'Erzähl mir von den weißen Blüten' - Seiten 031 - 102


  • Oh weh! Es scheint wirklich so, als ob du mit dem Buch nichts anfangen kannst. Umso mehr weiß ich zu schätzen, dass du dir die Mühe machst, es zu lesen und deine Eindrücke zu posten, Bartimaeus! :knuddel1 Solltest du es früher oder später beiseite legen, hätte ich Verständnis, doch bis dahin werde ich deine Beiträge genau verfolgen und versuchen, so viel wie möglich daraus zu lernen.


    Im Folgenden möchte ich meine Sicht auf zwei der von dir angesprochenen Punkte darlegen, was allerdings für alle Mitleser gedacht ist und nicht nur speziell für dich. Da schon viele über diesen Teil der Geschichte hinaus gelesen haben, halte ich es für einen guten Zeitpunkt.


    Mir ist klar, dass du das Buch aufmerksam liest und keinerlei "Erklärungen" meinerseits bedarfst. Wenn die Geschichte dich nicht erreicht, liegt der Fehler nicht bei dir, sondern allein daran, dass das Buch es nicht schafft, meine Intentionen ausreichend zu transportieren. :wave

  • Zitat

    Original von harimau
    Mir ist klar, dass du das Buch aufmerksam liest und keinerlei "Erklärungen" meinerseits bedarfst. Wenn die Geschichte dich nicht erreicht, liegt der Fehler nicht bei dir, sondern allein daran, dass das Buch es nicht schafft, meine Intentionen ausreichend zu transportieren. :wave


    Ich würde ja behaupten, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt. Als Fehler würde ich es jedenfalls von keiner Seite bezeichnen.
    Menschen sind eben unterschiedlich - manchen gefällt ein Schreibstil, anderen nicht, manche interessiert der Inhalt und andere können damit gar nichts anfangen. Auch was die Detailliertheit angeht, gehen die Meinungen ja oft in vollkommen unterschiedliche Richtungen.
    Es gibt einfach kein Buch, das jedem gefällt. :gruebel

  • Zitat

    Original von bartimaeus
    Die beiden springen ins Bett, kaum dass sie sich kennengelernt haben, obwohl sie ja soooo gebrannte Kinder sind. Nun ja, es soll Liebe auf den ersten Blick sein, leider wird das nicht deutlich, da alles so nüchtern erzählt wird.


    Da dieser Punkt mehrfach angespochen wurde, möchte ich gern dazu Stellung nehmen. Für mich handelt es sich zwischen Paul und Xue Lian anfänglich keinesfalls um Liebe auf den ersten Blick, sondern um eine ziemlich brachiale sexuelle Anziehung, auch wenn Xue Lian dies zuerst (mangels Erfahrung) nicht für sich benennen kann.


    "Zum hundertsten Male fragte sie sich, was sie eigentlich von Paul wollte." (S. 52)


    "Plötzlich wusste sie, was sie von diesem Mann wollte. Seine blauen Augen berührten etwas lang Verschüttetes in ihr, einen Teil ihres Wesens, den außer Li Jun niemand je erreicht hatte; nur war diesmal nicht Liebe der Schlüssel." (S. 53). Ich meinte damit ihre Lust. Im Gegensatz zu Li Jun wird sie bei Paul durch rein körperliches Begehren geweckt.


    "Ich möchte diese Nacht mit dir verbringen." ... "Deshalb bin ich hier." (S. 55)


    Meiner Meinung nach ist Xue Lian in Bezug auf Sex kein gebranntes Kind, sondern nur unerfahren. Sie hatte nach Li Jun bereits zwei Liebhaber, die sie zwar enttäuscht, aber nicht traumatisiert haben. Es kostet sie zwar Überwindung, Paul ihr Interesse zu signalisieren und sich in seine Arme fallen zu lassen, aber letztlich entspricht es für mich ihrem Charakter, dieses "Wagnis" einzugehen.


    Dass Paul ihrer sexuellen Anziehung leicht nachgibt, scheint mir wenig erstaunlich. Da seine "Schuld" Giulia gegenüber sein Herz vernagelt, hat er gelernt, Nähe zu Frauen vor allem über Sex herzustellen, was im Verlauf des Buchs häufiger zu Tage tritt. Ob es ihm hilft, sei dahingestellt...


