Was bleibt, 50 Nachrufe - David Ensikat

  • Was bleibt - 50 Nachrufe auf unbekannte Berliner


    50 Nachrufe. 50 Geschichten mitten aus dem Leben, komisch, rührend, spannend, skurril und immer einmalig.


    Über den Autor
    David Ensikat, geboren 1968 in Ostberlin, ist der Sohn des Theater- und Kabarettautors Peter Ensikat. Nach dem Abitur mußte er den 18monatigen Grundwehrdienst in der NVA ableisten, bevor er im Herbst 1989 ein einjähriges Kamera-Volontariat beim Fernsehen der DDR beginnen konnte. Er studierte dann in Berlin Publizistik und Geschichte und arbeitet heute als Redakteur beim »Tagesspiegel«.


    Meine Meinung
    Ein faszinierendes Projekt: angeregt durch Todesanzeigen haben verschiedene Autoren des Tagesspiegels die Geschichten dahinter ins Auge gefasst, das Leben ihnen bis dahin vollkommen Unbekannter erfragt, mit Hinterbliebenen gesprochen und Nachrufe verfasst.
    Herausgekommen ist eine anrührende Sammlung von Leben, von einsamen und geliebten, lebensfrohen und resignierten, abenteuerlichen und beschaulichen. Von Menschen, die nur wenig gemeinsam haben: gelebt zu haben. Und in Berlin gestorben zu sein.
    Die Nachrufe versuchen, das Wesentliche eines Lebens in Worte zu fassen, selbst wenn es das eines alkoholkranken Gescheiterten war, der seit Jahren seine Wohnung nicht mehr verlassen hat. Oder das einer alleinstehenden Buchhalterin, die ihren Lebensabend damit verbracht hat, Altardecken zu bügeln. Oder das eines Babys, das den plötzlichen Kindstod gestorben ist.
    Auch wenn einige Geschichten traurig stimmen und auch wenn erahnt wird, dass manch einer der Verstorbenen im Leben kein einfacher Zeitgenosse war, zeigen die Texte doch eine tiefe Menschenfreundlichkeit und auch Freude, dass diese Menschen gelebt haben. Eines jeden einziges Leben.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Was bleibt von einem Menschen, nachdem er verstorben ist? Dieser Frage widmet sich die Berliner Tageszeitung schon seit Jahren, indem sie Nachrufe veröffentlich, und zwar Nachrufe von Menschen wie Du und Ich, deren einziger roter Faden darin besteht, daß sie ihr Leben zumindest teilweise in Berlin verbracht haben.


    David Ensikat, einer der Autoren dieser Nachrufe, hat nun die besten ausgewählt und in dem vorliegenden Buch zusammengefaßt. Auch, wenn verschiedene Autoren und Journalisten an der Entstehung der Nachrufe, die über jeweils drei bis vier Seiten gehen, beteiligt waren, kommen die Texte alle “aus einem Guß” daher, flüssig geschrieben, auf den Punkt gebracht, auf das Wesentliche konzentriert.


    Und die Nachrufe haben es in sich. Von 50 Menschen, die man nie im Leben gesehen hat, erfährt man hier die Essenz dessen, was von ihrem Leben der Nachwelt in Erinnerung bleibt: Trauriges, lustiges, komisches, tragisches, skurriles, eben menschliches. Es sind häufig die leisen Geschichten, die mich am meisten berührt haben, etwa die von der krebskranken Sabine, die ihr Schicksal annimmt und den Rest vom Leben so gestaltet, wie sie es möchte. Oder Nele, grade mal 17 geworden, auch ein Krebsopfer, das sich ihrer Andersartigkeit durch Provokationen stellte. Menschen aus allen Schichten, allen Alters, Martha fragte sogar, ob der liebe Gott sie vergessen hätte, 108 ist sie geworden.


    Aber es gibt auch Geschichten von Distanz, Abstand, wenn jemand ging, von dem niemand so recht etwas wußte. Von Reinhold, immer als Roadie on Tour, den niemand vermißte, so daß er erst nach Tagen in seiner Wohnung gefunden wurde. Oder von Paul, dem Kind, das nie erwachsen wurde und in dessen Seele niemand so recht hineinschauen konnte, den Paul war behindert, er hatte Trisomie 21.


    Alltägliches, normales, aber auch Geschichten aus einer mir fremden Welt, vor allem, da auch viele Bürger der ehemaligen DDR porträtiert werden, deren Leben so anders war als das bei uns im Westen.


    Ein kleines, feines Buch, das man nur häppchenweise zu sich nehmen kann, um den Geschichten Zeit zum Nachklingen zu geben. Es hat mich eine Zeit begleitet.


    Eine schöne Zeit, irgendwie.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein