Muriel Barbery - Die letzte Delikatesse

  • OT: Une gourmandise
    144 Seiten.


    Meine Rezi bezieht sich auf das französische Original. Das Erscheinungsdatum der deutschen Fassung ist für den 1. Mai festgesetzt, ich habe aber schon gestern Bücher in meiner Buchhandlung ausliegen sehen. Es ist übrigens eine Neuauflage, das Buch ist 2004 schon bei Fischer erschienen.


    Zum Inhalt:
    Der gefeierte Gastronomiekritiker Pierre Arthes liegt im Sterben und lässt sein Leben Revue passieren. Er erinnert sich an kleine Szenen aus seinem Leben, die wichtige Personen oder exquisite Gaumenfreuden enthalten, ja, oft ist beides verknüpft. Aber wir sehen ihn auch aus einer anderen Perspektive: die seiner Umgebung, Familie und Freunde. Es geht um den Geschmack des Lebens.


    Meine Meinung:
    Dieses kleine Büchlein hat mich Zeit seiner Lektüre in seinen Bann geschlagen. Man kann eigentlich nicht von einem Roman sprechen, sondern eher von verknüpften Miniaturen, die nach und nach ein Gesamtbild ergeben. Der größte aller Gastronomiekritiker war ein komplexer, durchaus auch schwieriger Mann und somit lassen manche in seinen letzten Stunden ihrem Hass freien Lauf (unsere Renée aus dem Igel hat hier ihren Kurzauftritt), andere aber entsinnen sich mit Bewunderung seiner Taten oder ihrer Liebe zu ihm usw. Jede Stimme ist anders.
    Arthes selbst verbindet die Erinnerung an Nahestehende mit kulinarischen Erlebnissen. Sein ganzes Leben war eher vom Schmecken und Geniessen anstatt vom Fühlen und Empfinden gezeichnet.


    Barbery schreibt in einer eindrucksvollen Sprache, die dem Leser ebenso sehr Genuss ist, wie die beschriebenen Mahlzeiten.
    Ich habe "Die letzte Delikatesse" sehr gerne gelesen. Leser des "Igels" werden erkennen, dass es sich um das gleiche Haus in beiden Romanen handelt. Es werden auch schon Muster aufgegriffen, die dann im Igel vertieft werden.
    Das Buch ist eine Ode an die Gastronomie, an das Genussleben, an diverse Gerüche und Geschmacke, aber auch an das Leben. Es ist eine Exkursion in das Leben eines Menschens, der auf perfekte Art und Weise Sensationen und Erinnerungen wieder gibt, der sein Leben reflektiert ohne ins kitschige abzugleiten.


    Dennoch: wo "Die Eleganz des Igels" ein "richtiges" Buch ist, bleibt dieses eher eine Ansammlung von Puzzleteilen, von Miniaturen.


    Wer eine aktionsreiche Handlung braucht, ist hier definitiv falsch. Genussmenschen aber können viel Freude an diesem perfekt formulierten Leckerbissen haben.
    Haltet inne und riecht an den Rosen!


    Übrigens finde ich die Gestaltung des Buches durchaus gelungen, es passt gut zu der Eleganz des Igels und der Preis ist für ein Buch dieses Umfangs angemessen (was ja nicht immer der Fall ist).


    Von mir gibt es 8,5 von 10 Punkten.

  • Ja, danke für die Rezi! :wave


    Werd mir das gleich mal notieren. Fand den Igel schon super schön geschrieben, wenn es in dem neuen Buch sogar Verknüpfungen gibt, um so besser!


    Haltet inne und riecht an den Rosen! klingt gerade genau richtig, um wieder Freude am Genuß zu bekommen!

  • Meine Rezension
    Bei diesem Büchlein handelt es sich um das Romandebut Muriel Barberys - das nun neu aufgelegt wurde - und wie es scheint, hat die Autorin das Haus und die Concierge später mit der Eleganz des Igels wieder aufleben lassen.


    Dabei ist dies – wie Cookiemonster bereits erwähnte – eigentlich kein durchgehender Roman, es ist eine Art Puzzle von Personen und Eindrücken, die zusammengesetzt die Geschichte des Gastronomiekritikers Pierre Arthes in seinen letzten Tagen ergeben.


    Die Idee, die hinter der Story steht, hat durchaus Witz und eigentlich bin ich ja ein Fan kulinarischer Geschichten – aber ich fürchte fast, Muriel Barbery und ich werden in diesem Leben keine Freunde mehr werden.