    Die Verliebtheit und später Liebe der beiden entwickelt sich für mich erst nach dieser ersten Nacht.


    Das soll jetzt von euch bitte nicht als "So ist es" verstanden werden. Es ist meine Sicht, doch sobald das Buch meine Hände verlassen hatte, war sie nur noch eine von vielen möglichen. Jeder Leser darf und soll seine eigenen Empfindungen und Deutungen dazu haben. :-)

  • Zitat

    Original von bartimaeus
    Sie erzählt ihre Geschichte gefasst. Wieder sehr nüchtern. Da sterben Vater, Liebhaber, Mutter, Oma, hat sie selbst Ängste - nur mich rührt das überhaupt nicht. Fast gleichgültig wird erzählt. - Wobei ich auch noch den Wechsel zwischen kurzgefasster Erzählung und Gespräch ein wenig unglücklich finde. Wenn es nur Gespräch gewesen wäre, und man ihre Reaktionen hätte, würde es näher gehen.
    So weiß ich jetzt, was Julie passiert ist, und dass das sie beeinflusst, die Informationen sind angekommen - die Emotionen dazu nicht.


    Den Wechsel zwischen Erzählung und Gespräch habe ich gewählt, um einen überlangen Monolog zu vermeiden und andererseits doch die persönliche Eingebundenheit Xue Lians zu verdeutlichen. Sollte dies wie bei Barti dazu führen, dass es gleichgültig und nicht anrührend wahrgenommen wird, ist es mir misslungen. :-(
    Xue Lians gefasste Haltung wiederum habe ich bewusst herausgestellt, um ihren Umgang mit der Vergangenheit zu verdeutlichen - als Gegensatz zu Pauls Unfähigkeit, mit dem Verlust von Giulia abzuschließen und sich der Gegenwart zu öffnen.

  • Auf jeden Fall ist Xue Lian dadurch sehr glaubhaft und man nimmt ihr ab, dass sie mit der Vergangenheit für sich abgeschlossen hat und für etwas Neues bereit ist. Wäre es zu emotional gewesen, dann hätte diese Abgrenzung zu Pauls Vergangenheit, der sich ja noch immer stark an sie klammert, nicht gewirkt. Ich denke, das muss so sein. Man fühlt zwar mit Xue Lian mit, ist aber nicht wirklich berührt von ihren Schilderungen. Das ist schon gut so.

  • Mir ist die asiatische Mentalität in der letzten Zeit durch meine liebe Bekannte Fon soweit nahe gebracht worden, dass ich Xue Lian sehr gut verstehen kann. Sie ist ein herzlicher und warmherziger Mensch aber sie ist auch voll und ganz Kind ihres Landes und ihrer Erziehung und das geht einher mit wirklicher Selbstbeherrschung. Tränenreiche Erzählungen hätten hier nicht gepasst. Die etwas sachliche Schilderung passt einfach. Genau so ist Xue Lian.

  • Zitat

    Original von harimau


    Da dieser Punkt mehrfach angespochen wurde, möchte ich gern dazu Stellung nehmen. Für mich handelt es sich zwischen Paul und Xue Lian anfänglich keinesfalls um Liebe auf den ersten Blick, sondern um eine ziemlich brachiale sexuelle Anziehung, auch wenn Xue Lian dies zuerst (mangels Erfahrung) nicht für sich benennen kann.


    Ich glaube, dass hat auch jeder hier so aufgefasst. Was bei mir beim Lesen nicht so ganz rüberkam war der Moment, in dem aus körperlicher Anziehung wirkliche Liebe wurde. Vielleicht lag das an Paul. Ich glaube, er hätte am Strand deutlichere Worte finden müssen bzw. hätten wir hier als Leser gerne einen längeren Blick hinter die Tür seiner Seele werfen wollen.

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Mir ist die asiatische Mentalität in der letzten Zeit durch meine liebe Bekannte Fon soweit nahe gebracht worden, dass ich Xue Lian sehr gut verstehen kann. Sie ist ein herzlicher und warmherziger Mensch aber sie ist auch voll und ganz Kind ihres Landes und ihrer Erziehung und das geht einher mit wirklicher Selbstbeherrschung. Tränenreiche Erzählungen hätten hier nicht gepasst. Die etwas sachliche Schilderung passt einfach. Genau so ist Xue Lian.



