Guten Tag,
ich heiße Ines und habe gerade meinen 40. Geburtstag gefeiert. Eigentlich hatte ich immer gedacht, Gerhard Schröder meint mich, wenn er von unserer Jugend spricht, doch seit letzten Samstag ist das anders. Ich war auf dem Sportplatz und wollte ein bisschen joggen. Ich hatte so an fünf bis zehn Runden gedacht, doch nach der ersten Runde hätte mich bereits Inge Meysel auf Absatzschuhen abgehängt und ich musste erkennen, dass ich nun doch allmählich auf Antifaltencreme und Sportverein zurück greifen muss, um weiterhin einen dynamischen Eindruck zu hinterlassen.
Brot und Miete verdiene ich mit dem Schreiben von Büchern, für Rotwein und Kleider muss ich ab und zu True Storys und Herz-Schmerz-Romane schreiben, doch das macht auch Spaß. Ich wohne (nach 15 Jahren Reihenhaus mit Vorgarten und Dackel) seit kurzem in einer Berufstätigen-WG und das allein bietet jede Menge Stoff.
Außerdem habe ich eine 18-jährige Tochter, die einmal Revolutionärin werden möchte. In ihrem Zimmer übt sie bereits, denn dort sieht es aus wie im Zentrum von Bagdad.
Ich interessiere mich für Geschichte, besonders für das ausgehende Mittelalter, für Philosophie (vorausgesetzt, ich begreife sie), natürlich für Literatur, Theater, Opern und Malerei. Ich höre sehr gern die Musik von Joe Jackson, Element of Crime und noch immer Frank Zappa, manchmal aber auch Beethoven und im Auto Maria Callas.
Seit meinem Geburtstag bin ich dabei, ein Fazit meines bisherigen Lebens zu ziehen und stelle fest, dass ich von allem zu viel habe.
Warum besitze ich zwei Regale voller Bücher, wenn doch eigentlich 30 für ein ganzes Leben ausreichen? Noch immer entdecke ich Neues bei Kleist, muss den Faust noch mindestens 10 mal lesen, bis ich ihn endlich richtig verstanden habe, kann mich nicht genug an der Wortwahl Thomas Manns berauschen und träume davon, einmal so zu schreiben wie Bodo Kirchhoff oder Jonathan Franzen.
In der letzten Zeit habe ich Bücher aber nur konsumiert. Jede Woche mindestens ein neues, dass ich nach spätestens zwei Wochen wieder vergessen habe. Welche Verschwendung!
Genauso geht es mir mit Musik, Kino, Theater, Reisen und ja, sogar mit Bekannten.
Ich glaube, die Zeit der Reduktion ist angebrochen.
Geht es jemandem ähnlich?
Jedenfalls freue ich mich darauf, mit euch in Kontakt zu kommen und grüße