Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-46768-6
Seiten: 398
Ausgabe: Taschenbuch
Preis: € 8,95
ET: 03.2009
Kurzbeschreibung von amazon
London, 1711
Arabella Fermor ist klug, attraktiv und auf der Suche nach einem reichen Ehemann. Dabei kann sie es sich nicht leisten, ihren untadeligen Ruf durch unachtsames Verhalten zu gefährden. Doch als sie den charmanten und gut aussehenden Baron Robert Petre trifft, wird sie unvorsichtig. Schon bald ist die Affäre der beiden Stadtgespräch in der feinen Gesellschaft Londons, die sich liebend gern den Mund zerreißt, während sie von einem Maskenball zum nächsten eilt. Doch die Liebe kann alles überstehen - fast alles ...
Meine Rezension
Der junge, ehrgeizige Alexander Pope geht mit großen Hoffnungen im Gepäck nach London. Er erhofft sich hier seinen großen Durchbruch als Dichter. Aber bis es soweit ist, führt ihn sein Freund Charles Jervas in Londons Gesellschaft ein, wo er unter anderem auf Arabella Fermor trifft, die schönste Frau der Saison und auf der Suche nach einem Ehemann. Dabei stolpert die junge Frau in eine Affäre mit Robert Petre, einem gut aussehenden, reichen Baron, der seine ganz eigenen Ziele verfolgt. Alexander Pope beobachtet und lernt. Er beobachtet wie es auf dem gesellschaftlichen Parkett zugeht, wie Männer und Frauen miteinander kokettieren, sich betrügen, sich verstellen und hinter einer Maske der Oberflächlichkeit leben. Und genau das macht er sich zu nutze, um endlich ein berühmter Dichter zu werden...
„Die Verführung der Arabella Fermor“ ist vom Verlag leider nicht optimal auf den Markt gebracht worden. Nicht nur das Cover ist absolut irre führend, sondern auch die Kurzbeschreibung des Buches weckt völlig falsche Erwartungen. Ich war gerade in der Stimmung, einen seichten, unterhaltsamen, wenig anspruchsvollen Roman zu lesen und habe aus diesen Gründen zu diesem Buch gegriffen. Ich war mehr als erstaunt, dass es mit Englands größtem Dichter, Alexander Pope, beginnt, hatte ich doch erwartet, sehr zügig auf besagte Arabella Fermor zu treffen. Aber bis es zu einem ersten Zusammentreffen zwischen ihr und dem Leser kommt, begleitet man erst Alexander Pope nach London und auch dort konzentriert sich die Handlung nicht auf die schönste Frau der Saison, sondern schwenkt von Popes eigenem Liebesleid und seinem Weg zum großen Dichter, über Robert Petres Machenschaften, zu Arabella Fermors Verführung. Dabei wird der Leser ständigen Szenen- und Perspektivenwechseln ausgesetzt, die durchaus Schwung in die Geschichte bringen. Allerdings habe ich mich oft gefragt, um was es eigentlich in dieser Geschichte geht, ob sich die Autorin vielleicht übernommen hat und zu viel auf einmal in ein einziges Buch quetschen wollte. So behandelt der Roman Alexander Pope, das gesellschaftliche Leben Londons, die Jagd der Frauen nach einer guten Partie, die Probleme und Nöte der Katholiken, passend dazu die Jakobiten und deren Verschwörungen. Erst am Ende schließt sich der Kreis, dann zwar plausibel und man versteht den Roman in seiner gesamten Tragweite. Alles ergibt einen Sinn und letztendlich ist der Roman eine große Leistung der Autorin, die sich eingehend mit Pope und seinen Werken auseinandergesetzt hat. Aber vielleicht hätte man das Ende des Romans als Prolog voran stellen sollen. Denn hätte ich von Anfang an gewusst, dass der Roman die mögliche Entstehungsgeschichte von Popes größtem Werk „The Rape of the Lock“ („Der Lockenraub“) beschreibt, hätte ich ganz anders an das Buch heran gehen können, hätte es unter anderen Voraussetzungen lesen und genießen können. Meiner Meinung nach ist der Roman in diesem Punkt äußerst unglücklich aufgebaut und spricht dadurch eine recht kleine und zudem vermutlich falsche Zielgruppe an. Einen klassischen Liebesroman darf man mit „Die Verführung der Arabella Fermor“ nicht erwarten. Es ist zwar ein Roman über Liebe und Verführung, wie es der Klappentext verspricht, aber auch ein wundervolles Gesellschaftsportrait und beschreibt Alexander Popes Weg zum Ruhm und was ihn inspiriert hat. Fast alle Figuren in diesem Roman - selbst Arabella Fermor und Robert Petre - sind historisch verbürgt und zum Teil große Persönlichkeiten der Kulturgeschichte, wie z.B. Jonathan Swift (Autor von „Gullivers Reisen“) oder Charles Jervas (offizieller Hofmaler). Erfreulicherweise hat sich Sophie Gee am Ende des Buches die Mühe gemacht, kurz zusammen zu fassen, was aus den historischen Persönlichkeiten geworden ist. Das hat den Roman wunderbar abgerundet.
