Mein Name ist Earl

  • Eher zufällig bin ich auf eine amerikanische Comedyserie gestoßen, die meiner Kenntnis nach nie im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde und deren Ausstrahlung auch nicht geplant ist: "Mein Name ist Earl". Ich habe mir inzwischen die ersten sechzehn Folgen der ersten Staffel angesehen (DVD im Verleih bzw. Verkauf). Die ist ziemlich lustig, finde ich.


    Earl Hickey (Jason Lee) ist ein kleiner Gauner, der zusammen mit seinem etwas minderbemittelten, aber herzigen kleinen Bruder Randy (großartig: Ethan Suplee) nie irgendwas ausgelassen hat. Eines Tages gewinnt Earl 100.000 Dollar mit einem Rubbellos, wird aber gleich anschließend von einem Auto überfahren. Im Krankenhaus gelangt er zu der Auffassung, mit "Karma" konfrontiert zu sein, das auf jede böse Tat eine Strafe folgen lässt - und umgekehrt. Er beschließt, sein Leben zu ändern, und wieder gutzumachen, was er bisher angestellt hat. Quasi als Belohnung dafür findet er gleich im Anschluss das Los wieder, was einerseits die Theorie stützt, und ihn andererseits dazu in die Lage versetzt, eine Liste mit knapp 300 Punkten abzuarbeiten. Auf dieser Liste hat er alles niedergeschrieben, was er so an Unsinn angestellt hat.


    Aber es ist nicht so leicht, wie er sich das vorgestellt hat. Da ist etwa diese Frau, die er auf einer Biker-Party kennengelernt hat und die sich am nächsten Morgen als nicht wieder loszuwerdende Romantikklette erwies. Kurzerhand täuschte Earl seinen eigenen Tod vor. Nicht weiter verwunderlich, dass die Frau jetzt völlig durchdreht, als Earl mit dem Satz "Ich war nicht tot, ich war nur genervt" wieder auftaucht, um sich zu entschuldigen. Um das Karma zu befriedigen, versucht Earl, ihr den richtigen Mann zu besorgen. Das scheint auch zu gelingen, bis dieser neue Mann ebenso genervt ist, wie das Earl mal war - und ebenfalls seinen Tod vortäuscht.


    Oder der Kumpel, dessen T-Shirt Earl bei einem Tankstellenüberfall trug - und der deswegen zwei Jahre in den Bau musste. Verblüffenderweise ist jener - ehemals sehr brutale - Kumpel überhaupt nicht böse, weil er im Knast zu Gott gefunden hat. Dafür ist dessen Mutter, eine kettenrauchende Omi, wirklich böse, weil sie zwei Jahre ohne ihren Versorger auskommen musste. Um das Karma zu beruhigen, beschließt Earl, gemeinsam mit dieser Mutter mit dem Rauchen aufzuhören. Hört sich einfacher an, als es ist.


    Oder dieser Golfer. Earl und Randy waren eher zufällig in einem Golfclub, als ein Spieler vom Platz kam und für ein "Hole-in-One" eine Runde nach der anderen spendierte. Fortan sorgten die beiden an jedem Samstag dafür, dass der Spieler jedes Loch mit einem Schlag bewältigte, und feierten regelmäßig mit. Als Earl dem Mann mehrere Kisten Bier - die vermeintlich geschnorrten Getränke - überreichen will, muss er feststellen, dass dessen Leben völlig im Eimer ist, weil er glaubte, Golfprofi werden zu können.


    Undsoweiter. Nicht alle Episoden sind originell, aber die meisten. Manchmal ist der Witz etwas brachial, in der Regel jedoch für amerikanische Verhältnisse sehr subtil, fast britisch. Die Besetzung der Serie ist großartig. Und, was ich als sehr angenehm empfand: Sie kommt ohne Lacher vom Band aus.


    Empfehlenswert!


    (Edit: Ich habe gerade entdeckt, dass RTL wohl im Sommer 2008 vier Folgen ausgestrahlt hat, die Serie aber wegen schlechter Quoten wieder einstellte. Schade.)

  • Die Geschichte (...) geht am breiten Publikumsgeschmack vorbei, erklärt RTL.
    Danach sollen auf dem Sendeplatz Wiederholungen der Sendung "Alles Atze" laufen.


    Wenn das nicht alles über RTL und seine Zuschauer sagt. :grin

  • Ich bin auch eher zufällig vor der Ausstrahlung der ersten Folge auf einen Hinweis darauf gestoßen und hab mir alle Folgen angesehen, die in Deutschland ausgestrahlt wurden. Ich fand die Serie einfach klasse!!!


    Aber wer am Freitag um 23 Uhr irgendwas auf RTL nach einer Comedy-Serie sucht, der muss schon hellseherische Fähigkeiten haben. Deshalb hat`s wohl auch kaum einer gesehen. Über den Publikumsgeschmack sagt das gar nichts aus, nur über den Wahnsinn der Programmplaner.

  • Zitat

    Über den Publikumsgeschmack sagt das gar nichts aus, nur über den Wahnsinn der Programmplaner.


    Nunwohl. Wenn die Wiederholungen (!) des Endschwachsinns "Alles Atze" mehr Zuschauer hatten/haben als die Erstausstrahlung von "Mein Name ist Earl", sind beide Rückschlüsse zulässig. ;-)


    Das ZDF hätte "Kriminaldauerdienst", eine der besten deutschen Produktionen der letzten Jahre (u.a. Grimme-Preis), auch fast nicht in die dritte Staffel geführt, weil die Quoten zu schlecht waren (die 3. Staffel kommt nach energischen Zuschauerprotesten nun doch im Jahr 2010 - wird gerade produziert). "Kabel eins" (der Sender gehört wie Sat.1 und Pro7 zur Prosieben-Gruppe) hat die wirklich erstklassige BBC-Serie "Life on Mars" nach der ersten Staffel (von zweien) eingestellt, und leider gibt es keine synchronisierte Fassung der zweiten Staffel auf DVD. "VOX" (RTL-Gruppe) hat damals "Six Feet Under" immerhin komplett gezeigt, die letzten beiden Staffeln aber zu einer Tages- bzw. Nachtzeit, zu der bestenfalls 0190-Leckmichfett-Zuschauer unterwegs waren. Undsoweiter. Sketchshows mit austauschbaren C-Comedians werden am laufenden Meter produziert und offenbar auch konsumiert, aber wenn etwas mal einen Tick intelligenter ist und deshalb all die Atzen überfordert, wandert es in die Rundablage. :bonk

  • Wobei das natürlich nicht ausschließlich ein deutsches Phänomen ist, schließlich werden auch in den USA dauernd Serien gnadenlos gekippt, wenn die Quoten nicht stimmen. Dennoch kann man sich drüben durchaus noch ein paar mehr Experimente erlauben - das deutsche Publikum ist da eher konservativ. Problematisch wird es hierzulande oft bei Serien mit Story Arc, denn die erfordern regelmäßiges Dranbleiben: LOST und DESPERATE HOUSEWIVES sind gute Beispiele dafür, im Prinzip auch sowas wie PRISON BREAK oder 24 - die moderne Art, Fernsehen zu machen, kommt in Deutschland einfach nicht an. Und macht man hier mal TV nach US-Art wie den von Tom erwähnten KDD, dann kollidiert man mit den Sehgewohnheiten des Publikums. Speziell für das ZDF ist das sehr gewagt, aber andererseits bedeutet deren Einsatz für das neue Konzept auch, dass man trotz schwacher Quoten eine dritte Staffel produziert.


    Weils so schön passt: Im heutigen SAT1-Film MÖRDER KENNEN KEINE GRENZEN wird, wie bei jedem deutschen "Movie of the Week" kräftig in die Vorbilderkiste gegriffen - und diesmal fischte man sich tatsächlich LIFE ON MARS heraus (UK-Original oder sogar das US-Remake?) und "adaptierte" das Format auf 90 Minuten, inklusive Rücksprung in die DDR des Jahres 1984. Noch Fragen? ;-)

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  • Ich schau "my name is Earl" auch unglaublich gern und bin mittlerweile bei der zweiten Staffel angelangt.
    Ich denke nicht, dass es nur an den deutschen Zuschauern liegt, die sowas nicht sehen wollen. Ich kenn genügend Leute, die z.b. "How I met your mother", "my name is Earl" usw. schauen. Allerdings eben immer vor allem im englischen Original.
    Ein Mal hab ich zufällig "how I met your mother" auf deutsch gesehen und fand es einfach nur schlimm. Die Synchronisation war total lieblos und das hat die tolle Serie kaputt gemacht. Diese Comedy-Serien leben nun mal vom Wortwitz und dieser kann meist nicht einfach in's Deutsche übersetzt werden... bzw. wird zum Teil einfach wortwörtlich übersetzt und macht dann keinen Sinn...


    Ich denke, das Konzept an sich würde auch in Deutschland funktionieren, aber vielleicht eher in einer Eigenproduktion mit selbst geschriebenen (Wort-) Witzen?!?

  • Hallo, Leilani.


    Manchmal werden Serienfolgen auch umgeschnitten, weil sich der Wort- oder Situationswitz einzelner Szenen nicht ins Deutsche übertragen lässt.


    Zitat

    Ich denke, das Konzept an sich würde auch in Deutschland funktionieren, aber vielleicht eher in einer Eigenproduktion mit selbst geschriebenen (Wort-) Witzen?!?


    Das ist schon soooooo oft versucht worden. Gerade hat Sat.1 mit einer deutschen Dr.-House-Kopie eine grandiose Bruchlandung hingelegt ("Dr. Molly & Karl") - die Serie wurde nach der achten von dreizehn bereits produzierten Folgen abgesetzt. Es gelingt deutschen Schauspielern, Produzenten, Regisseuren einfach nicht, rasante, witzige, intelligente und wenig ein bisschen provokante Serien herzustellen, von wenigen Ausnahmen wie "Stromberg", "Mein neuer Freund" und ähnlichen abgesehen, die zumeist Personality-Formate waren oder auf ausländischen Vorlagen fußten ("Stromberg" ist eigentlich eine sehr deutsche Serie). Das liegt aber auch am Produktionsprozess selbst. Manchmal gibt es wirklich pfiffige Bücher und geniale Ideen, aber eine ganze Armada von Programmredakteuren, Produzenten, Agenten und sonstigen Beratern schleift das initial gute Produkt bis zur Ausstrahlung so glatt, rund und flach, dass nur noch lahmer Brei auf der Röhre ankommt. In Amerika und vor allem in England traut man sich auch mal, etwas herzustellen, von dem man weiß, dass es anecken wird - bei Zuschauern und bei Werbepartner. In Deutschland versucht man, alle zu befriedigen und möglichst viele zu erreichen. Dabei kann nichts Gutes herauskommen. Tut es ja auch nicht.

  • Ich mochte zum Beispiel auch "Pastewka", eine Comedyserie, die soweit ich weiß, auch auf einer englischen Serie basiert. Also manchmal gelingt es sogar den Deutschen witzig zu sein :-)
    Aber du hast schon recht, wenn du sagst, dass die deutschen Sender sich einfach nicht mehr trauen, etwas Eigenes zu produzieren. Lieber übernimmt man die Serien 1:1, synchronisert sie schlecht und strahlt sie aus....
    oder man filmt eine x-beliebige Familie beim Kochen, streiten, Arbeit suchen und bringt das dann täglich als "Realitiy" tv...
    Da hab ich aber auch nicht viel Hoffnung, dass das in Zukunft noch besser wird. Wäre es nicht möglich, hier auch einfach direkt englisches/amerikanisches Fernsehen zu senden? :-)

  • Hallo, Leilani.


    Zitat

    Ich mochte zum Beispiel auch "Pastewka", eine Comedyserie, die soweit ich weiß, auch auf einer englischen Serie basiert. Also manchmal gelingt es sogar den Deutschen witzig zu sein


    Wie gesagt, bei Personality-Formaten. Pastewka hat sein eigenes Image "gespielt", und auch Ulmen hat bei "Mein neuer Freund" nichts anderes gemacht.


    Wenn man Interviews mit erfolgreichen Serienschauspielern sieht, hört man häufig die Frage, ob sie nicht genervt wären, weil man sie auf eine Rolle "festlegen" oder im Alltag sogar mit dem Namen des Serienhelden ansprechen würde. Als Antwort wird gebetsmühlenartig wiedergekäut, dass man ja auch am Theater zugange sei und sowieso ein total flexibler Typ, und, ja, ein bisschen nerven würde das schon. Deutsche Schauspieler scheinen eine Heidenangst davor zu haben, sich in Rollen zu begeben, mit denen ein Negativimage einhergeht. Außer Heinz Schubert, der in "Ein Herz und eine Seele" tatsächlich zum Küchentischfaschisten Alfred Tetzlaff wurde, fallen mir eigentlich keine ein. Genau das ist aber Voraussetzung für derlei. Hugh Laurie ist Dr. House. Das führte u.a. dazu, dass sich eine Mehrheit der Amerikaner bei Umfragen wünscht, von einem Arzt wie ihm oder am besten von ihm selbst behandelt zu werden. In Amerika gilt man als erfolgreicher Schauspieler, wenn man in einer Serie spielt, die über zig Staffeln läuft und mit der man identifiziert wird. Tim Allen (Hör mal, wer da hämmert), Ed O'Neil (Eine schrecklich nette Familie), Kevin James (The King of Queens) undsoweiter. Ohne diese Figuren, die der Zuschauer vom Schauspieler nicht mehr zu trennen in der Lage war, hätte all das nicht funktioniert. Schlag so etwas einem deutschen Schauspieler vor, und er zeigt dir einen Vogel. Zu so viel Selbstironie und "Festlegung" sind sie nicht bereit. Deshalb macht es auch keinen Sinn, solche Formate in Deutschland zu produzieren. Davon abgesehen gilt, was ich oben angemerkt habe: Nach dem bürorkratischen Weichspülgang durch die Instanzen bleibt von intelligenten oder witzigen Konzepten sowieso nichts mehr übrig.

