Schreibwettbewerb April 2009 - Thema: "Wasser"

  • Thema April 2009:


    "Wasser"


    Vom 01. bis 20. April 2009 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb April 2009 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym eingestellt.


    Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!

  • von claudiatoman


    Denkst du denn
    wir haben die Windmühlen
    ganz umsonst bekämpft?
    Hast du vergessen
    wie sich der Regen anfühlt
    unter bloßen Füßen?
    Erinnerst du dich
    wie die erste Kirsche schmeckte
    jeden Sommer von neuem?


    Wir werden älter
    und dieses herauswachsen aus Sachen
    macht dir Todesangst.
    Schließ die Augen
    und fühl dich zurück
    in deine Kinderschuhe.
    Du weißt doch
    dass sie immer zu eng waren
    und dich die Zehen drückten.


    Hör mir zu,
    es wird dir nie im Leben
    etwas wie angegossen passen.
    Immer weiter fort
    trägt uns das Zeitgefühl,
    die Windmühlen stehen vergessen
    und auf Kirschen
    warten wir nicht mehr sehnsuchtsvoll
    an jedem Junimond.


    Eines aber bleibt
    egal wie weit es uns
    von Kinderträumen fortzieht.
    Einmal im Jahr
    stell dich mit bloßen Füßen
    mitten in den Sommerregen
    bis das Wasser
    zwischen deinen großen Zehen
    auf die warme Erde tropft.


    Du weißt dann ganz bestimmt
    auch was ich meine.


    Du fühlst den Boden,
    Mensch, auf dem du stehst.

  • von Xania


    Schlecht gelaunt stellte Sandy einen Topf mit Öl auf den Herd. Es war noch vor elf Uhr, aber sie war schon hungrig. Der Arzt hatte ihr geraten mit diesem fettigen Zeug aufzuhören, aber was wusste dieser Trottel schon. Auf ein paar Kilo mehr oder weniger kam es bei ihr ja wohl wirklich nicht mehr an.


    Gerade wollte sie sich eine Zigarette gönnen, als es klingelte. Laut fluchte Sandy, unerwarteter Besuch war lästig.


    Roland, ihr Ex-Mann, stand an der Tür. Schüchtern und nervös wie immer stammelte er irgendeinen Schwachsinn. Gelangweilt winkte sie ihn ins Wohnzimmer und ließ sich ächzend auf ihrem abgewetzten Sofa nieder. Roland blieb zögernd stehen.


    “Was machst du hier? Was willst du?” fuhr Sandy ihn an.
    “Es geht nicht um mich. Sarahs Französischklasse fährt nach Paris. Ich wollte dich bitten, einen Teil der Kosten zu bezahlen. Allein kann ich mir das nicht leisten”, sagte Roland.
    Sandy winkte sofort ab. “Dann bleibt sie eben zu Hause. Fahre ich vielleicht in Urlaub, hä?”
    “Es würde sie wirklich freuen und ich finde sie hätte es auch verdient. Außerdem dachte ich, weil du ihr Kindergeld bekommst, könntest du vielleicht…”, erklärte Roland leise.
    “Ich kann gar nichts”, fiel ihm Sandy ins Wort. “Ich bekomme das Kindergeld, weil ich das Sorgerecht habe. Dass sie bei dir wohnt, geht mich einen alten Dreck an.”
    “Du weißt genau, dass du dich gar nicht um sie kümmerst ”, erwiderte Roland.
    “Wenigstens wird sie bei mir nicht verwöhnt.” Sandy lachte mit rauher Stimme.
    “Du bist gemein und egoistisch. Du könntest wenigstens einmal etwas für dein Kind tun. Du hast genug Geld, du bist…” Roland fehlten die Worte, wie immer.
    “Sobald ich abgekratzt bin, kann sie mein Geld haben. Was aber noch länger dauern wird, Unkraut vergeht bekanntlich nicht”. Sandy lachte über ihren eigenen Witz. Es war immer lustig, mit Roland zu streiten, der wehrte sich nicht. So ein Looser aber auch.


    Still verließ Roland die Wohnung. Verflucht, sie hätte ihm sagen sollen, er solle ihr Zigaretten holen. Damit hätte er sich wenigstens nützlich gemacht, dieser Jammerlappen.


    Ihr Hunger erinnerte sie wieder an den Öltopf. So schnell ihr Gewicht es erlaubte, hastete sie in die Küche. Das Öl brannte schon und hatte begonnen die Dunstabzugshaube zu schmelzen. In Panik nahm Sandy den brennenden Topf vom Herd, stellte ihn in den Waschbecken und drehte den Hahn voll auf.


    Roland, der unten gerade die Straße überquerte, konnte sich über die Wucht des Feuerballs nur wundern.

  • von ueberbuecher


    Sachte, ganz sachte öffnete er die schwere eisenbeschlagene Holztür. Ihr Widerstand war gewaltig. Hätte er den Druck verringert, wäre sie ohne zu zögern wieder zurück in ihre Ursprungsposition gefallen. Er vermied jedes noch so kleine Geräusch. Er erwartete niemanden, wollte aber dennoch auf jede Eventualität gefasst sein. Was, wenn man ihn trotz aller Vorsicht getäuscht hatte?
    Behände wie eine Schlange glitt er durch den engen Türschlitz und betrat das Refugium des großen Magiers.
    Dies war also Merlins Reich.
    Ein abgedunkeltes Gewölbe, einer Hexenküche nicht ungleich. Überall standen kupferne Töpfe und Schalen, seltsame Gegenstände angeordnet in betagten Regalen…
    Es ging das Gerücht, er habe nach langen entbehrungsreichen Jahren endlich das Elixier gefunden, welches die Weisheit aller Welten in sich vereinige. Die magischen Zirkel nannten es ehrfurchtsvoll das „Wasser des Lebens“.
    Der Sage nach würde die Einnahme des Trankes den Auserwählten auf eine Stufe mit Gott stellen. Er, Migrodur, würde der Glückliche sein.
    Sein geübter Blick hatte sich schnell auf das kleine, güldene Podest fixiert, welches mitten im Raum die Blicke eines jeden Ankömmlings auf sich ziehen musste.
    Kein Mensch war zu sehen. Seine Informanten hatten ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass Merlin von den dunklen Reihen an der Grenze festgesetzt worden war. Alle Räder hatten also perfekt ineinandergegriffen, sein Plan stand kurz vor der Vollendung. Ohne zu zögern näherte er sich dem Podest, auf dem in einer Einfassung eine Phiole mit einer eisblauen Substanz ruhte.
    Da war es. Es schien auf ihn zu warten. Ja, er hatte das Gefühl, der Inhalt dieses Röhrchens schien geradezu ihm entgegenzustreben.
    Er merkte gar nicht, wie ihm vor lauter Aufregung der Schweiß ausbrach.
    Mit zitternden, leicht verkrampften Finger griff er nach dem Trank. Er nahm ihn behutsam aus der Einfassung und betrachtete verzückt das kristalline Farbenspiel.
    Jetzt, dachte er. Jetzt werde ich Gott sein.
    Ohne weiteres Zögern setzte er das Glas an seine Lippen und leerte die Phiole bis auf den letzten Tropfen.
    Ein unbeschreiblicher Schmerz lähmte ihn. Ihm wurde abwechselnd schwarz und weiß vor Augen und er registrierte panisch, wie sich sein ganzer Körper verkrampfte.
    Das Glas fiel auf den Boden und zerbrach.
    Aus den Schatten des Gewölbes trat ein alter Mann.
    „Migrodur, der Unerfüllte…“ murmelte er wie abwesend. „So nennen sie Dich, weil Du zeitlebens nach Ruhm und Ehre gestrebt und doch immer nur Hohn und Spott geerbt hast. Wieder einmal hast Du Deinem Namen alle Ehre gemacht.“
    „Aber…das Glas…blau…wie der Himmel…“ Der Rest seiner Antwort ging in einem Ächzen unter. „Du hast die falsche Phiole gewählt, Dummkopf! Siehst Du dort auf der gegenüberliegenden Seite den kleinen Tisch? Dort an der Wand? Es wäre das schwarze Elixier gewesen. Ein simples Farbenspiel meinerseits. Blau für den Himmel, Schwarz für die Hölle, nicht wahr? Ich habe einfach die Farben vertauscht. Für einen Tölpel wie Dich war dieser Trick ja auch völlig ausreichend…“
    Er lachte leise.
    Merlin starrte teilnahmslos auf die sterbenden Augen des unglücklichen Magiers und verließ wortlos den Raum.