    :sehrverdaechtig Besitzt du möglichweise bisher verheimlichtes Hintergrundwissen, Bouquineur? ;-)

  • Zitat

    Original von Bouquineur


    Was bei mir beim Lesen nicht so ganz rüberkam war der Moment, in dem aus körperlicher Anziehung wirkliche Liebe wurde. Vielleicht lag das an Paul. Ich glaube, er hätte am Strand deutlichere Worte finden müssen bzw. hätten wir hier als Leser gerne einen längeren Blick hinter die Tür seiner Seele werfen wollen.


    Danke für deine Einschätzung, Bouquineur. Da auch schon andere diesen Punkt angesprochen haben, muss ich mich fragen, ob ich an dieser Stelle nicht ausreichend entwickelt habe. :gruebel


    Vielen Dank, ich werde mir Gedanken darüber machen. :wave

  • Danke für die Erklärungen, harimau.


    Zitat

    Original von harimau
    Den Wechsel zwischen Erzählung und Gespräch habe ich gewählt, um einen überlangen Monolog zu vermeiden und andererseits doch die persönliche Eingebundenheit Xue Lians zu verdeutlichen. Sollte dies wie bei Barti dazu führen, dass es gleichgültig und nicht anrührend wahrgenommen wird, ist es mir misslungen. :-(


    Ich fand die Gesprächsstücke ja gar nicht so schlecht, es war nur schade, dass gerade die Todesfälle (bis auf den Li Juns) so beiläufig in dem erzählten Abriss über ihr Schicksal vorkamen. Dadurch, dass diese Erzählung sehr distanziert berichtend wirkte, fehlte mir da die Bindung. Ich hab keine Tränenausbrüche erwartet, das würde nicht zu Julie passen, aber irgendetwas und sei es, dass ihre Gefasstheit verdeutlicht wird.


    Zitat

    Original von Daniliesing
    Wäre es zu emotional gewesen, dann hätte diese Abgrenzung zu Pauls Vergangenheit, der sich ja noch immer stark an sie klammert


    Die fehlte mir in dem letzten Abschnitt, wahrscheinlich, da man vor allem Julies Sicht kannte. Ich bin mit dem darauffolgenden Abschnitt besser klargekommen, da Paul stärker beleuchtet und detailreicher erzählt wurde - näheres dort...


    Zitat

    Original von Bouquineur
    Ich glaube, dass hat auch jeder hier so aufgefasst. Was bei mir beim Lesen nicht so ganz rüberkam war der Moment, in dem aus körperlicher Anziehung wirkliche Liebe wurde.


    Ja, das meinte ich. Aber dieses plötzliche Verlangen beiderseits, dass so schnell in Liebe umschlägt - ich weiß nicht, da hätte ich bei einem von Giulias Tod immer noch beeinflussten Paul doch eine andere Reaktion erwartet.


    :wave barti

  • Zitat

    Original von bartimaeus


    Ja, das meinte ich. Aber dieses plötzliche Verlangen beiderseits, dass so schnell in Liebe umschlägt - ich weiß nicht, da hätte ich bei einem von Giulias Tod immer noch beeinflussten Paul doch eine andere Reaktion erwartet.


    :wave barti


    Hmmm. Man könnte es aber auch so sehen: Paul WILL sich verlieben, da er hier erstmals in beinahe zwanzig Jahren die Chance wittert, wieder zu einem "normalen" Leben zurückzukehren. Ich könnte mir vorstellen, dass einem Menschen wie ihm durchaus dieser Gedanke durch den Kopf schießt. Und wenn nicht bewusst, dann immerhin unbewusst.
    Was Bouquineurs Anmerkung anbelangt – ich habe damit schon beim ersten Testlesen keine Probleme gehabt. Liebe entsteht oft aus einer initialen körperlichen Anziehungskraft. (Die vielbesungene "Chemie".)

  • Zitat

    Original von Lystriana
    Also, wie gesagt, harimau: bei mir kam das anders an als bei Barti.


