Winkie – Clifford Chase

  • Berlin-Verlag 2006, 254 Seiten
    Aus dem Englischen von Marcus Ingendaay


    Handlung:
    Irgendwann reicht es jedem Teddybären, selbst dem gutmütigsten. Nachdem er nacheinander mit sechs Kindern heranwuchs und immer wieder die gleichen Spiele zu spielen hatte, aber die Kinder ihn dann mit einem Mal links liegen ließen und auf ein Regal setzten, nimmt Winkie sein Leben in die eigene Hand. Er springt aus dem Fenster und wandert durch die weiten Wälder Amerikas. Aber gerade als der kleine Stoffbär die Vorzüge eines freien Lebens entdeckt — die Ungebundenheit, die Selbstbestimmung, ja sogar die wahre Liebe —, wird er zum Opfer einer von Angst und Paranoia verrückt gewordenen Gesellschaft: Mitten in der Nacht umstellen ihn bis zu den Zähnen bewaffnete FBI-Agenten, er wird angeschossen und verhaftet. Das ganze Land verdammt Winkie als einen terroristischen Bombenattentäter, und die Staatsanwaltschaft erhebt zahlreiche Anklagen gegen ihn. Einzig seine besten Freunde, eine lesbische Atheistin aus Ägypten und ein stotternder Anwalt, können den Teddy jetzt noch retten. Mit seinem provokativen und raffinierten Roman entblößt Clifford Chase die blanke Absurdität unserer Zeit und fragt danach, was es heißt, in einer zunehmend barbarischen Welt Bär/Mensch zu sein.


    Über den Autor:
    Clifford Chase, geboren 1958 in Stamford, Connecticut, lebt heute in Brooklyn,New York. Winkie ist sein erster Roman. Chase besitzt einen Teddy, der ihm von seiner Mutter überlassen wurde, inzwischen mindestens achtzig Jahre alt ist und ziemlich zerlumpt.


    Rezension:
    Clifford Chase nutzt die Mittel der Parodie, um eine Stimmung in den USA in den Jahren nach den Geschehnissen vom 11.September 2001 zu zeigen, die von Chaos, Misstrauen, Paranoia und Ungerechtigkeiten geprägt war, in der der Einzelne an Rechten und Privatsphäre verlor.
    Heraus kam ein ungewöhnliches Buch, indem die Situation eines Einzelnen auf einen Teddybären namens Winky projektiert wird. Das Winky sich selbstständig macht und ein leben nach dem Erwachsenwerdens seiner früheren Besitzer führt, ist zwar ungewöhnlich, wird aber von den Menschen in diesem Roman nicht in Frage gestellt. Ein Bruch mit der Realität, der nicht als solcher wahrgenommen wird, und deshalb eigentlich nur die Individualität des einzelnen versinnbildlicht. Für die Menschen besitzt Winkie im Prinzip des Status eines Ausländers. Aufgrund seiner Nichtkonformität mit den üblichen Verhalten und durch sein anderssein muss Winkie viel durchmachen. Der Autor bringt sich, als ehemaliger Besitzer dieses Teddys, selbst ins Spiel, als Winkie sich unschuldig vor Gericht verantworten muss.


    Das Buch ist originell, spielt mit verschiedenen Stilen und Perspektiven, der Witz steht aber etwas im Gegensatz zur Tragik. Deshalb ist der Roman streckenweise mühsam zu lesen. Das der Autor aber einen ungewöhnlichen Ansatz wählt, hebt ihn ab von der Masse an neuen Autoren, denen jeder Mut und Bissigkeit fehlt.

  • Wieder ein Titel, auf den ich so nie und nimmer aufmerksam geworden wäre!
    Danke für diese Rezension Herr Palomar, ich glaube zwar nicht, dass ich es lesen werde, aber freue mich, dass ich jetzt etwas darüber weiß :grin



    jetzt schlauere Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson