Vor Jahren fing der Festa-Verlag mit der Veröffentlichung der Necroscope-Reihe an, wobei sie die Originalromane in zwei Hälften aufgeteilt haben. Heyne legt nun eine den Originalausgaben entsprechende Ausgabe vor, weswegen ich für diese Buch einen neuen Thread eröffne anstatt mich an den schon bestehenden Thread, der nur die erste Hälfte des hier vorgestellten Buchs behandelt, dranzuhängen.
Der Autor: Brian Lumley wurde 1937 in England geboren, wo er heute, nachdem er seine Kariere beim Militär beendet hat, wieder lebt. Er begann mit dem Schreiben von Kurzgeschichten im Stil von H.P. Lovecraft, den großen Durchbruch schaffte er allerdings erst mit seiner außergewöhnlichen Serie um den Totenhorcher Harry Keogh, welche jetzt bei Heyne in einer den englischen Originalromanen entsprechenden Ausgabe erscheinen.
Das Buch: Tief im Herzen der Sowjetunion, in einem abgelegenen alten Schloss, befindet sich eine der geheimsten Einrichtungen des Geheimdienstes: Eine Abteilung, die sich mit dem Übernatürlichen, dem Unerklärlichen befasst und wo alle möglichen paranormal begabten Agenten Dienst tun. Unter ihnen ist auch Boris Dragosani, welcher durch direkten Kontakt, vor allem mit deren "Innenleben", aus Toten auch das letzte Geheimnis "herauslesen" kann. Doch er verfolgt auch eigene Ziele: Als Junge stolperte er eher zufällig (?) über das Grab einer ungeheuer bösartigen Kreatur, die untot für alle Zeit, vor Jahrhunderten von ihren Feinden begraben wurde. Dragosani hat finstere Pläne mit der Macht des Ungeheuers, doch auch dieses verfolgt einen Plan, und Dragosani spielt darin eine wichtige Rolle.
Schon als Junge ist Harry Keogh anders als andere Kinder, doch er offenbart niemandem sein Geheimnis: Er kann mit Toten sprechen und die wiederum sind froh über ein wenig Abwechslung und Unterhaltung. All sein Wissen verdankt Harry diesem Kontakt, allerdings erfährt er so auch vom Mord an seiner Mutter, welchen er zu rächen beschließt.
Doch damit kreuzt er den Weg gefährlicher Mächte, und er erfährt von der Bedrohung, welche sich im Osten zusammenbraut....
Meine Rezension: Wie so oft - nicht umsonst haben wir dazu einen eigenen Thread - ist der Klappentext vollkommener Unsinn, jeder, welcher sich daraufhin dieses Buch kauft wird bitter enttäuscht werden, dabei ist dieser Roman durchaus sehr lesenswert und ungewöhnlich. Wer allerdings einen schnellen, grausigen Horror-Thriller erwartet wird mit diesem Werk nicht viel anfangen können. Es gibt zwar einige recht eklige und blutige Szenen - eine davon ganz am Anfang des Buches - diese bleiben jedoch die Ausnahme.
Der Leser verfolgt den Werdegang Harrys vom verträumten Schüler bis hin zum Erwachsenen, parallel dazu wird die Geschichte von Boris Dragosani erzählt und seiner Beziehung zum bösen Untoten Thibor Ferency, dem letzten eines uralten Vampir-Geschlechts. Dragosanis Geschichte nimmt in diesem Roman einen wesentlich größeren Platz ein als die Geschichte von Harry Keogh, welche, von der Entdeckung seiner Gabe einmal abgesehen, relativ unspektakulär verläuft. Erst ganz zum Schluss treffen die beiden Gegenspieler aufeinander, den größten Teil des Buches wissen sie nicht einmal, das der andere existiert.
Dieses Buch ist im Grunde kein einfacher Horror-Roman, vielmehr ist es eine Art Epos, in dessen Verlauf das Böse in Form eines zwar gefangenen und doch immer noch mächtigen Vampirs zu Tage tritt. Der Autor nimmt sich sehr viel Zeit seine Geschichte zu erzählen, eine Geschichte, die ohne viele Höhepunkte auskommt, eher interessant als spannend, letzteres zumindest nicht in dem Sinn, in dem man sonst von einem Horror-Roman spricht.
Ich habe knapp drei Tage für die fast 600 Seiten gebraucht, die Geschichte ließ mich einfach nicht mehr los. Und schon jetzt, ach was, schon während ich mich den letzten Seiten dieses Romans näherte, konnte ich das Erscheinen des nächsten Buches kaum abwarten, bedauerlicherweise dauert es noch etwas, bis dieses Buch erscheint.
Leider verwendet Lumley nicht genug Zeit, uns, den Lesern, Harrys Entwicklung plausibel zu machen, sein Werdegang vom etwas verträumten Schüler zum eiskalten, mit übersinnlichen und - menschlichen Fähigreiten ausgestatteten "Rächer" lässt sich kaum nachvollziehen, der Autor lässt hier zu viele Lücken, er behandelt seine Hauptfigur fast stiefmütterlich, so das uns Harry immer etwas fremd bleibt, ganz im Gegensatz zu Dragosani, dessen Handlungen immer logisch und nachvollziehbar sind. Das ist allerdings der einzige Negativpunkt, der mir zu diesem wunderbaren Fantasyroman einfällt - die Zeit flog an mir ebenso vorbei wie die Seiten dieses Buches, ich habe die Lektüre mehr als genossen.