    Die Erzählweise in diesem Abschnitt war sehr distanziert und sachlich.
    Und ich fand genau das gut!
    Irgendwelche hochemotionalen Ausraster un Rührseligkeiten hätten mich da nur gestört.


    Für mich wurde Xue Lians Erzählung gerade durch diese Distanz besonders drastisch und berührend :gruebel


    Für mich auch. Ich hatte das Gefühl, dass Xue Lian in dieser Situation nur die Wahl zwischen Distanz und Tränen/Zorn hatte. Die Asiaten, die ich kenne, zeigen ihre Gefühle sehr ungern. Emotional wurde es für mich durch das Vertrauen, das sie Paul schenkte, ihn so sehr an ihrem Leben teilhaben ließ. Auch die Nennung und Erklärung ihres chinesischen Namens hatte etwas ganz Besonderes.


    Zwischen Xue Lian und Paul hat es so offensichtlich geknistert, dass ich ein weiteres Herauszögern fast seltsam gefunden hätte. Xue Lian war ja selbst davon überrascht, wurde von ihren eigenen Gefühlen überrumpelt.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.


  • Finde ich super, dass du weiter mitpostest, Barti! Sagte ich wohl schon, aber ich möchte es noch einmal betonen. Mir liegt nämlich viel daran. :wave

  • Zitat

    Original von ottifanta
    Auch die Nennung (...) ihres chinesischen Namens hatte etwas ganz Besonderes.


    Freut mich, dass dieses Detail so bei dir angekommen ist. Für mich auch. :wave


  • Trotz des ganzen Gepichels :lache geniesse ich beim beim Lesen jetzt eine Tasse feinen grünen Tees!

    Liebe Grüsse von Sirrpa!
    SuB 207
    Splitterherz von Bettina Belitz

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Sirrpa ()

  • Ich brauche fast länger für die Threads zu den Abschnitten, als für die Abschnitte selber :lache Dadurch merke ich auch, dass ich gestern beim Lesen müder war, als ich dachte, einige Dinge hätte ich schon fast wieder vergessen...
    Mir gefällt das Buch bisher ganz gut. Richtig gestört hat mich bisher nichts und ich fand weder das schnelle Einlassen von Paul und Xue Lian aufeinander noch die Sexszene unpassend oder nicht gut beschrieben.
    Xue Lians Familiengeschichte fand ich interessant. Ich bin aber ganz froh, dass sie (im Moment noch?) nicht viel mehr Platz einnimmt. Das liegt jedoch wahrscheinlich daran, dass ich Asienwissenschaften mit Schwerpunkt auf China studiere und ich über die genannten Umstände und Ereignisse relativ gut informiert bin. Mir hat es gefallen, dass du eben größere geschichtliche Zusammenhänge aufnimmst und mit Xue Lians Geschichte verknüpfst, aber auch nicht zu detailiert wirst.


    Was mich unabhängig davon interessiert, ist etwas ganz anderes. Wir haben an der Uni immer gelernt, dass man, wenn man chinesische Namen in deutschsprachige Texte einbaut, den Vornamen immer zusammen schreibt, also hier zum Beispiel Lin Xuelian. Ich würde einfach gerne wissen, warum du das anders gemacht hast.

  • Zitat

    Original von Mona87
    Was mich unabhängig davon interessiert, ist etwas ganz anderes. Wir haben an der Uni immer gelernt, dass man, wenn man chinesische Namen in deutschsprachige Texte einbaut, den Vornamen immer zusammen schreibt, also hier zum Beispiel Lin Xuelian. Ich würde einfach gerne wissen, warum du das anders gemacht hast.


    Diese Regel war mir unbekannt. :gruebel Den allergrößten Teil meiner China oder Chinesen im Ausland behandelnden Bücher habe ich auf Englisch gelesen, wo es unterschiedlich gehandhabt wird. In Malaysia werden zweiteilige chinesische Vornamen grundsätzlich getrennt geschrieben, in Hongkong auch oft, oder gelegentlich mit Bindestrich verbunden. Da auch meine chinesische Freundin (aus Chengdu, Sichuan), die mir geholfen hat, den Namen zu finden, Xue Lian getrennt schrieb, glaubte ich in meiner Entscheidung frei zu sein und wählte die mir vertrautere Variante. Vielen Dank für deinen Hinweis! :wave