'Varus' - Seiten 096 - 184

  • Seite 98, als Arminius in einer Art „Prophezeiung“ auf die Anschuldigung erwidert. Das hat historisch vermutlich so nicht stattgefunden (nehme ich einfach mal an), ist aber (in Kenntnis des Ausgangs der „Schlacht“) eine sehr schöne gänsehauterzeugende Szene.


    Seite 109 heißt es: Er hatte noch nie einen Sklaven gehabt, obwohl in seinem Elternhaus die meisten Bediensteten nie den den Genuss einer Freilassung gekommen waren. Sklaven kümmerten sich um das Geschäft des Vaters, versorgten den Haushalt der Mutter, nährten und erzogen die Kinder. Die Eltern ihrerseits trugen von jeher die Sorge um das Wohl ihrer Sklaven, denn sie waren auf diese angewiesen.
    Ich frage mich schon lange, wie eine auf Sklaverei aufgebaute Gesellschaft funktionieren bzw. genauer lange überleben kann. Bisweilen war es wohl doch so, daß es mehr Sklaven als Sklavenhalter gab. Sicher wurde oft brutale Gewalt angewendet, aber daß so ein System über lange Zeit funktioniert, erstaunt mich immer wieder.


    Ich wäre als Sklavenhalter übrigens ungeeignet. Ich hasse es, bedient zu werden. Wenn dann immer wieder beschrieben wird, die Sklaven die Kleidung zurecht legen bzw. richten und solche Dienste verrichten - ich würde die jedes Mal wegschieben, weil das kann ich selbst.


    Seite 128ff. Der Aufbau des Lagers während des Marsches. Diese Perfektion der römischen Armee ist mir schön öfters in Büchern begegnet. Was ich mich immer wieder frage ist, was mit dem Lager geschieht, wenn weitergezogen wird. Bleibt das stehen, wird das abgebaut und mitgenommen? In ersterem Fall: die müssen ja unendliche Mengen an Material mitschleppen, um jeden Abend ein solches Lager aufbauen zu können. In letzterem: Abbauen geht doch erst, wenn die Truppen abgerückt sind. Also ist das Material dann hinten, wird abends aber vorne benötigt. Oder schleppen die alles doppelt mit sich, so daß quasi immer ein Lager aufgebaut und eines auf Reserve für den nächsten Tag da ist?


    Seite 134: Dieben hackte man die Hände ab, flüchtigen Sklaven die Füße, und Ehebrecherinnen wurden ausgepeitscht und ersäuft, Verräter häute und henke man, und wolle man die wilden Götter milde stimmen, dann schlachte man Tiere oder gar Menschen, tränke durchlöcherte Steine mit deren Blut und lasse die Köpfe in Astgabeln und auf Stangen verrotten.
    Was mich interessieren würde: sind diese Strafen historisch verbürgt (also nicht im Einzelfall, sondern generell, daß das so vorgesehen war)?


    Nachdem ich diesen Abschnitt durch habe, fällt mir aus dem Stegreif nichts weiter ein. Längen oder Langeweile konnte ich überhaupt nicht empfinden. Das Buch hat mich tief in seinen Bann gezogen, dabei aber dennoch eine gewisse (willkommene) Distanz gewahrt, so daß ich das Kommende - hoffe ich - ganz gut ertragen kann. Das Lagerleben fand ich ausreichend deutlich beschrieben, so daß ich mir alles gut vorstellen konnte.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Ich frage mich schon lange, wie eine auf Sklaverei aufgebaute Gesellschaft funktionieren bzw. genauer lange überleben kann. Bisweilen war es wohl doch so, daß es mehr Sklaven als Sklavenhalter gab. Sicher wurde oft brutale Gewalt angewendet, aber daß so ein System über lange Zeit funktioniert, erstaunt mich immer wieder.