  • "Mein Name ist Earl" habe ich auch nicht gesehen, hört sich aber gut an.


    Weil es gerade zur Diskussion passt, ein Auszug aus dem Interview von Nick Hornby mit David Simon, dem "Creator" von The Wire. (Meine Gebetsmühle :grin)


    David Simon: My standard for verisimilitude is simple and I came to it when I started to write prose narrative: fuck the average reader. I was always told to write for the average reader in my newspaper life. The average reader, as they meant it, was some suburban white subscriber with two-point-whatever kids and three-point-whatever cars and a dog and a cat and lawn furniture. He knows nothing and he needs everything explained to him right away, so that exposition becomes this incredible, story-killing burden. Fuck him. Fuck him to hell.


    Beginning with Homicide, the book, I decided to write for the people living the event, the people in that very world. I would reserve some of the exposition, assuming the reader/viewer knew more than he did, or could, with a sensible amount of effort, hang around long enough to figure it out. I also realized—and this was more important to me—that I would consider the book or film a failure if people in these worlds took in my story and felt that I did not get their existence, that I had not captured their world in any way that they would respect.


    Make no mistake—with journalism, this doesn’t mean I want the subjects to agree with every page. Sometimes the adversarial nature of what I am saying requires that I write what the subjects will not like, in terms of content. But in terms of dialogue, vernacular, description, tone—I want a homicide detective, or a drug slinger, or a longshoreman, or a politician anywhere in America to sit up and say, Whoa, that’s how my day is. That’s my goal.


    ....


    Which brings us back to Average Reader. Because the truth is you can’t write just for people living the event, if the market will not also follow. TV still being something of a mass medium, even with all the fractured cable universe now reducing audience size per channel. Well, here’s a secret that I learned with Homicide and have held to: if you write something that is so credible that the insider will stay with you, then the outsider will follow as well. Homicide, The Corner, The Wire, Generation Kill—these are travelogues of a kind, allowing Average Reader/Viewer to go where he otherwise would not. He loves being immersed in a new, confusing, and possibly dangerous world that he will never see. He likes not knowing every bit of vernacular or idiom. He likes being trusted to acquire information on his terms, to make connections, to take the journey with only his intelligence to guide him. Most smart people cannot watch most TV, because it has generally been a condescending medium, explaining everything immediately, offering no ambiguities, and using dialogue that simplifies and mitigates against the idiosyncratic ways in which people in different worlds actually communicate. It eventually requires that characters from different places talk the same way as the viewer. This, of course, sucks.


    There are two ways of traveling. One is with a tour guide, who takes you to the crap everyone sees. You take a snapshot and move on, experiencing nothing beyond a crude visual and the retention of a few facts. The other way to travel requires more time—hence the need for this kind of viewing to be a long-form series or miniseries, in this bad metaphor—but if you stay in one place, say, if you put up your bag and go down to the local pub or shebeen and you play the fool a bit and make some friends and open yourself up to a new place and new time and new people, soon you have a sense of another world entirely. We’re after this: Making television into that kind of travel, intellectually. Bringing those pieces of America that are obscured or ignored or otherwise segregated from the ordinary and effectively arguing their relevance and existence to ordinary Americans. Saying, in effect, This is part of the country you have made. This too is who we are and what we have built. Think again, motherfuckers.


    And the only difference between what we’re doing and a world traveler getting off the beaten path is that our viewers don’t really have to play the fool. They don’t even have to put their ass out of the sofa. They now have a sense of what is happening on a drug corner, or in a homicide unit, or inside a political campaign—and our content, if gently massaged to create drama, is nonetheless rooted in accurate reporting and experience.