Erinnerungen an meinen Porsche - Bodo Kirchhoff

  • Erinnerungen an meinen Porsche
    Bodo Kirchhoff
    ISBN 9783455401844
    Hoffmann und Campe
    223 Seiten, 17,95 Euro



    Über den Autor: Bodo Kirchhoff, geboren 1948 lebt in Frankfurt am Main und am Gardasee. Sein umfangreiches Werk umfasst Romane, Erzählungen und Novellen, Theaterstücke, Drehbücher und Aufsätze. Nach seiner ersten Veröffentlichung 1979 gelang Kirchhoff mit dem Roman „Infanta“ 1990 der Durchbruch bei Publikum und Kritik im In- und Ausland. Nach weiteren Werken kam 2001 der vielbeachtete Roman „Parlando“ heraus, 2002 folgte Kirchhoffs „Schundroman“.


    Meine Meinung: Daniel Deserno, bis vor kurzem erfolgreicher Investmentbanker, ist nicht nur durch die Finanzkrise an den Märkten schwer getroffen – Nein, seitdem ihm ein Edelkorkenzieher, geführt von seiner erbosten Freundin Selma sein bestes Stück, seinen „Porsche“ massakriert hat, sitzt er schwer traumatisiert im Rollstuhl und in der Kurklinik „Waldesruh“. Dort befindet er sich in bester Gesellschaft. Viele Prominente mit mehr oder weniger großem "Schaden", sind in dieser Klinik untergebracht und hoffen in Gesprächsgruppen und beim italienischen Essen auf Heilung. Deserno hat viel Zeit und die nutzt er, um Rückschau auf sein bisheriges Leben zu halten. Abgesehen von seiner Kindheit in der Frauen-WG seiner auch heute noch politisch ziemlich links stehenden Mutter, deren Ansichten er in langen abendlichen Telefongesprächen fast stoisch erträgt, finden sich unzählige Erinnerungen an seinen Porsche und die verschiedensten „Garagen“, in die er eingefahren ist. Die Behandlung in der Klinik zieht sich wie Kaugummi und kostet ihn jeden Tag Unsummen, doch bevor es ihm langweilig werden kann, erscheint eine neue Patientin auf dem Plan. Die Ärmste hat einen riesigen Erfolg mit einem Buch über Hämorrhoiden zu verkraften, bzw. nicht verkraftet und ist darüber schwermütig geworden. Sehr bald schon kommen sich die beiden näher, doch dann überschlagen sich die Dinge als Selma und Daniels Mutter ihren Besuch in der Klinik ansagen, weil ein berühmter Autor aus seinem Goethe-Roman lesen wird…


    Ich hatte ein Interview mit dem Autor gesehen, das er gab, während er mit seinem Luxusauto durch die Straßen von Frankfurt kreuzte und bin neugierig auf sein Buch geworden. Kirchhoff hat als einer der ersten Autoren auf die Wirtschaftskrise reagiert und seine Handlung genau in diese Zeit gesetzt. Damit dürfte er einen der aktuellsten zeitkritischen Romane auf den Markt gebracht haben. Mit großer Sprachkraft aber auch teilweise derben Ausdrücken lässt der Autor den Leser in den Spiegel blicken. Er schont seine Helden nicht und deckt mitleidlos die Schwächen und Verlogenheiten unserer Gesellschaft auf. Die prominenten Patienten der Kurklinik weisen sehr starke Ähnlichkeiten mit lebenden Personen auf, was dem Ganzen einen bitterbösen Anstrich gibt. Mir hat das gut gefallen, doch ich denke, wer sich in „Waldesruh“ im Speisesaal oder der Gesprächsgruppe wieder erkennt, wird not amused sein.
    Viele der Szenen sind sehr gut ausgearbeitet und zeigen Liebe zum Detail, der elegante und leicht ironische Stil macht einfach nur Spaß und auch, wenn der Protagonist sich zeitweise in allzu vielen Rückblicken auf sein aktives Sexualleben verliert und sein dahin vegetierendes „Porschewrack“ bedauert, kommt keine Langeweile auf.
    9 von 10 Punkten.

  • Danke für die tolle Rezi.
    Buch rutscht nun von der Merk- auf die Wunschliste :wave

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von Eskalina


    Ich hatte ein Interview mit dem Autor gesehen, das er gab, während er mit seinem Luxusauto durch die Straßen von Frankfurt kreuzte und bin neugierig auf sein Buch geworden...


    Da haben wir das gleiche Interview gesehen :grin


    Danke für Deine Rezi, hört sich gut an!

  • Ich kann mich Eskalinas Rezi im Großen und Ganzen anschließen. So etwa 40 Seiten lang habe ich gebraucht, um in den Schreibstil und in das Leben im "Waldhaus" hinein zu kommen, aber danach ging das Lesen flott und mit viel Spaß.


    Da ich "Feuchtgebiete" nicht gelesen habe, kann ich keinen wirklichen Vergleich ziehen bzw. mir kein Urteil über die Anspielungen erlauben. Aber Spaß hat es schon gemacht, die Promis zu enttarnen :zwinker (mein Favorit als in Hessen Anssäsige Eule: Isch-Basta :lache).


    Fazit. Ein kurzweiliges, sehr zeitaktuelles Lesevergnügen, welches teilweise sehr unter die Gürtellinie geht (meiner Mutter würde ich es wohl nicht empfehlen :zwinker), aber eben gerade durch die Tagesaktualität sehr unterhaltsam ist.


    Ich gebe 8 von 10 Punkte.

  • Mich hat "Erinnerungen an meinen Porsche" auch sehr gut unterhalten; amüsant, stilistisch ansprechend, stellenweise sehr witzig und stark auf die ja nach wie vor aktuelle Finanzkrise eingehend.
    Dem männlichen Leser wird zwar durch die Ausgangssituation (mißhandelter "Porsche", was als Synonym für Daniels Gemächt zu verstehen ist) einiges abverlangt - bei der Schilderung des Verletzungshergangs sowie den Behandlungsmethoden des Professors zuckte ich schon etwas zusammen -, lesenswert ist es aber allemal, wegen der pseudolinken Mutter, der manierlichen Ex-Freundin und Verursacherin des Dilemmas, wegen den prominenten Mitpatienten in der noblen Kurklinik und vor allem wegen der Seitenhiebe auf den "Feuchtgebiete"-Bestseller im speziellen und auf den Literaturbetrieb im allgemeinen.


    Sprachlich schafft der Autor den Spagat zwischen unverblümten, mitunter derb wirkenden sexuellen Äußerungen einerseits und einigen nahezu poetischen, sehr wahr klingenden Sätzen andererseits und bleibt dabei immer klar verständlich und flüssig lesbar.


    Ein ansprechendes Buch mit leider etwas geringem Umfang, das durchaus neugierig macht auf die weiteren Romane von Kirchhoff.