Ich will niemanden davon überzeugen, das mein Glaube der richtige ist. Es gibt keinen richtigen und keinen falschen Glauben. Ziel der ganzen Sache soll doch sein, eine Grundlage des Denkens und des Handelns sein, um MITEINANDER leben zu können. Und wenn das fliegende Spaghettimonster es schafft, eine bessere Welt zu erschaffen, na dann bitteschön. Aber eine "Gegenreligion" zu erschaffen, nur um eine andere Glaubensform zu zerlegen finde ich doch reichlich schwachsinnig. Denn dann wurde einfach vergessen, um was es eigentlich gehen sollte (!). Ein friedliches Miteinander in der Welt


    :wave

  • Zitat

    Original von Tom
    Jedenfalls ist nach meiner Erinnerung der umgekehrte Fall noch nie eingetreten, also derjenige, dass ein Atheist plötzlich behauptete, seine (humanistischen?) Gefühle seien durch die Argumentationsweise der "Gegenseite" oder die Tatsache, dass sie überhaupt argumentieren würde, verletzt worden. Sondern höchstens sein Intellekt.


    Allerdings fällt auf, dass der missionarische Eifer nicht bei den "religiösen" liegt, die etwa versuchen wollten andere von der Größe ihres Glaubens zu überzeugen, sondern immer wieder das Thema aufkommt (hochgekocht wird?), dass diejenigen, die so dumm sind an eine Religion zuglauben, doch wirklich nur ausgelacht oder lächerlich gemacht werden können.


    Zitat

    Original von Tom
    Kaum ein Marxist wird sich in seinen "politischen Gefühlen" verletzt sehen, wenn man ihm erklärt, dass man einen seiner Grundsätze, nämlich die unbedingte Herrschaft des Proletariats, für ziemlichen Dünnpfiff hält. Er wird, ganz im Gegenteil, mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine energische Diskussion und für seinen Standpunkt eintreten. Oder er wird einem den Vogel zeigen und erklären, dass alles andere doch wohl noch größerer Schwachsinn wäre, wie sich übrigens auch gezeigt hätte. "Politische Gefühle", obwohl auch mit - zuweilen ziemlich stark verinnerlichten - Grundsätzen verbunden, sind meiner Beobachtung nach längst nicht so leicht zu verletzen wie religiöse. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass es sie überhaupt nicht gibt, die "politischen Gefühle". Jedenfalls nicht in verletzbarer Qualität.


    Politik ist heute für viele Ersatzreligion und absolute Glaubensfrage- nicht zuletzt solche Oranisationen wie Sientology zeigen, dass er hier fliessende Übergänge gibt und der Marxismus ist doch nunn das Paradebeispiel für religiösen Wahn mit solch schönen Sätzen wie :"Dir fehlt das richtige proletarische Bewußtsein" erreicht der Gläubige problemlos das Niveau von "Du bist eben nicht erleuchtet". Bin ich wirklich nicht - Mama und Papa waren bei mir Apotheker der Gattung homo sapiens und keine Glühbirnen. Glauben habe ich allerdings durch alle Zweifel errungen und erfahrren - und das bedeutet für mich eben, dass ich nicht Gott bin und nicht mich selbst zum Masstab aller Dinge machen kann- den Vorwurf mache ich aber den meisten Ungläubigen, weil sie sich selbst als absolut setzen. Das tut hier auch Tom, wenn er die Existenz von religiösen Gefühlen negiert- schade drum.

  • Hallo, Inso.


    Auch wenn mein Beitrag allgemeiner gemeint war und nur einen Eulenanlass genutzt hat, will ich versuchen, zu erklären, wie ich Deine Anmerkungen verstehe.


    Wie gesagt, es ging mir weniger um Diskussionskultur - auch ein sehr dehnbarer Begriff, der zuweilen missbräuchlich oder als Rettungsring benutzt wird - und um Toleranz. Toleranz hat übrigens ebenfalls viele Facetten, und ist mal persönlich, mal allgemeiner aufzufassen. Ich habe kein Interesse daran, zum Beispiel Nazis zu tolerieren, oder gewaltbereite Linksextremisten (oder Menschen allgemein, die anderen ihre Auffassung mit Gewalt aufzwingen möchten), und diese Spielart von Intoleranz ist allgemeiner Natur. Trotzdem mag es Persönlichkeiten unter/in diesen Gruppen geben, die nicht nur Nazis oder Linksextremisten sind, sondern ansonsten sogar recht angenehme Zeitgenossen, die einfach auf dieser Ebene völlig verpeilt sind (meiner subjektiven Meinung nach). Niemand ist "nur" oder in gänze irgendwas. Dieserart das Menschsein zu reduzieren ist intolerant und nicht selten ziemlich ungerecht. Was ich damit sagen will: Ich toleriere ihre Einstellung nicht, und niemand wird mich erfolgreich dazu zwingen, das zu tun. Das gilt auch für jemanden, der sich mit Sprengstoff am Körper in eine Menschenmenge begibt, um sie für seinen Glauben zu Opfern zu machen. Obwohl dieser Typ ein liebenswerter Charakter, ein (bis zu diesem Zeitpunkt) treusorgender Partner oder meinetwegen ein Umweltschützer oder kongenialer Hobbyphilosoph sein mag - diesen Aspekt seiner Persönlichkeit kann und will ich nicht tolerieren. Toleranz hat also seine Grenzen, und nicht nur hier, wo es um Extreme geht. Es ist Unsinn, sie für alles und jeden einzufordern. Wenn Schaden für andere ensteht, egal ob für einzelne oder mehrere, erlischt das immanente Recht auf Toleranz (das es sowieso nicht gibt - siehe unten). Man mag die Meinung vertreten dürfen, dass auch jene Auffassungen, die der eigenen vollständig zuwiderlaufen, sie gar verneinen, nicht notwendigerweise toleriert werden müssen. Ich zitiere mal aus Wikipedia:


    „Toleranz ist der Verzicht auf die Option, ein gegen sich gerichtetes Übel abzustellen.“


    Da stellen sich dann gleich mehrere Fragen: Richtet sich das vermeintliche Übel tatsächlich gegen mich? Geht es mich etwas an - direkt oder z.B. als Bürger eines Staates? Kann von mir verlangt werden, das Übel zu akzeptieren (tolerieren), statt dagegen vorzugehen? Und, ganz entscheidend: Ist es überhaupt ein Übel? Liegt das Problem nicht möglicherweise bei mir? (Diese letzte Frage lässt sich in den allermeisten Fällen nicht beantworten.)


    Toleranz wird oft missverstanden als die simple Anerkennung von Andersdenkenden oder -artigen im Sinne von Nichtverfolgung. Das ist falsch. Wer keine Nazis in seiner Nähe oder in seinem Land hat, kann sie, vereinfacht gesagt, auch nicht tolerieren, denn sie sind nicht sein Problem (das ist wirklich sehr vereinfachend, denn man kann Nazis irgendwo auf der Welt durchaus glaubhaft als persönliches Problem darstellen). Wenn eine Gruppe wie die heute diskutierten Amish, die sich weitgehend mit sich selbst beschäftigen, irgendwo im Brandenburgischen eine Enklave betreiben würde, ohne zu missionieren oder sich auf andere Art bemerkbar zu machen, ist Toleranz möglicherweise nicht gefragt. (Auch hier wäre ich im Detail anderer Ansicht, aber ich wollte ein Beispiel mit aktuellem Bezug wählen.)