    Ich mochte ihren Stil ja schon bei der Eleganz des Igels nicht besonders und habe das Buch nicht komplett gelesen. Bei diesem Büchlein hat mich aber die Geschichte gereizt und ich wollte der Autorin noch eine Chance geben.


    Nett gemacht, nett erzählt – aber ich kann mich mit ihrem Schreibstil nicht anfreunden und war froh, dass das Buch nur ca. 150 Seiten hat.


    Wem die Eleganz des Igels gefallen hat, dürfte auch an diesem Buch seine Freude haben – wer sich aber so wie ich bereits dort schon nicht mit dem Schreibstil anfreunden konnte, wird auch hier nicht glücklich werden.


    Das Buch an und für sich ist sicher nicht schlecht geschrieben, nur mir lag es leider nicht. :-(

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Und hier kommt meine Rezension :-)


    Verlag: Dtv; ISBN: 978-3423137591
    156 Seiten; Mai 2009; broschierte Ausgabe


    Der Hunger treibt's rein


    In der heutigen schnelllebigen Welt nehmen sich viele Menschen immer weniger Zeit für ein entspanntes und genussvolles Essen. Hat man Hunger, so wird schnell irgendetwas in sich hineingestopft und das muss dann reichen.


    Für Pierre ist so etwas unvorstellbar. Er liegt im Sterben und lässt noch mal sein ganzes Leben Revue passieren. Unter Leben versteht er jedoch vordergründig sein kulinarisches Leben. So begibt er sich auf eine gedankliche Suche nach der besonderen und einzigartigen Delikatesse seines bisherigen Lebens. Beim Nachdenken kommt er natürlich ganz unweigerlich auf seine Familie zu sprechen. Seine familiäre Situation ist schon eine delikate Angelegenheit. Wichtiger als Beziehungen zu Menschen scheinen ihm schon immer Geschmäcker, Gerüche und der Genuss gewesen zu sein. Zeitweise wirkt seine Suche nahezu krank- bzw. zwanghaft. Selbst Liebe für seine Kinder konnte und kann er nicht aufbringen.


    "Die letzte Delikatesse" ist in der Erstausgabe bereits 2001 erschienen. Nach Muriel Barberys verdientem Erfolg mit "Die Eleganz des Igels" 2008 wurde nun auch dieses Buch erneut und mit passendem Cover aufgelegt. Teilweise trifft man dort sogar Figuren und Orte wieder, die man aus "Die Eleganz des Igels" bereits kennt oder dort später weiterverfolgen kann - je nachdem in welcher Reihenfolge man die Bücher liest. Letztendlich kann man mit beiden Büchern beginnen, wobei ich "Die letzte Delikatesse" als Zusatzlektüre lieber hinterher lesen würde.


    Muriel Barberys Schlagfertigkeit und Scharfsinnigkeit überzeugen in diesem Roman erneut und jede Seite macht hungrig auf mehr. Beim Lesen bekommt man ein Gefühl, als hätte man ein Dinner mit etlichen Gängen vor sich und einer ist köstlicher als der andere. Es gelingt der Autorin, Geschmäcker derart gekonnt zu beschreiben, dass man sie selbst beinahe auf der Zunge spüren kann. "Die letzte Delikatesse" ist definitiv eines der wenigen Bücher, das man auch als Gaumenfreude bezeichnen kann. Poetisch, bildhaft und sinnlich beschreibt Barbery die Gedanken von Pierre und man versinkt förmlich darin.


    Ein sprachlicher Genuss für literarische Gourmets!

  • Wie schon Barberys zweiter Roman "Die Eleganz des Igels" überzeugt auch ihr Erstlingswerk "Die letzte Delikatesse" vor allem durch den poetischen, wunderschönen Schreibstil. Im Gegensatz zum Igel hat man es hier zwar nicht wirklich mit einem Roman zu tun, dafür bekommt man allerdings ein wunderbares Büchlein über kulinarische Genüsse und das Schwelgen in ebendiesen. Mein einziger Kritikpunkt: der äußerst geringe Umfang (150 Seiten, ich war trotz einiger Unterbrechungen an einem Abend durch). Ansonsten allerdings ein wirklich nettes, ansprechendes Werk.

  • das ist ja toll, das es auch in der rue de Grenelle 7 spielt!


    Es steht auf meiner Wunschliste und wird hoffentlich demnächst auch von mir gelesen werden :D


    Ich seh den SUB schon wieder wachsen...


    @ Cookiemonster


    Hast du das echt im Original gelesen? Das war bestimmt nicht einfach, oder? Absolut bewundernswert :anbet :D

    "Leben, lesen - lesen, leben - was ist der Unterschied? (...) Eigentlich doch nur ein kleiner Buchstabe, oder?"


    Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher

  • ich muss gestehen, dass ich nach so vielen Lobeshymnen über Muriel Barbery doch etwas enttäuscht war. Irgendwie hatte ich mir von den Geschichten etwas mehr versprochen. Vor allem hatte sich ja die Spannung, was denn nun DAS Gericht wäre, so aufgebaut und wurde dann doch ziemlich enttäuscht.
    Ich hatte auch etwas Probleme, die Struktur des Buches zu verstehen. Bis ich jeweils wusste, um wen es eigentlich geht, war die kleine Geschichte von demjenigen schon wieder rum. Ich glaube, wenn ich früher dahinter gestiegen wäre, wer wann erzählt, hätte mir das Buch mehr Spaß gemacht.

  • Also das war mal wieder eines der Bücher, die ich im Frankreichurlaub gelesen habe, und ich habe mich wunderbar amüsiert und köstlich unterhalten.
    Muriel Barbery schafft es, gleichzeitig hochelegant und doch verständlich zu schreiben, sie scheut keine ausgefallenen oder älteren, nahezu schon ungbräuchlichen Worte und schon gar nicht scheut sie sich, an und für sich unflätige Szenen zu beschreiben. Ich sage nur "der Furz". Herrlich.
    Ich bewundere sie für ihre Fähigkeit, Geschmack und Geruch in die Sprache zu bringen und ich bewundere ihre Miniaturen, die gleichzeitig so viel über die aussagende Person und den beschriebenen Kritiker aussagen. Ausserdem finde ich es gut, dass der Kritiker von allen Seiten beleuchtet wird, von innen wie von aussen, gehasst, bewundert, gemocht, als Kind, als Erwachsener. Wie im wahren Leben.
    Wer leise Bücher über französische Befindlichkeiten mag, dem empfehle ich dieses Buch.
    Im Übrigen war auch ich nach der Lektüre auf der Suche nach dem ultimativen Geschmack und habe sie im Supermarkt schließlich gefunden, nur essen wollte ich die Dinger dann doch nicht.

  • Zur Einstimmung auf die "Eleganz des Igels" habe ich mir vorher noch dieses kleine Büchlein gegönnt.


    Mit der Hauptperson Pierre, selten ist mir ein derart unsympathischer Kerl begegnet, konnte ich mich nicht anfreunden, aber die Idee, kapitelweise abwechselnd auch die vielen anderen Personen zu Wort kommen zu lassen, macht die Geschichte trotz der wenigen Seiten richtig dicht.


    Zumindest habe ich vorher noch nie die Meinung einer Alabaster-Statue zu lesen bekommen... das war schon - interessant.


    Im übrigen dachte ich von Anfang an, dass Pierre auf der Suche nach der "letzten Delikatesse" zum Schluss bei der Muttermilch ankommen würde... der ersten Delikatesse des Lebens. Aber da habe ich mich getäuscht.


    Von mir gibt es 7 Punkte und muss gestehen, dass ich doch den ein oder anderen Satz 2x lesen musste, um ihn letztendlich wirklich zu verstehen.


    Kein Buch, das man lesen kann, wenn nebenbei der Fernseher läuft.


    Gruß vom killerbinchen :wave

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Nun lag das Buch knapp ein Jahr bei mir herum, bis ich es doch endlich, endlich gelesen habe.


    Ich muss mich Killerbinchen anschließen: Auch ich fand Piere überhaupt nicht sympathisch, habe keinerlei Mitleid mit ihm empfunden.


    Ich koche und esse gerne, bilde mir ein, auch genießen zu können. Aber die Assoziationen von Pierre hauen mich teilweise vom Hocker! Es ist immer noch nur eine Speise. Möglicherweise eine sehr gutschmeckende, aber es ist nur etwas zu essen! Vielleicht hat Paul recht und Pierre wäre besser Schriftsteller geworden. Aber dann hätte er sich mehr mit sich selbst auseinanderetzen müssen.


    Wie hier mehrmals schon erwähnt, kein Buch für nebenbei. Aber eines, das wirklich in Geschmäckern schwelgen lässt!

    "Leben, lesen - lesen, leben - was ist der Unterschied? (...) Eigentlich doch nur ein kleiner Buchstabe, oder?"


    Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher