Fragen an Ruth Nestvold

  • Ruth, mich würde interessieren, warum Du auf Englisch schreibst und auf Deutsch veröffentlicht wirst. Kannst bzw. willst Du nicht auf Deutsch schreiben? Ich glaube, das Thema war schonmal irgendwo, ich finde es aber nicht wieder.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Hallo Ruth,


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Wirst du dich in Zukunft mehr auf Romane konzentrieren?


    Das ist auch die Frage, die mir unter den Nägeln brennt! Hast du schon neue Ideen, Dinge, die dich reizen würden, auch längere Texte zu schreiben?


    Lieben Gruß,
    Steena

  • Huhu,


    Ruth, kennst du die Gründe, warum in Amerika kein Interesse an deinem Roman besteht? Grundsätzlich finde ich, dass Fantasy (gerade von Amerikanern) in Amerika sehr häufig veröffentlicht wird und wir hier in Deutschland (wenn überhaupt) sehr lange auf die Übersetzungen warten müssen.


    Da ist es (entschuldige, falls das komisch klingt) doch sonderbar, dass dein Buch, was in Deutschland ja doch vielen gefällt, in Amerika nicht gewollt wird, wenn dort eigentlich Fantasy (ich sage das mal so lapidar) zuhauf veröffentlicht wird.

    "Show me a girl with her feet planted firmly on the ground and I'll show you a girl who can't put her pants on." (Annik Marchand)

  • Zitat

    Original von Caia
    Ruth, mich würde interessieren, warum Du auf Englisch schreibst und auf Deutsch veröffentlicht wirst. Kannst bzw. willst Du nicht auf Deutsch schreiben? Ich glaube, das Thema war schonmal irgendwo, ich finde es aber nicht wieder.


    Auf der Buchmesse in Leizpig hat Ruth es (in perfektem Deutsch) so erklärt, dass sie zwar schon lange in Deutschland lebt, sich im Deutschen aber nicht so sicher fühlt, dass sie ein komplettes Buch wie dieses auf Deutsch schreiben würde. Allerdings hatte sie die Möglichkeit, die Übersetzung zu lesen und konnte vermutlich auch Einfluss nehmen.


    Ich wüsste gerne von Ruth, ob ich das richtig verstanden hatte, dass sie an einem weiteren Roman arbeitet. :-) Und falls das so ist, wann dieser voraussichtlich veröffentlicht werden soll.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

  • Ich habe meine ursprüngliche Antwort im Forum gefunden - ich hoffe, es stört euch nicht, wenn ich mich selbst zitiere. *g* (Auf die anderen Fragen gehe ich gleich ein.) Von meinem ersten Beitrag im Forum:


    Ich habe das Buch auf Englisch geschrieben, Originaltitel war Yseult. Ja ich wohne seit 30 Jahren in Deutschland, aber ich habe trotzdem nicht das gleiche Sprachgefühl für Deutsch wie für meine Muttersprache.


    Dass das Buch zuerst auf Deutsch erscheint ist eigentlich eine ganz komische Geschichte. Ich bin keine absolut Unbekannte auf Englisch. Ich habe schon einige Kurzgeschichten veröffentlicht, auch in den größeren SFF-Zeitschriften wie Asimov's, Realms of Fantasy, und F&SF. Ein paar wurden für Auszeichnungen nomierte, ein paar in Years Best Anthologien aufgenommen. Zur Zeit ist sogar eine Geschichte von mir für den Nebula nominiert. Dennoch habe ich seit Jahren mit Romanen kein Erfolg gehabt. Beispiel Yseult: in USA kann man fast überhaupt nicht mehr direkt bei den Verlagen einreichen, muss man also zuerst einen literarischen Agenten haben. Eine der Agenturen, die Interesse zeigte, wollte das Manuskript "exklusiv" angucken, und ich habe eingewilligt. Nach einem Jahr ohne Meldung und ohne Antwort auf Emails habe ich den Roman zurückgezogen und die Suche nach einem Agenten wieder aufgenommen. Einige haben wieder Interesse gezeigt aber keine Agentur hat zugebissen.


    In der Zwischenzeit hatte ich von einem Bekannten in einem Online-Workshop erfahren, der aufgrund seiner Kurzgeschichten eine Anfrage von Piper bekommen hat, ob er denn einen Roman in der Schublade hätte? Es wäre mir sonst nie in dem Sinn gekommen, dass ich meinen Roman auch in Deutschland einreichen könnte -- ich schreibe ja schließlich auf Englisch. Aber daraufhin habe ich kurz die deutschen Fantasy-Verlage unter die Lupe genommen und drei ausgewählt, u.a. Blanvalet / Random House (damals gab es Penhaligon noch nicht) und allen Anfragen mit einseitiger Zusammenfassung des Romans geschickt.


    Innerhalb von einer Woche hat Urban Hofstetter von Random House Germany angerufen und mich gebeten, den kompletten Roman zu schicken. Und innerhalb von einem weiteren Monat, hat er mir ein Angebot gemacht.


    Und so kam es dazu, dass eine Amerikanerin in Deutschland, die in ihrer Muttersprache schreibt, die erste Romanveröffentlichung auf Deutsch hat (was meiner Familie in USA ziemlich ärgerlich findet, weil sie Deutsch nicht können).

  • Zur Frage Kurzgeschichten und Romane:


    Im Augenblick arbeite ich an einem zweiten Roman in der gleichen Welt wie Flamme und Harfe, Shadow of Stone. Es ist keine Fortsetzung im engeren Sinne, weil Flamme und Harfe ja eine in sich abgeschlossene Handlung erzählt. Stattdessen wird es eine neue Geschichte im bekannten Universum sein, in der víele der eingeführten Personen wieder vorkommen. Hintergrund werden allerdings die Erzählungen des Untergangs in der Artus-Sage sein, also zumindest in dieser Hinsicht bewegt sich der nächste Roman in die gegenteilige Richtung wie Flamme und Harfe.


    Zur Zeit bin ich also mit Romanschreiben voll beschäftigt und habe kaum noch Zeit für Kurzgeschichten. (Und danke, übrigens, Herr Palomar, für's Kompliment!) Es fehlt mir aber sehr, und wenn ich mit diesem Roman fertig bin, will ich eine Pause einlegen und mich zumindest ein paar Monate lang wieder Kurzformen widmen. Ich schreibe nun mal gern beides. Als ich Yseult geschrieben habe, konnte ich Kurzgeschichten nebenher schreiben, aber jetzt gibt es Druck vom seiten des Verlags, schneller fertig zu sein, was ich früher nicht hatte.


    Ein weiterer Roman ist schon fertig, aber es passt nicht zu Flamme und Herfe (es ist eine Zeitreise ins 17. Jahrhundert und geht um die erste professionelle Schriftstellerin in englischer Sprache, Aphra Behn.) Dann gibt es noch Fragments of Legend, ein Roman der spielerisch mit den Nibelungen-Legende umgeht und auf drei verschiedenen Zeit- und Erzählebenen spielt, einer halb-legendären, einer mittelalterlichen und einer zeitgenössischen. Ich hatte bereits etwa 60.000 Wörter der ersten Fassung des Nibelungenromans geschrieben, als ich Flamme und Harfe verkaufte. Danach war es wichtiger, den ohnehin geplanten zweiten Roman in der gleichen Welt zu schreiben.


    Sind damit die Fragen halbwegs beantwortet? :-)

  • Nessie, vielen Dank für die informativen Antworten.


    Ich habe vor kurzem mit Begeisterung deine Kurzgeschichte The Canadian Who Came
    Almost All the Way Home From the Stars gelesen.


    Das war eine Kollaboration mit Mr. Jay Lake. Ihr habt ja schon des öfteren zusammengeschrieben
    Wie ist es zur Zusammenarbeit mit Jay Lake gekommen und wird sich das noch einmal wiederholen?


    Könntest du dir vorstellen, auch noch mit anderen amerikanischen Autoren zusammen zu schreiben?
    Bedeutet das Zusammenschreiben mit anderen Autoren vielleicht auch eine Einschränkung durch Einhalten von allgemeingültigen Konventionen oder doch mehr eine Bereicherung durch zusätzliche Ideen?

  • Hallo Ruth!


    Zitat

    Original von nessie
    Es ist keine Fortsetzung im engeren Sinne, weil Flamme und Harfe ja eine in sich abgeschlossene Handlung erzählt. Stattdessen wird es eine neue Geschichte im bekannten Universum sein, in der víele der eingeführten Personen wieder vorkommen.


    Das ist für mich eine wundervollsten Nachrichten des Tages, ohne schleimen zu wollen :wow. Viele der Figuren aus "Flamme und Harfe" sind mir sehr ans Herz gewachsen, Brangwyn beispielsweise. Diesen Roman setze ich mir jetzt schon "auf meinen Wunschzettel", obwohl es vermutlich noch sehr lange dauern wird, bis die Leser ihn im Laden kaufen können. Momentan bin ich mir eigentlich sicher, dass das Warten belohnt wird!



    Zitat

    Original von nessie
    ... aber jetzt gibt es Druck vom seiten des Verlags, schneller fertig zu sein, was ich früher nicht hatte.


    Ach ... schön! :lache Nein, nein. Aber ich finde es toll, dass der Verlag am zweiten Buch bereits Interesse zeigt, das spricht ja gewissermaßen auch für "Flamme und Harfe"!


    Herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort!


    LG, Steena

  • Hallo Ruth,


    Flamme und Harfe hat ja sehr viele - und vor allem sehr ausführliche - Kampfszenen. Waren die schon in Deinem Originalmanuskript so ausführlich drin oder war das eine Vorgabe vom Verlag, dass lange Kampfszenen mit hinein müssen?

  • Collaborations: Jay schreibt oft mit anderen Autoren zusammen, ich weniger. Er hat eine Zusammenarbeit vorgeschlagen, und es hat eigentlich ganz gut geklappt, weil wir uns von unseren Stärken her gut ergänzen. Zur Zeit sind aber die gemeinsamen Projekte auf Eis, weil wir beide mehr an Romanen schreiben. Ich hoffe, dass wir zumindest die angefangenen Geschichten irgendwann zu Ende schreiben. Bei den anderen Autoren, mit denen ich das versucht habe, hat es nicht ganz so gut geklappt.


    Shadow of Stone: Immerhin weiss ich dann, für wen ich den Roman schreibe, Steena! *g* Schön zu wissen, dass jemand darauf wartet. :)


    Kampfszenen: Obowhl mein Buch Fantasy ist, war eines meiner wichtigsten Ziele ein Gefühl für die rauhe Zeit des fünften und sechsten Jahrhunderts zu erschaffen, und dazu gehört eben Krieg. Die Liebesgeschichte wollte ich einem Hintergrund geben, wie es vielleicht zu der Zeit gewesen wäre. Der Verlag hat eigentlich so gut wie nichts am eingereichten Manuskript gemacht, von der Übersetzung abgesehen. *g* Die Kampfszenen waren drin. Zu meinen Lieblings-Artus-Romanan gehört nun mal Rosemary Sutcliffe, Sword at Sunset, bei dem es auch sehr viel um die Kriegshandlungen und politischen Machenschaften geht.

  • Warst du früher schon einmal bei den Nebula-Preisverleihungen in Los Angeles anwesend oder wird es im April das erste mal sein?


    Die Nebulas sind ja stark nominiert dieses Jahr.


    Ich hoffe auf Cory Doctorow in der Romankategorie, da ich den Autor letztes Jahr mit einer Lesung in Köln gesehen habe und seine bisherigen Romane sehr mochte.


    Die Short Story-Kategorie, in der du mit „Mars A Traveler’s Guide“ aus F&SF nominiert bist, ist vielleicht die am Besten besetzte:
    Ich bewundere z.B. die Autoren Jeffrey Ford und Nina Kiriki Hoffman.
    Auch die anderen sind alles bekannte Namen: Gwyneth Jones, James Patrick Kelly, Mike Allen, Kij Johnson.


