Ernesto Che Guevara – Das magische Gefühl, unverwundbar zu sein.
Tagebuch der Lateinamerika-Reise 1953-1956
Titel des Originals: Otra Vez
Klappentext:
1953 begibt sich Ernesto Che Guevara mit seinem Freund Calica auf eine zweite Reise durch Lateinamerika. Er ist entschlossen, sich allen Schwierigkeiten dieses unruhigen Kontinents zu stellen und sich auf ein Abenteuer einzulassen: „Es sind zwei Willen auf der Suche, die durch Amerika ziehen, ohne genau zu wissen, was sie suchen, noch, wohin ihr Weg sie führt.“ Sie weichen von der vorgezeichneten Reiseroute ab, um in Guatemala die Revolution mitzuerleben, und besuchen danach auch Peru, Mexiko und Bolivien. Die Eindrücke, die Che in drei Jahren sammelt und in seinen Notizen festhält, prägen nicht nur seine politischen Überzeugungen. Sie verstärken auch das innere Gefühl der Zugehörigkeit und Zuneigung zu Land und Leuten. Der Leser erkennt zwischen den Zeilen den Menschen Ernesto Guevara: den wissbegierigen und gebildeten revolutionären Geist genauso wie den lebenslustigen jungen Mann, der sich aus so manchen Geldnöten herauszuwinden versteht und für weibliche Reize nicht unempfänglich ist.
Ernesto Che Guevara, geboren 1928 in Argentinien, ermordet 1967 in Bolivien, war Arzt. Er beteiligte sich als Guerillaführer zusammen mit Fidel Castro an der Befreiung Kubas von der Batista-Herrschaft und hatte in Regierungsämtern maßgeblichen Anteil an der Umgestaltung Kubas.
Meine Meinung:
Ich hatte mir das Buch vorgenommen, weil ich vor einigen Jahren The Motorcycle Diaries im Kino gesehen habe, der sich mit der ersten Mittelamerikareise Ches befasst und der mir sehr gut gefallen hatte. Die Aufzeichnungen zu seiner zweiten Reise kommen leider bei weitem nicht so leichtfüßig daher wie der Film.
Das Tagebuch ist ziemlich müßig zu lesen und das hat mehrere Gründe: Zum einen verbringt Che die meiste Zeit damit, alleine oder mit Freunden, auf die nächste Gelegenheit zur Weiterreise zu warten. In den Wartezeiten passiert jedoch häufig nicht viel, weshalb er hin und wieder ein paar kurze Sätze schreibt, die aber für den Leser kaum informativ sind. Zum anderen empfand ich es als sehr schwer sich ein Bild davon zu machen, wie lange er jetzt schon unterwegs ist oder irgendwo wartet. Die einzigen Daten, die auftauchen (und diese sind teilweise noch durch den Herausgeber ergänzt) sind die von seinen Grenzübergängen. Da Che zu seinen Einträgen kein Datum vermerkt, muss man sich also am Text orientieren, um genauere Hinweise zu erhalten.
Als weiteren Kritikpunkt möchte ich anhängen, dass Che zwar über die gesellschaftspolitischen Ansichten anderer berichtet, dabei aber seinen eigenen Standpunkt häufig im Unklaren lässt. Ebenso liefert er Charakterstudien seiner Mitmenschen ab, die ihn ziemlich arrogant erscheinen lassen, aber darüberhinaus wiederum kaum Schlüsse auf sein wahres Ich zulassen.
Ein wenig enttäuscht war ich zudem darüber, dass die Sprache bei weitem nicht so lyrisch daherkommt wie der Titel des Buches es vermuten lässt. Sicher Che hat so seine Momente, aber die meiste Zeit schreibt er in einem sehr nüchternen Berichtstil.
Da es sich bei dem Buch um Tagebuchaufzeichnungen handelt, relativieren sich die oben genannten Kritikpunkte natürlich, vor allem aber erklärt es, weshalb es nirgendwo anständige Einbettungen in den historischen Kontext gibt. Von daher kann ich nur empfehlen sich vorher wenigstens kurz mit der Geschichte Lateinamerikas (insbesondere Guatemalas, wo ein wichtiger Teil der Aufzeichnungen entstanden ist) zu beschäftigen, um nicht vollkommen im Dunkeln zu tappen.
Freude an dem Buch werden vor allem Che-Anhänger, sowie Politik- und Geschichtswissenschaftler haben. Allen anderen würde ich von dieser Lektüre eher abraten, da sie zuweilen (ohne entsprechende Vorkenntnisse) wirr und langatmig ist.
Neben dem eigentlichen Reisebericht enthält das Buch übrigens auch einige Briefe an Ches Verwandtschaft, sowie den Essay „Das Dilemma in Guatemala“.