    Wenn also Toleranz im Hinblick auf Weltanschauungen eingefordert wird, sollte, muss man sich fragen, ob sich eine Weltanschauung, die man ablehnt, für gefährlich hält, als persönliches Übel darstellt. Ob verlangt werden kann, dass man das Übel akzeptiert, also toleriert. Das Wort klingt schließlich so schön und es sollte doch jedem herzensleicht fallen, zu tolerieren. Nun, da kann man auch anderer Meinung sein. Ich muss nicht ausführen, warum man z.B. in weltanschaulichen, also religiösen Fragen durchaus zu der Meinung gelangen kann, dass Toleranz - allgemeine Toleranz (s.o.) - nicht opportun, nicht mit der eigenen Auffassung vereinbar ist. Es gibt nachvollziehbare Argumente dafür, dass Glauben schädlich ist (wie gesagt, die muss ich hier nicht wiederholen). Das widerspräche dem von Dir ausgeführten, sehr allgemeinen "Live and let live", das gut geeignet ist, um es sich im eigenen Leben bequem zu machen. Gesamtgesellschaftliche Phänomene, und dazu gehören Weltanschauungen nun einmal, betreffen letztlich alle. Natürlich haben alle ganz unterschiedliche Auffassungen davon, was ein Übel ist und was nicht. Trotzdem ist es z.B. in der oben zitierten Politik gestattet, andere Auffassungen zu bekämpfen. Politische Strömungen sind gekommen und wieder gegangen, die Grünen gibt es erst seit ein paar Jahrzehnten. Die Vertreter der Parteien und ihre Anhänger kämpfen energisch um die Meinungsführerschaft und bezeichnen die jeweiligen Gegner als Leute, die nur heiße Luft absondern oder Menschen ausbeuten wollen - so geschieht es derzeit im Europawahlkampf. Und hier schließt sich der Kreis.


    Es ist schon unzulässig, Religion als Übel zu bezeichnen, auch wenn man sie als persönliches Übel begreift. Denn alleine dieses Testat verletzt bereits jene "religiösen Gefühle". Umgekehrt gilt das, wie erwähnt, praktisch nie. Dieses Argument der Verletzung von "weltanschaulichen Emotionen" hebelt jedweden Disput aus, weil es Weltanschauung zu einem körperlichen Zustand erhebt, zu einer, wie Du ausgeführt hast, Komponente des Seins, die untrennbar mit der Persönlichkeit verbunden ist. Das ist ein erstaunlicher, nachgerade verblüffender Standpunkt - vor allem, wenn man sich in einer philosophischen Diskussion befindet, die auf abstrakter Ebene zugange ist und sich dem jeweiligen Emotionszustand der Beteiligten überhaupt nicht widmet. Trotzdem verstehe ich das, wie oben erwähnt, eigentlich recht gut, denn es ist etwas anderes, zu glauben, als zum Beispiel CDU zu wählen. Eine paradoxe Situation: Es gibt ein philosphisch-mythologisches Gedankengebäude, das jemand verinnerlicht hat, aber die Verinnerlichung ist so emotional, dass jede Diskussion automatisch zur Beleidigung wird. Gleichzeitig ist es unmöglich, diese Diskussion abstrakt zu führen, weil Emotionalität dem widerspricht. Die "Buskampagne" hat versucht, den Slogan "Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott" auf öffentlichen Verkehrsmitteln anzubringen, in denen ich heute morgen noch Werbeschilder wie "Jesus liebt Dich!" gesehen habe. Einen Sturm der Entrüstung gegen letztgenanntes, obwohl es "naturalistische Gefühle" verletzen könnte (tatsächlich beleidigt mich dieser Spruch in gewisser Weise :grin), gab es nie - und wird es vermutlich auch nie geben. Umgekehrt aber durchaus.


    Wie gesagt, ich verstehe den emotionalen Aspekt des Glaubens durchaus. Ich halte es nur für eine gefährliche und unredliche Waffe im Disput um Weltanschauungen und ihre Auswirkungen.

  • Hallo, Beowulf.


    Zitat

    Das tut hier auch Tom, wenn er die Existenz von religiösen Gefühlen negiert- schade drum.


    Das mag sein, und vielleicht ist es wirklich schade, aber der Threadtitel ist absichtlich so gewählt. Deshalb an Dich die Frage, da Du Dich ja auszukennen scheinst:


    Was ist das?

