Edition tréve
192 Seiten, 2002
Kurzbeschreibung:
Zu ihrem 80. Geburtstag setzte Elisabeth Alexander ihr literarisches Gesamtwerk fort – und mit ihrem neuen Roman zugleich all jenen Frauen ein Denkmal, die ein unverdientes Nischendasein am Rande einer noch immer männerzentrierten gesellschaftlichen Wirklichkeit führen. Dies demonstriert sie eindrucksvoll an Hannas minutiöser Rekapitulation und Analyse ihres eigenen Lebens. Aus assoziativen, grob chronologisch aufgebauten Versatzstücken entsteht ein authentisches Bild der Rolle der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft des 20.Jahrhunderts.
Die Protagonistin schält sich aus „sieben Häuten“ ihres Daseins, um am Ende zwar seelisch vollkommen entblößt dazustehen, aber auch befreit von erdrückenden Ballast ihrer Gedanken. Immer mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Vorstellungswelt und Wirklichkeit, fließen schließlich nahtlos ineinander, kreisen um Träume, Einsamkeit, Gefühle, Lust, Vertanes, Verpasstes, gern Gelebtes, Genossenes und nicht zuletzt um den Tod. Dabei stets im Blick: Hannas tiefe Sehnsucht nach Liebe und ihr abgrundtiefes, von einer distanzierten Mutter früh geschürtes Misstrauen, die beiden Leitmotive all ihren Handelns.
Der Roman beschreibt letztlich nicht nur das Leben der Hanna Winter, sondern das Leben eines jeden Menschen, der irgendwo am Rande der Bedeutungslosigkeit und Mittelmäßigkeit auf der Suche ist nach Erfüllung seines eigenen, kleinen persönlichen Glücks.
Über die Autorin:
Elisabeth Alexander wurde 1922 geboren, lebte seit 1950 bis zu ihrem Tod in Heidelberg.
In den 70zigern startete sie als Schriftstellerin. Auffällig waren ihre Performances wie z.B. Straßenlesungen. Ihr Werk wird von sozialkritischen Themen durchzogen. Sie war also ein „Störenfried“ im positiven Sinne.
Rezension:
Hanna Winter ist eine Figur, die ganz offensichtlich viel mit der Autorin gemeinsam hat, so auch einige Lebensdaten. Der Roman beginnt einigermaßen geradlinig und realistisch, um dann gegen Ende freie Assoziationen zuzulassen und die Handlung auf eine andere Ebene zu heben.
Mit den Sieben Häuten, die Hanna im Laufe des Lebens wechselt, sind die Rollen, die sie jeweils einnimmt, gemeint, Kindheit, Ehefrau, Mutter, Scheidung, schließlich alleinerziehende Mutter und eine Frau, die ihre Individualität sucht. Diese Stationen werden in sieben Kapiteln gezeigt.
Hanna wächst in den dreißiger und vierziger Jahren in Deutschland als eins von vielen Kindern in einer kinderreichen Familie auf. Unpathetisch schildert sie Kindheit mit einer Mutter, die sie nicht ganz versteht. Heirat und Kinder bekommen prophezeit die Mutter ihr, nicht mehr. Die Familie ist sehr katholisch.
Deswegen haben sie durchaus Schwierigkeiten mit Hitler und seinem Betverbot, und Hanna wurde nie ein BDM-Mädel.
Als die Mutter einen Ariernachweis erbringen soll, gibt es aufgrund ihres jüdischklingenden Mädchennamens und ihrem Aussehen zunächst Schwierigkeiten.
In diesem Rückblick sind auch spätere Erkenntnisse der Hauptperson schon eingebunden, trotzdem stimmt die Perspektive.
„Misstrauen schon als Kind“ heißt dieses erste Kapitel und das prägt Hanna, die die Heuchelei und Beschränkung ihrer Umgebung erkennt, für ihr Leben.
Die Kriegszeit vereinnahmt auch Hanna, die als Jugendliche in ein Reservelazaret bei Neckargemünd befohlen wird, um dort wichtige Büroarbeit zu leisten. Hanna ist froh, endlich von zu Hause wegzukommen. Mitten im Krieg lernt sie die Freiheit kennen.
Trotzdem heiratet sie früh, bekommt Kinder. Doch die Ehe hat keine Zukunft. Nach einigen Jahren trennen sie und Heinrich Winter sich, und Hanna muss sich als alleinerziehende Mutter durchsetzen.
Elisabeth Alexander bei diesem, ihrem letzten ganz großen Roman, einen eigenwilligen, individuellen Stil gewählt, der sowohl bemerkenswert genau ist, aber auch viele Freiheiten erlaubt und literarische Beschränkungen aufhebt.
Zeit ihres Lebens war die Autorin im Ausland, vor allen in den USA, mehr anerkannt als in Deutschland.
Vermutlich war sie immer zu unbequem, um ihr die literarische Bedeutung durch Preise und Ehrungen anzuerkennen.
Neuauflagen ihrer Bücher werden jetzt nach ihrem Tod villeicht willkommen sein. Welcher Verlag wird es wagen?
Es bleibt die große Hoffnung, dass sie von einem breiteren Publikum noch einmal neu entdeckt wird.