2003 erschien dieses schmale Buch, mit seinen knapp 100 großzügig bedruckten Seiten mehr eine Erzählung als ein Roman, als Jugendbuch im Schweizer Nagel & Kimche Verlag. Jugendliche Leserinnen und Leser werden die Geschichte von Bennie, der an seinem dreizehnten Geburtstag beschließt, erwachsen zu werden, durchaus genießen können, die Erzählung aber allein als Jugendbuch zu verstehen, hieße, ihr zu wenig Raum zu gewähren.
Abgesehen vom bloßen Datum scheint Bennie zunächst keinen Grund zu haben, so abrupt den schützenden Kokon der Kindheit hinter sich zu lassen und sich bewußt in Ben zu verwandeln. Bald aber zeichnen sich die einzelnen Antriebskräfte ab. Da sind Streben nach Selbständigkeit, nach Freiheit, dem Austesten der eigenen Belastbarkeit, die Lust auf neue Grenzen und die Lust auf Liebe. Bennies Sehnsucht gilt einer älteren Mitschülerin, die zum Inbegriff seiner Traumfrau wird.
Fluchtgedanken und Freiheitsstreben lebt er unmittelbar aus, er verläßt nachts heimlich sein Elternhaus und streift durch die Gegend, vor allem durch den angrenzenden Wald. Die Angst ist dabei immer gegenwärtig, verschwand doch vor gar nicht langer Zeit ein etwa gleichaltriger Junge aus der Umgebung spurlos. Zu den nächtlichen Ausflügen gesellen sich bald Versuche mit Alkohol, Bennie plündert die Kellerbar seines Vaters.
Mit dem herannahenden Winter werden die Ausflüge ins Freie ungemütlich, doch ein Zufall kommt ihm zuhilfe. Die Besitzerinnen eines alten Hauses am Waldrand sind gestorben, das Haus steht leer. Es wird zum Ziel Bennies, immer wichtiger wird es für ihn, das Haus zu erobern. Aber er ist nicht der einzige, der das Haus im Auge hat.
Mit Aufnahme eines eigenen Lebens im geheimen, entfernt Bennie sich aber auch von seinen Eltern. Aus der neuen Distanz nimmt er auf einmal Brüche in ihrer Beziehung wahr, die er vorher, als behütetes Kind, nicht gesehen hat. Der Versuch, mit einem Freund aus der Zeit, als Bennie sich noch wie ein Kind gefühlt hat, Kontakt aufzunehmen, scheitert infolge eines dummen Zufalls, durch den Bennie klar wird, daß er seine Traumfrau niemals wird erobern können. Der Weg zurück in die Kindheit ist nicht möglich, der Weg, den er sich ausgesucht hat, nicht gangbar. Am gleichen Tag noch kommt es zwischen seinen Eltern zum offenen Streit. Noch einmal reagiert Bennie wie ein Kind, er läuft mit dem doppelten Schrecken im Gepäck davon. Doch im alten Haus, in das sich flüchtet, wartet etwas, das den Höhepunkt der Krise bringt. Am Ende dieser langen Nacht aber ist das Kind Bennie tatsächlich zum erstenmal Ben, ein Junge, der erfahren hat, daß ‚erwachsen werden wollen’ Schwierigkeiten bringt, die man akzeptieren muß. Zugleich bergen sie neue Möglichkeiten. Die Welt jenseits der beschützen Kinderzimmerwände ist atemberaubend groß.
Erzählt wird das Ganze sehr schlicht, manchmal ein wenig zu schlicht. Vieles verbirgt sich in geradezu beiläufig hingetupften Beschreibungen eines familiären Abends vor dem Fernsehapparat, einer Fotosammlung, dem Zimmer des Schulfreunds. Freundliche Familiensitten entpuppen sich beim näheren Hinsehen als nahezu inhaltsleere Rituale, unter der Oberfläche lauern Verdruß, aber auch so mancher unerfüllte Traum. ‚Eigene Gesetze machen und sie wieder brechen’ ist ein Entschluß, den Bennie faßt, daß das unheilvolle Folgen nach sich ziehen kann, muß er selber entdecken.
So unaufdringlich, daß sie einer beim Lesen fast entgehen, sind verschiedene Parallelhandlungen eingebaut, an denen die Verhältnisse in Bennies Familie immer wieder gespiegelt und erklärt werden. Besonders gelungen ist die Atmosphäre, die die ganze Erzählung von Anfang an beherrscht. Der Schwebezustand, in dem die Hauptfigur sich befindet, in einer Art Limbus zwischen alter und neuer Realität, ein Wesen, halb Raupe, halb Schmetterling, ist höchst geschickt eingefangen und teilen sich einer beim Lesen fast umgehend mit. Die Spannung baut sich heimlich auf, wie hinter einer Nebelwand, die unversehens aufreißt. Doch auch dann folgt kein Donnern, der Schmerz bleibt in Ben. Sein leben hat sich verändert und ist doch sein Leben geblieben. Es ist weiterhin er, der sich seinen eigenen Weg bahnen muß.
Es ist die Beschreibung eines stillen Dramas über die letzten Monate einer Kindheit, leise und verhalten erzählt.
Ganz sicher nicht nur für Jugendliche.