    Ich wünsche dir viel Erfolg und hoffe nach deiner Rückkehr aus Los Angeles auf einen ausführlichen Bericht, wie das Awards Banquet so verlaufen ist. :daumendrueck

  • hi ruth ich wünsche dir weiter viel inspiration für geschichten ( an der es mir leider fehlt ) deine kurz geschichten sind echt toll

  • Hallo Ruth,


    mir ist aufgefallen, dass du dich auf deiner Webseite auch als "Hypertexter" bezeichnest. Vor einigen Jahren (Mitte der 90er?) gab es ja z.B. von der "Zeit" einen auffälligen jährlichen Wettbewerb für "Internet Fiction" und allgemein waren nichtlineare Erzählformen ein Gesprächsthema, aber irgendwie hat sich daraus nichts entwickelt. Als hätte sich ein wenig Ernüchterung breit gemacht. Schade eigentlich.


    Meine Frage: hast du etwas in diesem Bereich "veröffentlicht"? Und denkst du Hypertext als Erzählform hat eine Zukunft?


    - Googol

  • Nebulas: Die Preisverleihung wird jedes Jahr an einem anderen Ort ausgetragen, aber egal wo, ich war noch nie dabei, nein. Meine wichtigste Nominierungen bisher waren die Sturgeon und Tiptree Awards, beide für "Looking Through Lace," die ich für den International Pixel-Stained Technopeasant Day auf meine Webseite hochgeladen habe (zuerst bei Asimov's veröffentlicht):


    http://www.ruthnestvold.com/Lookingthroughlace.htm


    In der italienischen Übersetzung hat sie den Premio Italia gewonnen - und ich war nicht dabei. Dafür habe ich endlich die Pyramiden gesehen. :-)


    Konkurrenz fur den Nebula ist tatsächlich sehr stark dieses Jahr. Ich habe eigentlich keine große Hoffnungen, dass ich tatsächlich gewinnen könnte, und zuerst wollte ich nicht hin, unter anderem weil sie zuerst aus Versehen meine Geschichte von dem Ballot weggelassen haben, und ich hatte mich damit abgefunden, dass ich ich nicht dabei war. Andererseits, so oft kommt es nicht vor, dass frau für den Nebula nominiert wird; da enttäuscht zu werden ist wohl schon eine Erfahrung wert.


    Kurzgeschichten: Freut mich, dass meine dir gefallen, Bücherfreak! Bin eh erstaunt, dass ein paar von euch meine überhaupt kennen, da es immer heisst, dass in Deutschland sich niemand für Kurzgeschichten interessiert.


    Hypertext: Ja, Googol, die Experimente mit Hypertext scheinen nachgelassen zu haben, aber ich würde es trotzdem nicht als gestorben bezeichnen. Hypertext (und Hypermedia) bieten so viele neue Möglichkeiten, eine Geschichte zu erzählen, irgendwann werden es Leute entdecken, die sich nicht nur profilieren wollen und tatsächlich mit den Links auch Spannung erzeugen wollen; dann wird es eine Renaissance geben. My two cents. :-)


    Meine eigene Experimente könnt ihr übrigens hier sehen:


    http://www.ideomancer.com/main/vol5issue2/nestvold/one.html


    http://www.lit-arts.net/Cutting_Edges/1stpage.htm


    http://www.lit-arts.net/JHIB/begin.htm


    Für "Triple Helix" (mein erster Hypertext-Versuch im Bereich SF) habe ich sogar Geld bekommen. *g* Für die anderen zwei gab es nur Anerkennung und Einladungen auf Tagungen - die aber vom Geldwert her vermutlich mehr waren. :lache

  • Hallo Ruth,


    deinen Roman habe ich noch nicht gelesen, aber ich habe gerade deine Nebula nominierte Story Mars: A Traveller's Guide gehört und mich köstlich amüsiert. Ich liebe die Kombination Science Fiction und Humor (Robert Sheckley usw.) und der Traveller's Guide ist ein wunderbares Beispiel dieses Genres.


    Wie bist du auf die Idee gekommen? Du wurdest nicht zufällig vom telefonischen Kundenservice der Telecom inspiriert? ;)


    - googol.