  • von Persephone


    Ich war endlich zurück. Langsam fuhr ich auf das Meer zu. Ich kam genau zur richtigen Zeit an. Die Sonne ging gerade unter. Ich stellte das Auto ab und lief den kleinen Hügel zum Strand hinab. Der warme Sand zwischen meinen Zehen erinnerte mich an meine Kindheit.
    Wie oft hatten wir hier Sandburgen gebaut. Uns gegenseitig mit dem Meerwasser bespritzt. Oder uns vorgestellt die Möwen würden mit uns sprechen. Ich spürte, wie mir die Tränen kamen. Wie ich das alles vermisst hatte. Doch dafür war ich nicht gekommen. So schwer es mir auch fiel. Ich hatte nichts mehr mit diesem alten, unbeschwerten Leben zu tun. Damals als ich gegangen war, hatte ich geglaubt, bald wieder zu kommen. Doch die Jahre vergingen und ich verdrängte den Wunsch, meine alte Heimat wiederzusehen. Die Erinnerung schmerzte zu sehr. Besonders an das Meer wollte ich mich nicht mehr erinnern. Seit jenem schrecklichen Abend, an dem sie dich aus dem Wasser zogen. So blass, wie du warst. Bei deiner Beerdigung war das ganze Dorf anwesend. Danach war nichts mehr wie vorher. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben, dass du nicht mehr da warst. Stundenlang saß ich in unseren Verstecken oder betrachtete dein Haus. Es wirkte so verlassen. Niemand konnte diese Lücke in meiner kleinen Seele füllen, die du hinterlassen hattest. Meine Eltern konnten sich das nicht mit ansehen, so sehr wie ich litt, sie wollten mir unbedingt eine glückliche Kindheit bieten, trotz allem. Deshalb musste ich umziehen. Weg von meinem Zuhause. Weg von dir. Weg von meinem geliebten Meer. Ich wollte wiederkommen, jedes Jahr aufs Neue wollte ich wieder zurück, aber ich konnte nicht.
    Das kalte Wasser an meinen Zehen ließ mich schaudern. Eine Zeit lang, hatte ich das Wasser gehasst. Wieso musste es mir unbedingt dich nehmen? Du warst doch viel zu jung für den Tod. Du hattest nie die Möglichkeit, etwas anderes zu sehen, als unser kleines Dorf oder das Meer. Dabei hattest du so viele Pläne. Du hast sie nie in die Tat umsetzen können.
    Die Dunkelheit riss mich aus meinen Gedanken.
    Nein, hier konnte ich nicht mehr bleiben. Hier, wo mich alles an deinen schrecklichen Tod erinnerte. Ich musste wieder in mein neues Leben zurück. In das Glück ohne Meer.
    Kurze Zeit später saß ich im Auto.
    Die Sonne war endgültig untergegangen.

  • von churchill


    Unendlichkeit scheint ausgegossen,
    mit Salz gewürzt die Luft der Meere.
    Die Weite wird zur engen Fessel,
    wenn wilde Wellen wütend wogen.


    Der Strom reißt stark und unaufhaltsam
    mein Ich aus sanftem Innehalten
    und spült schon seit Millionen Jahren
    Geröll der Zeiten in die Meere.


    Das helle Sprudeln klarer Bäche,
    die übers Feld, durch Wälder wandern,
    klingt schrill in lärmgewohnten Ohren,
    zerstört die Brücken fauler Hölzer.


    Ein Rinnsal dringt aus hartem Felsen,
    durchbricht den Stein, verschiebt den Standpunkt,
    vermehrt in Bächen sich und Strömen,
    im Meer der Masse preisgegeben.


    Aus Wolken fallen feine Fäden,
    vereinzelt trödeln trübe Tropfen,
    Die Erde saugt und säuft erstickend
    gewaltig gierige Gewitter.


    Wo Meer und Ströme, Bach und Quellen
    die Zeiten und die Welt bewegen,
    wo diese vor dem Regen zittern,
    den jene hoffnungsvoll ersehnen,


    vertrockne ich und will nicht trinken
    aus den mir vorbestimmten Brunnen,
    nur meine Lippen zart benetzen
    mit deinen ungeweinten Tränen.

  • von arter


    Irgendwo, in den endlosen Weiten der Sahara gibt es einen Ort, an dem merkwürdige Dinge geschehen. Diesen Ort nennen die Tuareg „Bilad al-Rap“ – „Land des Schreckens“. Fragt nicht, wie man dorthin gelangt. Schon manch wagemutiger Abenteurer hat seine Neugier mit dem Leben bezahlt. Seit Ewigkeiten ist niemand wieder gesehen worden, der sich dorthin auf den Weg machte. Niemand außer Harry Nosbusch.