Stilistisch und sprachlich war ich positiv überrascht. Das Buch liest sich ungemein flüssig und keineswegs so oberflächlich, wie ich erwartet hatte. Im Gegenteil, vor allem Alexander Popes Dialoge sind durchaus anspruchsvoll und lassen sich nicht schnell überfliegen. Wenn man den Sinn dahinter erkennen möchte, bedarf es schon ein wenig Aufmerksamkeit. Mich konnte die Sprache begeistern und ich fühlte mich dadurch gut in die Zeit um 1711 zurück versetzt. Allerdings muss ich einräumen, dass mir der Zugang zu dem Roman hin und wieder schwer gefallen ist, vor allem, weil ich eigentlich etwas ganz anderes erwartet hatte, eben auch sprachlich. Aber ich konnte mich daran erfreuen, dass „Die Verführung der Arabella Fermor“ doch um einiges tiefgründiger und anspruchsvoller ist, als es ein seichter Liebesroman gewesen wäre. Vor allem Pope auf seinen Wegen durch London zu begleiten und ihm „zuzuhören“, hat mich fasziniert. Und je weiter ich im Roman fort schritt, desto mehr konnte es mich packen und begeistern. Auf den letzten hundert Seiten war es gar nicht mehr möglich, das Buch zur Seite zu legen, nicht nur aus Spannung, sondern auch der großartigen Dialoge wegen.
Alexander Pope ist mir durch dieses Buch sehr viel näher gekommen, sogar ein richtiger Begriff geworden und ich denke, ich werde mich mal an eines seiner Werke wagen. Im Buch gibt es immer wieder kleine Auszüge aus seinen Gedichten und sie gingen mir teilweise tief unter die Haut. Ein faszinierender Mann, den Sophie Gee dem Leser präsentiert. Zwar haben auch die anderen Figuren durchaus ihre Reize, vor allem, da sie samt und sonders gelebt haben, aber keine konnte mich derart begeistern wie Pope. Mit Ausnahme von Martha Blount vielleicht, die seine treueste Freundin war; ein beeindruckendes Persönchen, der ich viele Sympathien entgegen bringen konnte. Zwar konnte ich nicht zu allen Charaktere richtige Beziehungen aufbauen, dazu waren es auch zu viele, die im Vordergrund standen, aber ich konnte ausreichend mitfiebern und mir ein deutliches Bild von ihnen machen. Manchen der Figuren fehlten ein wenig die Facetten. Da man sie meistens nur im öffentlichen, gesellschaftlichen Leben begleiten kann, ist es selten möglich, hinter ihre aufgesetzten Masken zu sehen. Allerdings kann der Leser in privaten Momenten zumindest einen kurzen Blick auf den wahren Charakter erhaschen. Für mich war das absolut ausreichend, da es die Glaubwürdigkeit des Romans unterstreicht und die Oberflächlichkeit der angesehenen Londoner Gesellschaft hervor hebt und damit ein wunderbares Gesellschaftsportrait zeichnet.
Meine Bewertung
8/10 Punkten