  • Ich weiß nicht, inwiefern man hier religiöse von menschlichen Gefühlen abgrenzen muss. Menschen neigen dazu, sich angegriffen zu fühlen, wenn Dinge, die ihnen wichtig sind, als Quatsch, Dünnpfiff oder ähnliches bezeichnet werden. Natürlich muss das nicht sein, aber viele reagieren empfindlich auf eine sachliche Ablehnung, die mit emotionaler Sprache (vielleicht auch noch verbunden mit Worten, die aggressiv wirken) geäußert werden. Wenn man das weiß, kann man (wenn man will) darauf Rücksicht nehmen und die gleiche Meinung in wesentlich höflicherer Form äußern. Die Form der Äußerung kann auch als Respekt des Gegenübers hinsichtlich der eigenen Person und dessen Meinung verstanden werden. Eine ähnlich gelagerte Vorstellung der Diskussionskultur und Wortwahl ist Voraussetzung für eine einigermaßen friedliche und produktive Diskussion.


    Von daher ist es tatsächlich für mich eher eine Frage des allgemeinen Umgangs miteinander als die Frage, inwiefern ich religiöse Gefühle beachte.


    Zitat

    Offenbar ist es, nebenbei bemerkt, ohnehin so, dass Glaubende jedwede Kritik an ihrer Weltanschauung sehr viel persönlicher nehmen als Nichtglaubende, aber diese Diagnose mag zu subjektiv sein (und ganz gewiss darf sie nicht verallgemeinert werden). Jedenfalls ist nach meiner Erinnerung der umgekehrte Fall noch nie eingetreten, also derjenige, dass ein Atheist plötzlich behauptete, seine (humanistischen?) Gefühle seien durch die Argumentationsweise der "Gegenseite" oder die Tatsache, dass sie überhaupt argumentieren würde, verletzt worden.


    Tom, Atheisten schlagen nach meiner Erfahrung häufig dann um sich, wenn Theisten in den Raum stellen, dass Religion das Fundament moralischen Handelns sei. Habe ich früher auch getan. ;-) Ob sie sich dann in ihren moralischen, humanistischen, intellektuellen oder menschlichen Gefühlen verletzt fühlen, kann ich nicht beantworten.

  • Vulkan : Ist das wirklich eine Formfrage? Mich trifft sachliche und fundierte Kritik z.B. an meinen Büchern sehr viel härter als ein knappes "So eine Scheiße". Und wenn menschliche und religiöse Gefühle nicht zu trennen sind, was unterscheidet sie dann? Oder gibt es die zweitgenannten nicht wirklich?


    Ergänzung. Es ging mir hier wirklich nicht um eine inhaltliche Diskussion der bekannten Art, sondern nur um diesen Aspekt. Dennoch:


    Zitat

    Menschen neigen dazu, sich angegriffen zu fühlen, wenn Dinge, die ihnen wichtig sind, als Quatsch, Dünnpfiff oder ähnliches bezeichnet werden.


    Der Islam basiert auf jener Offenbarung, die Mohammed angeblich in der Wüste hatte. Der Erzengel Gabriel ist ihm erschienen und hat ihm, verkürzt gesagt, den Koran diktiert (der aber erst lange nach Mohammeds Tod niedergeschrieben wurde). Es ist Mohammed und seinen Nachfolgern anschließend gelungen, ziemlich viele Leute davon zu überzeugen, dass das tatsächlich geschehen ist, und zwar vor knapp tausendvierhundert Jahren. Ginge heute jemand in die Wüste und käme mit offenbarten Worten Gottes zurück, würde er es damit vermutlich nicht einmal bis ins Unterschichtfernsehen schaffen. Natürlich verprellt das die vielen Millionen Anhänger, die der Islam heute hat, aber die Frage muss doch gestattet sein, welchen nachvollziehbaren Grund - ein einziger würde schon reichen! - es bitteschön dafür gibt, diesen Unsinn zu glauben, dass jemand in der Wüste tatsächlich ein - das - Gotteserlebnis hatte und quasi darum gebeten wurde, neue Regeln für das Menschsein an und für sich weiterzugeben. Und selbst wenn derjenige glaubte, (s)ein persönliches Gottestreffen gehabt zu haben, wären Zweifel eher berechtigt (sehr vorsichtig ausgedrückt!) als ein kritikloses Abnicken dieses Vorgangs. Schon diese Worte hier würden jeden fast Iraner auf die Palme bringen und millionenfach "religiöse Gefühle" verletzen, aber das ändert doch nichts daran, dass man den Vorgang, der so dramatische Konsequenzen nach sich zog und auch heute noch so viel Leid und Schmerz über die Welt bringt (und, klar, auch Inspiration, Spaß und Freude), für, mit Verlaub, ziemlichen Quatsch halten darf.


    Wie gesagt, das nur am Rande. Mir ging und geht es nach wie vor um diese Begrifflichkeit und das damit verbundene Phänomen.

  • @ Tom
    Mit sachlicher und fundierter Kritik meinst Du aber nicht Deine Äußerungen zur Religion? :grin Ansonsten hast Du natürlich Recht, dass ernsthafte, sachliche Auseinandersetzung ernstzunehmender ist als Polemik oder unfundierte Meinungsäußerung.
    Ich möchte mich hier nicht auf eine Religion über Pro und Contra Religionen einlassen, weil ich mich diesbezüglich nicht für informiert genug halte.
    Ich habe diffuse Bauchschmerzen bei Deinen Einwänden gegen Religionen, die mir teilweise eher wie Affekte vorkommen. (Bsp: Religiöse Gesellschaften neigen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, aber die atheistischen Gesellschaften des 20. Jahrhunderts taten es genauso oder viel mehr. Religiöse Menschen neigen Deiner Meinung nach (wenn ich es richtig verstanden habe) dazu, "Quatsch" zu glauben. Was ich von nichtreligiösen Menschen an "Schwachsinn" hinsichtlich Horoskopen, Sternzeichen oder ähnliches gehört habe, steht dem wahrscheinlich nicht nach.
    Da es kaum Gesellschaften gibt, die nicht geprägt von Religionen sind (zumal, wenn man die sozialistisch-kommunistischen Systeme als quasireligiöse versteht), ist es verdammt schwer, herauszufinden, wie Menschen fernab jeder Religion sich verhalten würden. Vielleicht muss man auch als atheistischer Mensch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass das Bedürfnis nach Spiritualität ein sehr weit verbreitetes menschliches sein könnte. (Womit ich Dir aber nicht die Vorstellung einer paradiesischen Welt ohne jegliche Religionen nehmen möchte. :-))
    Ich persönlich bin ja tendenziell Anhänger der Tocquevillschen Haltung zur Religion: Skeptisch hinsichtlich des persönlichen Glaubens, aber froh, dass es sie als soziale und moralische Basis der Gesellschaft gibt. Ein Satz, für den mich wahrscheinlich auch genug Gläubige hassen werden...

  • Zitat

    Du meinst Toleranz und Akzeptanz seinen Synonyme???


    Habe ich das gesagt?


    Ich habe den Begriff Toleranz zu erklären versucht und dafür den anderen hilfsweise hinzugezogen. Verdammich, ich hätte den natürlich auch noch erklären müssen. ;-)

  • Zitat

    Original von Tom
    Ich habe den Begriff Toleranz zu erklären versucht und dafür den anderen hilfsweise hinzugezogen. Verdammich, ich hätte den natürlich auch noch erklären müssen. ;-)


    Das hättest du aber in so vielen Folgen der religiösen Wochen in der Büchereule eigentlich wissen müssen. ;-) [SIZE=7]verp.... sich schnell wieder aus dem Fred[/SIZE]

  • Vulkan : Das "Bedürfnis nach Spiritualität" ist ein Henne-Ei-Problem. Das Bedürfnis nach Antworten ist vermutlich mit dem Entstehen des Phänomens verbunden, das wir "Intelligenz" nennen. Die Unmöglichkeit, auf entscheidende Fragen Antworten geben zu können, ist vermutlich nicht unwesentliche Mitursache für das Phänomen "Spiritualität". Werte sind kein rein religiöses Gebiet. Aberglaube und Glaube verbinden nicht nur die letzten beiden Silben. Aber das ist alles nicht Thema. Mir ging und geht es tatsächlich nur um jenes Problem, das die Kommunikation zwischen Theisten und Atheisten zuweilen entscheidend erschwert. Siehe Threadtitel.

  • Also ich toleriere deine Haltung (ertragen, erdulden, erleiden heißt das) akzeptieren kann ich sie nicht(das hiesse annehmen) Dein Satz heißt "das man das Übel annimmt, also er erduldet". Passt schlicht nicht.


    Wo es dann passt ist bei dem Grundsatz: Keine Toleranz den Feinden der Toleranz, keine Freiheit den Feinden der Freiheit, also keine Toleranz dem religiösen Fanatiker, egal ob er wiedererweckter Christ und amerikanischer Präsident ist oder muslimischer Selbstmordattentäter, wobei wir hier in die Gefahr der Frage Religion als persönliches Glaubenserlebnis oder als Machtausübungsmittel betrachten zu müssen, Ussama bin Laden ist weniger religiöser Fanatiker als Machtpolitiker- bei George Dabbelyou bin ich mir nicht so sicher wes Geistes Kind oder kindischen Geistes der war.

  • Zitat

    Original von Tom
    Gefühle - Emotionen - sind Ergebnisse komplexer körperlicher und bzw. psychologischer Vorgänge. Emotionen sind Freude, Lust, Angst, Trauer, Wohlempfinden, Ärger undsoweiter. Wer in welcher Situation welche Gefühle empfindet, ist schwer vorherzusagen. Eine spannende Szene in einem Horrorfilm mag in vielen Kinobesuchern Ängste auslösen, aber auch einige zum Lachen bringen. Einer ärgert sich über einen fallenden DAX, der andere freut sich, und zwar nicht notwendigerweise abhängig davon, dass einer oder beide in DAX-Werte investiert haben. Ein Mensch sieht ein neugeborenes Lämmchen und bricht in Rührungstränen aus, der andere verspürt lediglich Hunger. Während ein Mensch freudig in den neuen Tag aufbricht, weil die Sonne scheint, vermag sie die Depressionen des anderen nicht zu vertreiben. Gefühle, Emotionen, sind individuell und von subjektiven Faktoren bestimmt, deren Auslöser und Vermittler kaum generalisiert werden können.


    Ist doch eine schöne Erklärung...


    Zitat

    Original von Tom
    Nicht so "religiöse Gefühle". Diese neuzeitliche Kategorisierung ist weit mehr als nur ein rhetorischer Kniff, obwohl das möglicherweise ursprünglich ihr Zweck war. Wer Glauben kritisiert, und zwar weitgehend unabhängig davon, ob mit harten oder weniger harten Worten, riskiert heutzutage fast zwangsläufig, jemanden auf den Plan zu rufen, dessen religiöse Gefühle dadurch verletzt wurden. Was aber ist das, ein "religiöses Gefühl"?


    Ist doch völliger Blödsinn. Du konstruierst einen Gegensatz der schlicht nicht existiert. Du musst nur überlegern, das "jemand" halt einer von denen ist, der individuell und von subjektiven Faktoren bestimmt ist, genauso wie es eben Menschen gibt, die glübige katholische Christen sind und die Witze über den Papst als Person oder als Instutition generell ablehnen oder andere, die herzhaft darüber lachen.

  • Lange habe ich überlegt, ob ich hier etwas schreiben soll. Weil es sehr ins Grundsätzliche geht und ich mir eigentlich vorgenommen habe, in der Büchereule an keinen Grundsatzdiskussionen mehr teilzunehmen.



    Vulkan hat genau genommen schon die richtige Antwort gegeben:

    Zitat

    Original von Vulkan
    Von daher ist es tatsächlich für mich eher eine Frage des allgemeinen Umgangs miteinander als die Frage, inwiefern ich religiöse Gefühle beachte.


    Der Umgang miteinander hat sich in den letzten Jahren (Jahrzehnten?) sehr verändert. Desgleichen die Gesellschaft. Die schon erwähnte Amish-Diskussion hat mir nochmals zu Bewußtsein gebracht (oder endgültig klar gemacht), daß es die Gesellschaft als Einheit nicht mehr gibt (wenn es sie je gab). Es gibt auch kein gemeinsames gesellschaftliches Fundament (im Sinne von gleicher Wertebasis) mehr. Für mich hat sich zwischen den Teil-Gesellschaften eine nahezu unüberbrückbare Kluft aufgetan, die sich eher vergrößert denn verkleinert. Viele Eulendiskussionen haben mir diesen Eindruck bestätigt. Dabei verschieben sich die Gewichtungen von der Teil-Gesellschaft der „Gläubigen“ hin zu der der „Ungläubigen“.


    Anfang der 90er Jahre hat mir ein Bekannter, mit dem ich damals beruflich viel zu tun hatte, genau diese Entwicklung vorausgesagt. Er meinte auch, daß es so weit kommt, daß wir (Christen) uns (im übertragenen Sinne) wieder in die Katakomben zurückziehen müssen, um der Verfolgung zu entgehen. Ich habe das damals für ziemlich spinnert gehalten. Um verwundert festzustellen, daß ich mich derzeit selbst auf eben jenem Rückzug befinde.


    Die Frage ist für mich, wie gehen diese beiden Teil-Gesellschaften („Gläubige“ - „Ungläubige“) miteinander um. Beide haben ein völlig anderes Fundament und Wertesystem; wo sie sich überschneiden, ist die Reihenfolge der Wertigkeit meist eine andere. Wenn ich unter solchen Voraussetzungen mit einem Gegenüber aus der „anderen Fraktion“ eine Kommunikation aufbauen will, wird diese nicht gelingen, wenn ich eine Wortwahl verwende, die mein Gegenüber als beleidigend, herabsetzend oder provozierend empfindet.


    Es mag sein, daß ich manches als „Quatsch“ empfinde. Wenn das für mein Gegenüber aber eines der, oder aber das Fundament seines/ihres Lebens ist, und ich es dennoch mit solchen (und schlimmeren Worten) belege, muß ich mich über die Reaktion nicht wundern. Mein Gegenüber wird, nein muß es sogar als Beleidigung auffassen.


    Auf mich (ich empfinde das so) wirken viele Äußerungen der „Gegenfraktion“ als bewußte und gewollte Provokationen und Beleidigungen. Nach ausreichend vielen Erfahrungen im Eulennest, halte ich mich daher normalerweise aus „gefährlichen“ Diskussionen inzwischen heraus. (Das gelingt leider nicht immer, aber immer öfter. Das Mitlesen als Gast, wobei das Anklicken des „Antworten-Buttons“ eine Fehlermeldung erzeugt, ist dabei eine praktische Hilfe.)


    Die schon erwähnte Amish-Diskussion hat mir durch einige Äußerungen nochmals sehr deutlich bewußt gemacht, daß es eben „die Gesellschaft“ nicht mehr gibt. Ich werde das fernerhin berücksichtigen, manches in künftigen Rezis anders formulieren und mich nur noch an die Teil-Gesellschaft wenden, der ich mich zugehörig fühle.


    Eine Kommunikation mit dem anderen Teil der Gesellschaft würde ich mir zwar wünschen, aber die Voraussetzungen müssen stimmen. Das heißt, beide Seiten müssen einander respektieren. Das fängt in einer schriftlichen Kommunikation (wie etwa hier im Forum) bei der Wortwahl und Satzformulierung an.


    Solange die nicht gegeben ist, werde ich weiter auf dem Rückzug bleiben, mich nur an „meine Teil-Gesellschaft“ wenden bzw. im Schweigen üben. Auch wenn es bisweilen recht schwer fällt (das bezieht sich jetzt nicht nur auf das „Spaghettimonster“, sondern ein paar andere Threads in den letzten Monaten auch).

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")