    Harry war, als er aufbrach, ein drahtiger, blonder junger Mann, der vor Mut und Lebenskraft nur so strotzte. Zurück kam er als menschliches Wrack. Strähniges, langes weißes Haar fiel auf seine buckligen Schultern. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten, schleppte sich voran, indem er sich auf einen Knüppel stützte. Nur einige Wochen war er fort gewesen, und doch war sein Gesicht um Jahrzehnte gealtert. Ich hätte ihn gewiss nicht wieder erkannt, wäre da nicht dieses unverwechselbare strahlende Blau seiner Augen gewesen, das ich niemals zuvor und auch niemals danach bei einem anderen Menschen wieder gesehen habe.


    Ich fragte ihn, wie es gewesen sei, an jenem Ort, ohne mir anmerken zu lassen, wie sehr mich die Veränderung seines Äußeren schockierte. Er antwortete nicht, sondern blickte mich wortlos an. Sein Blick war wie ein Ozean, der mich verschlingen konnte, ohne dass von mir die geringste Spur zurück blieb.


    Er verzog er seinen Mund zu einem Grinsen, das man ohne jede Übertreibung als dämonisch bewerten konnte. Instinktiv presste ich die „Hand der Fatima“ an meine Brust, jenen Talisman, den ich eigentlich als originelles Mitbringsel für meine Tochter erworben hatte. Diese hölzerne Hand mit dem aufgemalten Auge konnte nach dem Glauben der Wüstenvölker vor dem „Bösen Blick“ schützen. In jenem Moment wusste ich keinen besseren Rat, als diesem Aberglauben zu folgen. Ich spürte den „Bösen Blick“ wie er aus Harrys Augen kam, mich durchdrang und großes Unheil über mich bringen wollte.


    „Und bekämpfet in Allahs Wegen, wer euch bekämpft. Doch übertretet nicht, indem ihr den Kampf beginnt. Denn siehe, Allah liebt nicht die Übertreter.“, zitierte Harry aus dem Koran scheinbar ohne jeden Bezug zu meiner Frage. Die Hand spendete mir den Mut, die Befremdung zu überwinden, die seine Äußerung in mir hervorrief.


    Was mit dem Projekt sei, fragte ich. Das gigantische Thermosolarprojekt mit den überdimensionalen Parabolspiegeln. Es bringt eine unerschöpfliche Energiequelle für die Welt, kann ganz nebenbei das Meerwasser entsalzen und aus der Wüste blühende Landschaften zaubern. Hatte er den Plan verwirklichen können, dort draußen, an jenem mysteriösem Ort Verbündete zu gewinnen, denen das Wasser in der Wüste ganz neue Perspektiven bieten würde. Was war aus dieser phantastische Idee geworden, für die er sein ganzes Leben gekämpft und gearbeitet hatte?


    „So sie jedoch ablassen, siehe, so ist Allah verzeihend und barmherzig.“, sagte er. Dann erhob er sich und humpelte von dannen. Der heiße Wüstenwind frischte etwas auf. Sand wirbelte im Kreis. Harry tauchte in eine Windhose ein und entschwand meinen Blicken. Die Kraft des Windes reichte nur für einen Moment. Als der Sand sich setzte, war Harry Nosbusch verschwunden.

  • von BunteWelt


    Franco musste auf den Dachboden,da er für seinen großen Bruder die Karl-May-Bücher holen sollte.Ali,so hieß sein großer Bruder,verstand die Bücher nicht,brauchte sie aber,um sie auf seinen Schreibtisch zu legen und wenn seine Freunde kamen,konnte er damit angeben.Oder er legte ein Buch in die Schultasche um es stolz dem Lehrer zu zeigen.Und der Lehrer war natürlich begeistert von Ali,da er schon eine solch schwierige Literatur las.Franco nannte das einfach nur Betrug.Ali betrog die Lehrer und erpresste Franco,dass er die Bücher holen sollte.
    Sonst gab es Schläge für Franco und niemand machte etwas dagegen,es war ihnen allen egal.
    Mitten im Raum stand eine Kiste,prall gefüllt mit Büchern.Franco seufzte und setzte sich neben sie.Karlmay,Karlmay,Karlmay,Karlmay - aber was war das?
    Ein in leder gebundes,kleines Buch.Es war bestimmt schon alt.Vorsichtig nahm es Franco aus der Kiste.Es war wirklich alt,sehr alt.Schüchtern sah er sich um und als er sich vergewisstert hatte,dass niemand im Raum war,schlug er das Buch auf.
    Seine Augen hefteten sich auf das Geschriebene:
    20. 09. ....
    Es war wahrscheinlich ein Tagebuch.Oben stand ein Datum,aber die Jahreszahl stand nicht dort.Nur vier Ewigkeitspunkte - so nannte Franco diese Pünktchen immer.Nun verwarf er seine Gedanken und las:
    Es war der schlimmste Tag meines Lebens.Warum mussten solche Katastrophen auch immer nur uns passieren?Immer nur uns.Und ich war erst 13,habe aber trotzdem die ganze Verantwortung übernommen.Mama ist ja tot...Und Papa hat es durch die großen Wellen einfach mitgerissen.Nun war ich der Einzigste,der noch vernünftig war.Oder hätte ich Oma Calpia die Verantwortung übernehmen lassen sollen?!Mit 98 Jahren im Rollstuhl kann man schlecht 7 Kinder aus einem überfluteten Haus holen.Also musste ich es machen:Ich nahm Mina,die Kleinste,auf den Rücken und schob Omas Rollstuhl durch die Wassermenge.Überall ertönten Schreie und ich wusste,ohne hinzuschauen,dass wieder ein Mann von den Fluten weggerissen wurde und die Frauen ihm nachschrien und Gott öffentlich und laut klagten.Ich wollte alle Kinder von meinen Eltern,also meine Geschwister,in Boote bringen und wegrudern.Doch ich wusste,dass es nicht gehen würde...Wie könnte ich auch Großmutter Calpia in ein Boot heben.Sie war im Rollstuhl und mir,obwohl ich sehr kräftig war,viel zuschwer.Doch ich hoffte auf einen Engel.Der Engel kam nicht.Großmutter wurde von den Fluten mitgerissen,meine anderen Geschwister ebenfalls.Ich und Mina retteten und auf ein Helferboot.Doch es fühlte sich so falsch an.Alle meine Geschwister starben und ich nicht.
    Das fand ich ungerecht.Also wird das mein letzter Eintrag sein.Danach werde ich mich umbringen.Mina lasse ich zurück.Sie ist erst ein Jahr alt und wird es nicht schaffen,doch dann ist es wenigstens gerecht...
    Franco wurde es ganz kalt und plötzlich fühlte er,wie ihn irgendetwas zog.Er sah um sich.Er war von Wasser umgeben.Der ganze Speicher war voll Wasser.Es zerrte und riss an ihm.Plötzlich erfasste ihn von unten ein eiskalter Sog.Er zog ihn runter.Franco versuchte sich die Nase zuzuhalten,doch es brachte nichts.Das eiskalte Wasser nahm ihm die Luft und zog weiter.Immer weiter runter.Es war,als würde ihn das Wasser,wie ein Feind tauchen wollen.Niemand half ihm.Und er tauchte nie wieder auf.Nie wieder.
    Auch hier hatte ein Engel wieder versagt...

  • von Mittens


    In düsteren, blauen Wassern,
    vergangener Zeiten Millionen Jahre alt,
    wo Ungetüme mit den Zähnen gierig klappern,
    da lebt’ ich schon versteckt in einem Spalt.


    Millionen Jahre zog ich meine Kreise,
    so mancher Nautilus der diente mir als Speise.
    Ich jagte durch devonische Gewässer,
    ja vor mir, da floh man besser.


    Gar spitze Zähne trägt mein Maul,
    mein Körper der ist stark gebaut.
    Am Tage bin ich etwas faul,
    die Nacht ist es, die mir vertraut.


    Als Urahn erster Landtierwesen,
    kann man in Büchern von mir lesen.
    Aus Quast’ und Floss’ bin ich gemacht,
    kennst Du den Namen, der mir vermacht?


    Doch kaum erschien der Mensch auf dieser Erde,
    sprach man mich tot und ausgestorben.
    Ein ‚Fossil’ ist was ich werde,
    durch die blinden Menschenhorden.


    Jedoch ausgestorben war ich nicht,
    nur entzog ich mich des Homo sapiens Sicht.
    Im 20. Jahrhundert verfing ich mich in einem Netz,
    seitdem werd’ ich als ‚Lebendes Fossil’ geschätzt.


    Nun wisse, in dunklen Wassertiefen lebt,
    was sich des Menschen Blick entzieht.
    Drum sag’ ich Dir im Ozean da schwebt,
    so manches scheue Urgetüm und flieht.


    So merke, Homo sapiens, eins ist klar:
    Nicht alles, was der Mensch nicht sieht,
    ist auch verschwunden immerdar.
    Denn in den tiefen, dunklen Wassern,


    da lebt und lebte stets der LATiMERiA.

  • von Sinela


    Gnadenlos schickte die Sonne ihre todbringenden Strahlen von einem wolkenlosen Himmel auf die Erde. Das Land lag bereits seit Wochen unter einer Hitzeglocke, kein Lüftchen regte sich. Die wenigen Blätter, die noch an den Bäumen hingen, waren gelb und zusammengeschrumpft. Die Gräser waren schon lange vertrocknet, nur dürre braune Stängel erinnerten daran, das hier einmal etwas gewachsen war. Tierkadaver lagen überall auf der rissigen Erde, Skelette mit oder ohne Fleisch an den Knochen. Der Fluss, der in früheren Zeiten Pflanzen und Tiere am Leben erhalten hatte, führte schon lange keinen Tropfen Wasser mehr.


    „Das kannst du nicht machen, Tom! Nicht die Zuchtschafe!“
    Verzweifelt schaute Alice ihren Mann an.
    „Nein, alles, aber das bitte nicht!“
    „Glaubst du, mir macht das Spaß? Aber schau dich doch um: Die Tiere haben nichts mehr zu fressen, die gesamte Vegetation ist vertrocknet. Der Fluss ist ausgetrocknet, die Tiere verdursten. Willst du das? Willst du, dass sie jämmerlich verrecken?“
    Tränen rannten Alice über das Gesicht.
    „Nein, aber die Dürre kann doch nicht ewig andauern, einmal muss es doch wieder regnen!“
    Aufseufzend antwortete Tom:
    „ Das haben wir vor einem Monat, vor zwei Monaten, vor einem halben Jahr – immer wieder haben wir uns das gesagt und weitergemacht. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, heißt es. Nun, ich habe keine Hoffnung mehr, diese Dürre wird noch viele Monate anhalten. Es war ein Fehler, in das Outback zu ziehen. Nicht wenige Leute in Sidney hatten mich gewarnt, aber ich wusste es ja besser – nein, unterbrich mich bitte nicht. Pack deine Sachen. Sobald das mit den Tieren erledigt ist, fahren wir zurück.“
    „Könnten wir nicht...“
    „Nein! Wir gehen!“
    Brüsk wandte er sich ab und ging zu den Ställen, in denen kurz darauf mehrere Schüsse in schneller Folge fielen.


    Wolken türmten sich am Himmel auf, wurden dunkler und größer, der erste Blitz schlug in einen Eukalyptusbaum ein und entfachte ein Feuer, welches rasch um sich griff. Es raste über das ausgetrocknete Land, erreichte die verlassene Farm und zerstörte die Häuser. Nichts als Asche blieb zurück, nichts erinnerte mehr an die Menschen, die vor vielen Jahren mit großen Hoffnungen hierher an den Fluss gekommen waren. Erste dicke Tropfen fielen, verdichteten sich zu einem Vorhang aus Wasser, welches von der Erde voller Dankbarkeit aufgesogen wurde. Nur wenige Tage später lugten die ersten zarten Grasspitzen aus dem Boden. Sie wuchsen rasch, denn die Asche war ein hervorragender Dünger. Kurze Zeit später bedeckte ein grüner Teppich das Land, kleine Bäume unterbrachen die Eintönigkeit, Tiere tranken am Fluss. Alles war wieder wie es sein sollte – bis zur nächsten großen Dürreperiode.

  • von Voland


    Mit kräftigen Schüben trieb der Junge das kleine Boot hinaus auf die See. Der alte Mann, der ihm gegenüber saß, betrachtete ihn ruhig und nachdenklich, und immer wieder schweifte sein Blick über das ruhige Wasser zum fernen Horizont. „Was wollen wir hier draußen, Großvater?“, fragte der Junge. „Wir wollen angeln. Nur noch ein Stückchen weiter, nur zu!“ Im Boot befand sich keine Angel. Zunächst schwieg der Junge, dann sprach er ihn darauf an. Sein Großvater lächelte nur, ohne den Blick von der See abzuwenden. „Wir wollen sie mit den Händen fangen, mein Kind.“


    Zweifelnd betrachtete er den alten Mann, der in der Bootecke kauerte, längst zu schwach, um selbst hinauszurudern. Er atmete schwer und unregelmäßig, oft rann Blut aus seiner Nase, welches er ohne Eile mit einem Ärmel abwischte, und trotz alledem lächelte er so sonderbar, als wäre das kalte, schimmernde Nass unter sich, die leichte Brise, die über sein spärliches Haar weht und die wärmende Sonne, als wäre all dies Alles und mehr noch, was sich ein Mensch nur wünschen konnte.


    Minuten verstrichen, da hob der alte Mann die Hand und bedeutete dem Jungen, das es gut sei. „Sieh nur, hier ist es voll von Fischen, ganze Schwärme tummeln sich unter uns“, und währenddessen strich er mit den Fingern beinahe zärtlich über das Wasser. Neugierig beugte sich der Junge über den Rand. Er sah nicht einen Fisch, nichts außer tiefblauem Wasser, welches seinem forschenden Blick nichts von seinen Geheimnissen preisgab. Wie so oft dachte er bei sich, dass sein Großvater, so wie alle Erwachsenen, vielleicht schärfere Augen hatte, mit denen man Dinge erschauen konnte, die den Kindern verborgen blieben.


    „Liebes Kind, schaffst du es von hier bis zum Ufer zu schwimmen?“
    Nicht wenig verwundert spähte dieser zum Ufer, das nurmehr ein schmaler Strich in der Ferne war. Ein guter Schwimmer war er zwar, nur bereitete ihm eine solche Frage Sorgen. „Aber willst du denn die Fische ganz alleine fangen?“ Großvater nickte bejahend. „Und wirst du rechtzeitig zum Mittagessen zurück sein?“ Der Alte schwieg. „Was wird Vater sagen?“, hakte der Junge nach. „Ich habe ihm von den Fischen erzählt, er wird es verstehen.“


    „Und - und Mutter?“ In den sonst so toten Augen des Alten erglomm ein seltener Glanz. „Vielleicht wird mir deine liebe Mutter böse sein“, antwortete er lächelnd. „Umso wichtiger ist es, das du rechtzeitig und unversehrt zurückkehrst. Beeile dich nur, dann ist es gut.“ Als er sah, das der Junge sich zum Abschied nähern wollte, hob und schüttelte er abwehrend die Hände, als wolle er ihn gleich einem starken Wind über das Wasser zurück in die Arme seiner Eltern treiben. Trotzdem drückte der Junge dem Großvater noch ängstlich die Hände, ehe er rasch, so wie er war, ins Wasser sprang.


    Unterwegs tauchte er mehrmals unter, und hielt nach Fischen Ausschau. Endlich, da das Ufer fast erreicht war, spähte er ein letztes mal zum Boot zurück. Es war seiner Sicht schon entschwunden, und alles was sich ihm als Bild noch bot, war der tröstliche Anblick einer ruhigen See.

  • von Bücherelfin


    FortWeiterRechtsLinksWegZurückUnter - Gehen (lautet die Überschrift, leider zickt sie in der Betreffzeile) LG Wolke


    Ich liege im Wasser, unbeweglich und ruhig, lasse mich treiben, den Blick auf den sich immer weiter entfernenden Strand gerichtet, die Sonne im Nacken.
    Tränen in den Augen. Was ich liebte, verschwimmt vor mir, meine Füße tasten nach der altvertrauten Sandbank - und treten ins Nichts.


    Ich bemerke zuerst gar nicht, wie ich leise mit Dir zu sprechen beginne, mein Liebster, während ich mich der angenehm kühlen Umarmung des Meeres weiter hingebe, in den fast schon absurd azurblauen Himmel aufblicke.
    Liebster, erinnerst Du Dich an die Zeiten, als wir uns die Worte gegenseitig von den Lippen küssten, sie geradezu in uns aufsaugten, um dem anderen so noch näher sein zu können, sie tranken wie ein Glas kühlen Wassers an einem schwül-heißen Sommertag?
    Erinnerst auch Du Dich noch an die Abende, wenn die Gespräche oft zusammen mit unserem Lachen wie Champagner aus unseren Mündern in die laue Sommernacht, hinauf in den tief dunkelblauen Himmel bis zu den Sternen perlten?
    Als wir uns mit unseren Worten gegenseitig kitzelten, mit unseren Mündern?
    Sag, erinnerst Du Dich, wie Du mich verzaubert hast, Liebster?


    Die Sprachlosigkeit schlich sich heimtückisch von der Seite in unser Leben ein.
    In mein Leben in erster Linie. Sprechen wurde zu einer fast körperlichen, nicht zu bewältigenden Anstrengung und nicht gesprochene Worte wurden von unsichtbaren Helfern zu Wänden aufgebaut. Ich wünschte… ja, ich wünschte, Du hättest das Wissen und die Größe besessen, Dich an meiner Stelle dem Dämon Depression zu stellen, ihn in die Flucht zu schlagen, zu besiegen, das Dunkel wieder zu Licht, die Stummheit wieder zu Worten, zu Beziehung zu machen.
    Aber auch Du wusstest nicht wie. Armer, liebevoller Zauberer, der Du bist.
    Mein Liebster.


    Während Du mir sagtest, Du würdest mich nicht mehr lieben, hieltest Du mich im Arm wie ein schutzloses Kind, trocknetest meine Tränen, wiegtest meinen dornigen Schmerz, ohne darauf zu achten, ob seine Stacheln auch Dich verletzen könnten.
    Du hast mich gehalten, bis ich vor Fassungslosigkeit und Erschöpfung nicht mehr weinen konnte und müde in den See aus Tränen in Deinem Schoß fiel.



    Während Du gehst, mein Liebster, gehe ich unter.

  • von Bildersturm


    Entgegen der landläufigen Vorstellung werfen ungewöhnliche Ereignisse selten ihre Schatten voraus – und so begann auch dieser Morgen ganz und gar gewöhnlich. Als K. das Haus verließ, traf ihn ein einzelner Regentropfen auf die Wange, und gedankenlos wischte er augenblicklich die unwillkommene Nässe aus dem Gesicht. Dann stieg er ins Auto und fuhr ins Büro. Zwei Minuten vor Arbeitsbeginn saß K. am Schreibtisch und schlug die erste Akte auf. Mittags fiel sein Blick aus dem Fenster. Der Regen hatte eingesetzt.


    Pünktlich um fünf Uhr machte K. Feierabend. Auf dem Nachhauseweg schaufelte sein Scheibenwischer schweigend die herunterprasselnden Sturzbäche von der Frontscheibe, und Tausende auf der überfüllten Straße taten es ihm gleich. Die Blechlawine bewegte sich nur zögerlich. K. fuhr später als gewöhnlich in die Garage. Verärgert knallte er mit den Türen und lief, die Aktentasche schützend über den Kopf haltend, ins Haus. Seine Frau trug das Abendessen auf. Der Regen wurde stärker.


    In der Nacht schlief K. unruhig. Als er zum dritten Mal aufwachte, hatte er außerplanmäßig – es war erst Dienstag - Sex mit seiner Frau und war selbst überrascht über die angenehme Mattigkeit, die ihn danach überfiel. Arm in Arm lagen sie hinterher im Bett und lauschten dem Geräusch der Tropfen auf den Dachziegeln. Am nächsten Morgen bemerkte seine Tochter, dass im Keller knöchelhoch das Wasser stand. K. schaute nach draußen. Es regnete immer noch.


    An diesem Abend kam er fast drei Stunden später nach Hause, seinen Kollegen erging es nicht anders. Der Regen hatte Teile der Straße hinweggespült. Die Feuerwehr rückte so oft aus wie nie zuvor. Am dritten Tag kam das Technische Hilfswerk hinzu. Als der Fluss am vierten Tag über die Ufer trat, mussten die ersten Bewohner der Stadt evakuiert werden. In Scharen zogen sie in die Turnhallen der umliegenden Schulen ein, und langsam machte sich Besorgnis breit. Der Regen nahm kein Ende.


    Am fünften Tag rief die Regierung den Notstand aus, und K. ging nicht mehr zur Arbeit. Mittlerweile war der Keller bis zur Treppe vollgelaufen. K. schichtete Sandsäcke auf und hoffte auf Hilfe. Seine Frau ging zum Supermarkt und stand vor nahezu leeren Regalen. Am achten Tag sickerte das Wasser ins Wohnzimmer. Die Telefonleitungen brachen im ganzen Land zusammen. K. quartierte seine Familie im Obergeschoß ein. Von dort brachte sie am elften Tag ein Rettungsboot in Sicherheit. K. krabbelte als letzter durch das Dachlukenfenster und warf einen verzweifelten Blick gen Himmel. Regen. Natürlich.


    Nach zwanzig Tagen waren sie, wie alle anderen, a uf dem langen Marsch in höher gelegene Gebiete. Nach vierzig Tagen erkannten sie, dass auch die höchsten Berge Gipfel hatten. Das Wasser stieg weiter an. Mutlos erklommen sie den letzten Baum. K. nahm Frau und Tochter in die Arme, und bevor sich der feuchte Strudel um ihn schloss, warf er noch einen letzten Blick zurück. In der Ferne gewahrte er den Umriss eines großen Schiffs, und als er versank, hätte er schwören können, die Hälse zweier Giraffen zu erkennen, die neugierig über die Bordwand in seine Richtung schauten.


    Der Regen hatte aufgehört.