Kurzbeschreibung
Venedig 1510: Die Pest grassiert in der Lagunenstadt. Sterbenskrank wird die junge Venezianerin Cintia auf eine Seucheninsel gebracht, wo sie dank der Hilfe des Kaufmannssohnes Niccolò überlebt. Ihr gelingt die Rückkehr nach Venedig, doch sie ist zu jung, um das Erbe ihres Vaters, eines reichen Seidenwebers, anzutreten. Gegen die drohende Vormundschaft raffgieriger Verwandter hilft nur eine rasche Heirat, und so stimmt Cintia kurzentschlossen einer Ehe mit dem Schiffsbauer Paolo zu, zum Verdruss Niccolòs, der ebenfalls um sie geworben hatte. Aus der Vernunftehe wird wider Erwarten Leidenschaft, doch tödliche Konflikte werfen bereits ihre Schatten voraus.
Über die Autorin:
Charlotte Thomas war Richterin und Rechtsanwältin, bevor sie sich ganz ihrer Leidenschaft, dem Schreiben, widmete. „Die Liebenden von San Marco" ist der dritte große historische Roman der versierten Venedigkennerin, die bereits mit ihren Bestsellern "Die Madonna von Murano" und "Die Lagune des Löwen" die Leser begeisterte. Charlotte Thomas lebt mit ihren Kindern am Rande der Rhön in Hessen.
Meine Meinung:
Venedig 1510. Die junge Cintia, Tochter eines angesehenen Seidenwebers, steht kurz vor ihrer Hochzeit mit dem Patrizier-Sohn Gregorio, als die Pest über die Stadt hereinbricht. Cintia erkrankt und wird auf die Seucheninsel vor die Tore der Stadt gebracht. Sie überlebt die Krankheit, ist aber auf der Insel gefangen. Hilfe erhält sie zunächst von Gregorios Bruder Niccolo, der sie heimlich liebt. Wenig später gelingt es ihr, gemeinsam mit ihrer Cousine von der Insel zu fliehen. Doch nach der Flucht ist nichts mehr wie zuvor. Die Heirat mit Gregorio ist in weite Ferne gerückt und die Zwangsvormundschaft durch habgierige Verwandte droht, da Cintia nicht volljährig ist. Einziger Ausweg ist die Hochzeit mit dem Schiffbauer und Patrizier Paolo, eine Hochzeit, die nicht aus Liebe geschlossen wird. Wird es den beiden gelingen, die Steine, die sich ihnen in den Weg legen, zu beseitigen?
Charlotte Thomas dritter Roman erinnert von der Handlung und den Protagonisten her ein wenig an ihrem Erstling, was aber der Spannung keinen Abbruch tut, ganz im Gegenteil. Über einen Zeitraum von 5 Jahren erzählt sie die bewegte Liebesgeschichte von Cintia und Paolo, deren Ehe unter keinem guten Stern steht. Zunächst aus Vernunft geschlossen, erwächst aus der Ehe mit der Zeit eine Liebe von ungeahnter Stärke und Kraft, die auch auch den widrigsten Umständen standhält.
Viel mutet Charlotte Thomas ihren beiden Protagonisten zu, lässt ihnen nur wenig glückliche Zeit, um sie dann umso mehr mit Intrigen, Hass, Lügen und unangenehmen Zeitgenossen zu konfrontieren. Sie zerbrechen nicht daran sondern wachsen. Aus einem unbedarften und behüteten Mädchen wird eine Frau, die sich im Leben behauptet und sich zu schützen weiß, aus einem bitteren und zunächst distanzierten Mann wird ein Mensch, der das Glück und seinen Platz im Leben findet, auch wenn er gezwungen ist, dafür Umwege gehen zu müssen. Ebenso wie die Hauptfiguren sind auch die Nebenfiguren bis ins Detail ausgestaltet, haben Ecken und Kanten, Licht- und Schattenseiten. Es ist schwierig, sie für ihre Taten vollständig zu verurteilen oder zu hassen. Ihre Motive, so schrecklich sie auch manchmal sind, sind doch nachvollziehbar. Der Weg, den sie einschlagen, hingegen oft nicht. Liebe und Hass, Schuld und Sühne aber auch Vergebung und Frieden mit sich selbst schließen sowie der Wunsch nach persönlicher Freiheit und Selbstverwirklichung, sind zentrale Themen in Charlotte Thomas drittem Roman. Sie lässt ihre Leser zittern und bangen, gerade dann, wenn sie sich sicher fühlen und glauben, die Protagonisten hätten das Schlimmste überstanden. Jeder der neun Abschnitte dieses Buches bietet neue Wendungen und Überraschungen, führt den Leser auf so manch falsche Spur. Einiges glaubt man zu wissen und wird am Ende doch wieder überrascht. Längen kommen in diesen 916 Seiten nie auf, der Spannungsbogen hält bis zum Schluss.
Angenehm überrascht wird man zudem von der liebevollen Einbettung der Geschichte in die historischen Ereignisse des angehenden 16. Jahrhunderts - der Pest in Venedig, den Krieg der heiligen Liga, die Machtübernahme von Selim in Konstantinopel und den Tod seines Vater Sultan Bayezins, sowie am Rande die Wahl Giovanni de Medicis zum Papst (Leo X.)
Charlotte Thomas verwebt auch in diesem Roman gekonnt historische Fakten mit einer fiktiven Liebesgeschichte, erzählt in einer schönen und bildhaften Sprache, die das 16. Jahrhundert vor den Augen des Lesers wieder auferstehen lässt.
Wem die Madonna von Murano gefallen hat, dem kann ich dieses dritte Buch von Charlotte Thomas uneingeschränkt empfehlen. Für mich ist es mein neuer Favorit unter den bislang erschienenen Büchern von Charlotte Thomas.
EDIT:
Das Buch wurde hier bei den Eulen in einer gemeinsamen Leserunde gelesen: