Dem eigenen Leben auf der Spur von Felix Bernhard

  • Dem eigenen Leben auf der Spur von Felix Bernhard


    # Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
    # Verlag: Scherz Verlag, Frankfurt; Auflage: 4 (23. Februar 2007)
    # Sprache: Deutsch
    # ISBN-10: 3502150931
    # ISBN-13: 978-3502150930
    # Größe und/oder Gewicht: 22 x 13,6 x 1,8 cm



    Über den Autor:


    Felix Bernhard, geboren 1973, lebt in Frankfurt am Main und arbeitet dort bei einer großen Bank. Zuvor verbrachte er über drei Jahre in den USA und schloss dort sein Studium der Betriebswirtschaftslehre ab. 1993 erlitt der Autor einen schweren Motorradunfall und ist seither querschnittgelähmt. Bei intensiven Pilgerreisen findet er einen sportlichen Ausgleich zu langen Arbeitstagen und Muße zur tiefen Reflexion.



    Zum Buch:


    Wandern ist in. Erst recht seit Manuel Andrack und seinen Buch gewordenen Liebesschwüren an deutsche Mittelgebirgsrouten. Noch größerer Beliebtheit als Rennsteig und Co. erfreuen sich in den vergangenen Jahren jedoch Pilgerwanderungen auf dem Jakobsweg. Erst recht seit Hape Kerkelings Dauerrenner Ich bin dann mal weg. Meine Reise auf dem Jakobsweg. Doch schon vorher sind in immer kürzeren Abständen Dutzende von Büchern zu diesem Thema erschienen. Egal ob allein, in der Gruppe, mit dem Rad oder auf dem Esel unterwegs, spirituell veranlasst oder sportlich angetrieben: Die Buchpalette ist groß und war dennoch nicht vollständig.


    Jetzt also greift Felix Bernhard zur Feder und beschreibt seine persönlichen Erfahrungen auf der bekanntesten Pilgerroute Europas. Das Besondere: Der junge Banker bewältigt die südliche, rund 1200 Kilometer lange Variante von Sevilla nach Santiago de Compostela mit dem Rollstuhl; eine wahrhaft beachtliche Leistung, die der 32-jährige vollbringt, noch dazu, da er noch zwei weitere 700 und 550 Kilometer lange Touren vorab meisterte. Und mit ihnen steile Pässe, weite Ebenen in sengender Hitze und schlammige Pfade im strömenden Regen, einsame Momente und verzweifelte Situationen, wenn er mal wieder mit einem Platten oder nervigen Barrieren in Form unüberwindbarer Passagen konfrontiert wurde.


    Um Barrieren geht es ohnehin viel in diesem autobiografischen Buch -- auch um familiendynamische und soziale, die eine mobile Beeinträchtigung mit sich bringt. Diesbezüglich gewährt Bernhard dem Leser tiefe Einblicke in die -- auf anderer Ebene schwierige -- Zeit vor sowie nach dem schicksalhaften Motorradunfall, den er mit 20 Jahren erlebte. Und er berichtet davon, dass "es noch mal mehrere Jahre dauert, bis auch der Kopf im Rollstuhl sitzt". Doch zugleich versprüht er einen beeindruckenden Optimismus und eine vorbildhafte Willenskraft. Kurz: ein mutmachendes Buch, besonders für Menschen, die mit großen Widrigkeiten im Leben kämpfen müssen und/oder mit religiösen Gedanken etwas anfangen können. -- Christian Haas



    Meine Meinung:


    Sein Leben als Rollstuhlfahrer in den Griff zu bekommen ist für den 34-Jährigen eine große Willensanstrengung und Herausforderung. Allen Widerständen zum Trotz pilgerte er deshalb auf dem Jakobsweg und machte das Unmögliche möglich: 1.200 Kilometer allein und im Rollstuhl. „Ich bin aufgebrochen, um zu spüren, dass ich auf eigenen Füßen stehen kann“, sagt Felix Bernhard. Zum Training hat er sämtliche Berge im Taunus erklommen. Bernhard geht nicht den "Weg der Sterne", welcher parallel zur Milchstraße verläuft, von der französchen Grenze westwärts nach Santiago de Compostela, sondern wählt den Weg von Süden nach Norden, von Sevilla aus über Merida und Salamanca.


    Das Buch erzählt sehr eindrucksvoll von äußeren und inneren Kämpfen bis an die Grenzen physischer und psychischer Belastbarkeit. Felix Bernhard lässt uns teilhaben an den unendlichen Stunden auf den steilen, kaum überwindbaren Pässen in sengender Sonne.


    Auf den Schwung kommt es an, egal wie der Weg beschaffen ist. In einem Waldgelände schafft Felix Bernhard einen halben Meter pro Schwung, das raubt Kraft, aufhalten kann ihn aber nichts. Sechsmal ist ihm ein Reifen geplatzt. Der Weg - ein Härtetest auch für seine Hände. Ein Nerv war eingeklemmt, aufgeben kam für ihn aber nie in Frage.


    Beim Lesen des Buches hat man das Gefühl, man würde neben dem Protagonisten gehen. Man spürt die heiße Sonne der Extremadura, den Wind, der mit rotem Sand versetzt ist, man spürt jeden Stein und fühlt die genugtuende Freiheit. Man verzeifelt mit Felix, wenn die Blasen an den Händen oder ein geplatzter Reifen ein "Weiterrollen" quasi unmöglich machen. Man überlegt mit, wie man einen kleinen Bach oder die Treppen zum Nachtlager ohne fremde Hilfe überwinden kann. Man lernt interessante Leute kennen und fast laufen bei einem die Tränen - wie bei Felix - als er endlich in Santiago de Compostela ankommt.


    Seine bescheidene Selbstreflexion, seine so selbstverständliche Offenheit, mit der er über seinen Unfall, seine schwierigen Familienverhältnisse, seine Gefühle, Erlebnisse und Ängste spricht, halten dem Leser deutlich vor Augen: Was macht uns glücklich, was motiviert uns, was treibt uns an, was erwarten wir von uns selbst? Wer bin ich, was will ich? Wie gehe ich mit anderen um, was erwarte ich von anderen bzw. vom Leben, was fordere ich und was gebe ich? Bin ich offen für Kritik? Wann kann und muss ich Schwäche und Verletzlichkeit zulassen und vor allem auch zeigen, wann möchte und brauche ich Hilfe von anderen? Fragen, die es sich lohnt zu stellen und die mich sehr berührt haben.


    Das Buch hat nicht ganz die Leichtigkeit und den Esprit eines Hape Kerkeling. Vielleicht liegt es an dem erschwerenden Umstand, dass der Pilger im Rollstuhl sitzt. Dennoch ist das Buch ermutigend, munter, stellenweise fröhlich und hat eine allgemeingültige Botschaft: Jeder geht auf dem Jakobsweg den gleichen Weg. Die Pilgererfahrung ist unabhängig von der Fortbewegungsmethode, ob zu Fuß, dem Fahrrad, dem Pferd oder dem Rollstuhl. In Zeiten der Not ist stets ein Engel zur Stelle, der einem einen kleinen Schubs gibt. Die Kraft und Zuversicht, ein solch weit gestecktes Ziel zu erreichen, nimmt man mit in den Alltag und man weiß, dass alles noch so unmöglich Erscheinende machbar ist und ein noch so entfernter Traum Realität werden kann (Zitat Seite 208/209).


    Stärke wächst nicht aus körperlicher Kraft... vielmehr aus unbeugsamen Willen (Gandhi)


    Das Buch weckt zum einen die eigene Neugier auf eine Pilgerreise, zum anderen regt es zum Nachdenken an und macht Mut, persönliche Schicksalsschläge und Herausforderungen des Lebens anzunehmen und zu meistern. Felix zeigt, dass man mit eisernem Willen, Entschlossenheit, Glaube, Vertrauen und der Fähigkeit, Hilfe anzunehmen, über sich hinaus wachsen und alles schaffen kann. Nur wenige Bücher haben mich so berührt und mich mental gestärkt zurück gelassen.


    Unbedingt lesen!


    Hier geht es zur Homepage des Autors: ;-) http://www.felixbernhard.de/index.htm

  • Eigentlich dürfte ich Felix Bernhard gar nicht gut gesinnt sein, denn, wegen ihm wurde ich aus der Fernsehsendung „Pilgerlust“ am 25. April im SWR ausgeladen. Der Fischer Verlag in Frankfurt hat nun mal bessere Kontakte als der Sankt Ulrich Verlag in Augsburg.
    Aber das hat mich nicht gehindert das Buch von Felix zu lesen. Als Autor und Pilger (man könnte fast sagen „Berufspilger) kenne ich vieles von dem was Bernhard in seinem Buch schreibt. Ich habe selber gefühlt und am eigenen Körper erlebt, was den Pilger antreibt, was ihn bewegt, was ihn schmerzt und was ihm Erleichterung verschafft. Was ich natürlich nicht nachvollziehen kann, ist, welche Erfahrungen ein Behinderter im Rollstuhl machen muss, wenn er den Weg geht? Diese beharrliche Leistung ist sicherlich einmalig und sie verdient es, dass man dem Autor ein Ohr schenkt und liest was er darüber zu erzählen hat. Die Bereitwilligkeit die Veränderungen seines Innenlebens berührend zu schildern, ist bei Autoren eher selten zu finden. Das Buch hat nicht umsonst die 4. Auflage erreicht. Ich freue mich für Felix und ich wünsche ihm dass er weiterhin viel Erfolg hat in seinem (nicht einfachen) Leben.

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    "Die Totenbahre ist die Wiege des Himmels..." (Aus: Verschlungene Wege/wahre Geschichten von Pilgern und Gottsuchern. ISBN 978-3-86744-074-5)
    :grab

  • mein Vater hatte Anfang des Jahres im Rahmen einer Veranstaltung die Gelegenheit einen Vortrag von Felix Bernhard zu hören.


    Mir hat er ein signiertes Buch mitgebracht, und obwohl ich mit dem ganzen "Jakobsweg Hype" nicht wirklich was Anfangen kann habe ich das Buch in einem Tag verschlungen. Der Bericht über seine Reise und die speziellen Hindernisse für Ihn als Rollstuhlfahrer waren schon beeindruckend. Eine Leseempfehlung von mir :fingerhoch

    Halte dir jeden Tag dreißig Minuten für deine Sorgen frei - und in dieser Zeit mache ein Nickerchen.

  • Hallo,


    ein sehr beindruckendes und interessantes Buch.


    Die Herausforderungen, denen er sich gestellt hat, waren auf dieser wenig frequentierten Wegstrecke durch Zentralspanien natürlich höher. Bei der "Rennstrecke" (parallel zum Atlantik) wäre bei Bedarf mehr potentielle Hilfe verfügbar gewesen.


    Herausstechend war, dass der Autor auch dann noch sehr genau beschrieb, als ihm das nicht zum Vorteil gereichte.
    Er ging nicht über Fehler und Schwächen hinweg.


    Ich habe früher (vor 30 Jahren) ab und zu Ausflüge mit einem befreundeten Rollstuhlfahrer gemacht (ich als Fußgänger ebenfalls im Rollstuhl).
    Ich weiß daher ansatzweise, welche Hindernisse sich einem stellen können.
    Meine Muckis erreichten bald ihre Grenzen, von den Händen ganz zu schweigen.


    Ich könnte mir eine Reise dieser Größenordnung nicht vorstellen.
    Wenn man nicht ständig auf fremde Hilfe angewiesen sein möchte, muss man
    bei jeder Kleinigkeit vorausschauend planen.
    Allein ein einfacher Sandkasten (bzw. das Äqivalent im RL) ist mit dem Rollstuhl nicht ohne Hilfe zu durchqueren.


    LG