    Das funktioniert eben nicht, wenn es nur auf brutaler Unterdrückung und offener Gewaltausübung basiert. Sklaven hatten innerhalb der Familien und in Werkstatt und Geschäft oft eine sehr gute Vertrauensposition (man denke an Ciceros Tiro, der die erste Steno erfand), sie konnten sich meist frei bewegen, bis zu einem gewissen Grad auch eigenständig handeln und ihr eigenes Vermögen erwerben, sich auf diesem Wege sogar freikaufen.
    Dass Sklaven nicht als eigenständige Persönlichkeiten angesehen wurden, teilen sie zumindest in den antiken Gesellschaften der mediterranen Welt mit allen Menschen, denn jeder wurde "nur" als Teil einer Familie, Sippe, eines Vereins oder eines anderen Zusammenschlusses betrachtet. Der Rückhalt in Gemeinschaften ergab erst die Möglichkeiten, die eine Person hatte.
    Allerdings hatten Sklaven gegenüber Freien eingeschränkte Rechte.
    Dennoch wurde eine schlechte Behandlung der eigenen Sklaven als verächtlicher Zug angesehen und konnte sogar zu Amtsenthebungen und zum Ausschluss aus dem Senat führen.


    Gladiator wurde man auch nicht, weil man dazu verurteilt wurde, sondern diese Kerls waren wahre Rockstars.


    Die Auswüchse der Sklaverei zeigen sich insbesondere im Strafwesen, wenn jemand zu Zwangsarbeit verurteilt wurde, und in größeren Unternehmen und der ökonomisch ausgerichteten Großgrund-Landwirtschaft. Also überall da, wo Menschen zu allen Zeiten ausgebeutet wurden und werden.


    Wir müssen heute sehr aufpassen, unsere eigenen Rechtsvorstellungen nicht 1:1 auf andere Gesellschaften zu applizieren. Hätten die Römer so gedacht wie wir und alles, was nicht ausdrücklich durchs StGB und andere Gesetzbücher mit Strafen oder Bußen belegt wird, als erlaubt betrachtet, dann hätte diese Gesellschaft sicher nicht funktioniert.
    Damals herrschte einer aufmerksame soziale Kontrolle.



    Zitat

    Ich wäre als Sklavenhalter übrigens ungeeignet. Ich hasse es, bedient zu werden. Wenn dann immer wieder beschrieben wird, die Sklaven die Kleidung zurecht legen bzw. richten und solche Dienste verrichten - ich würde die jedes Mal wegschieben, weil das kann ich selbst.


    Wenn man damit aufwächst, dann ist man es auch gewohnt -- andererseits gibt es durchaus auch viele Hinweise darauf, dass so mancher alte Römer oder Grieche dieses Betütteln nicht mochte und alles selber machte. :grin



    Zitat

    Seite 128ff. Der Aufbau des Lagers während des Marsches. Diese Perfektion der römischen Armee ist mir schön öfters in Büchern begegnet. Was ich mich immer wieder frage ist, was mit dem Lager geschieht, wenn weitergezogen wird. Bleibt das stehen, wird das abgebaut und mitgenommen?


    Ich empfehle immer wieder gerne das unten angegebene (leider wieder mal vergriffene) Buch. Ein römischer Soldat hatte während des Marsches zwischen 47 und 49 kg Waffen und Rüstung, Tagesproviant und Gepäck am Leibe; die Kerle waren also fit wie die Turnschuhe! Schanzpfähle für die Palisade wurden von Maultieren im Tross befördert, Proviant, Zelte und Geschütze (meist zerlegt) von Karren im Tross. Außerdem nahm man Herden von Pferden und Schlachtvieh mit. Hinzu kamen Entourage und Gepäck der hohen Offiziere, dazu Händler, Wahrsager, Glücksspieler, Prostituierte etc.etc.etc.
    Die römische Armee bildete für alle Arbeiten Spezialisten aus, vom Landvermesser über den Tischler, Maurer bis hin zu Ingenieuren für den Brückenbau (kommt also modernen Bürgerarmeen sehr nahe). Das Lager wurde ab mittags von der Vorhut und den Pionieren vermessen und aufgebaut, fertiggestellt, während der lange Wurm allmählich einlief, und am anderen morgen wieder abgebaut. Marschlager hinterließen nur Wall und Graben sowie niedergetrampeltes und abgefressenes Gras.


    Was Logistik und Militärtechnik anbelangt, waren die Römer oft derart überlegen, dass allein der Anblick dieser Maschinerie oft genug ausreichte, um Aufständische zum Einlenken zu bewegen.



    Zitat

    Was mich interessieren würde: sind diese Strafen historisch verbürgt (also nicht im Einzelfall, sondern generell, daß das so vorgesehen war)?


    Taitus überliefert einiges in seiner Germania und viele dieser Talion-Strafen lassen sich über die frühmittelalterlichen Gesetzessammlungen noch bis in die Neuzeit verfolgen. Interkulturelle Vergleiche zeigen auch Parallelen zu anderen agrarischen Gesellschaften. "Frühe" Kulturen ahnden Vergehen oft mit extrem drastische Strafen, weil der wenige Wohlstand und die Gesellschaftsordnung wesentlich schärfer gesichert werden müssen, um nicht in Chaos zu enden -- so das jeweilige Rechtsverständnis.
    Diese Vorstellungen lassen sich übrigens auch in den Büchern des Alten Testamentes gut nachvollziehen.



    Edit: Deutsche Sprache, schwere Sprache ... :rolleyes

  • so, ich habe den zweiten teil jetzt auch gelesen und bin nach wie vor überaus zufrieden. lediglich die namen bereiten mir ebenfalls ab und zu ein wenig probleme und ich schaue dann hinten nach... wer war denn nun wieder optidingens... und zwei caeliüsse gibts auch... aber da bin ich aus anderen büchern schlimmeres gewohnt :grin
    einerseits gilt meine sympathie natürlich den germanen (für italiener bin ich nur beim sport, weil ich deren hymne sooo gerne höre :lache), andererseits erlebt man das ganze hier ja aus römischer sicht mit.
    und das geht mir ganz schön nahe. ich bin der typ, der auch bei jeder neuen titanicverfilmung innerlich immer ruft: passt auf das eis auf, jungs! oder bei der gefühlten 30. wiederholung von winnetouIII rufen möchte: achtung, duckt euch! und hier ist man gewillt, den sich so sicher fühlenden römern zu raten, doch bitte schön vielleicht dem caldus gehör und vor allem glauben zu schenken. aber nein, die wollen nicht. und so nimmt das verhängnis seinen lauf.
    prima erzählt, iris!! :anbet

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Mit ein paar Stunden Abstand versuche ich mal meine Gedanken zum zweiten Teil auszudrücken:
    Die Szene, in der sich Arminius zur Anklage des Segestes äußert: Ich habe so auf die Schnelle nichts gefunden, dass dies genau wie die Warnung S. von den antiken Berichterstattern beschrieben wird. Allerdings wird diese Szene, wenn ich mich recht erinnere, auch in dem Film so dargestellt. Geschickt, ob nun erfunden oder nicht, ist das ja allemal - ob es wohl ein besseres Mittel gibt, der Anklage den Wind aus den Segeln zu nehmen?
    Schmunzeln muss ich immer wieder über die - hm, wie drücke ich das jetzt aus - "Niedersetzgewohnheiten" der hohen Herren; muss doch erst ein Sklave die Gewänder in schöne Falten legen, das auch bloß alles am rechten Ort saß.


    Ein bißchen zwiespältig hinterlässt mich Amra, welche Rolle sie noch im Buch zu spielen hat, weiß ich ja schon. Sie betet zu einem "eifersüchtigen Gott", ist "in einen dunklen Mantel gehüllt, unter dem das streng zurückgekämmte Haar verschwand". Gut, ihre Strenge gibt ihr vermutlich ihr Glauben vor, aber welchen Glaubens ist sie denn nun? Ganz spontan fiel mir jüdisch ein, ich bin mir aber nicht mehr sicher.


    Der arme Caldus hingegen, er tut mir leid. Edelster Abstammung, vermutlich mit großen Erwartungen nicht nur seiner Familie gestartet ins "Berufsleben", hat er einen ungeheuren Verdacht geäußert, wird dabei abgekanzelt und wird dafür büßen, etwas ausgesprochen zu haben, was einfach aus Sicht der Römer nicht denkbar ist. Er möchte sich auszeichnen, Ehre erringen, und darf doch nicht. Gut, dass er noch nicht weiß, was ich schon gelesen habe. :-)
    Überhaupt der Begriff der "Ehre": wie viel unsinniges Handeln, wie viel Blutvergießen, wie viel Leid hat dieser Begriff doch durch die Jahrhunderte heraufbeschworen. Ich habe mir mittlerweile verboten, länger darüber nachzudenken, weil ich sonst verzweifeln würde.


    Der Abzug hat nun auch begonnen. Ich fand es unglaublich interessant zu lesen, wie alles geordnet wird, wer vorausgeschickt wird und warum. Welch ein immenser Aufwand steckt hinter diesen Planungen?
    Und prompt beginnt das schlechte Wetter. Ein Spaziergang im sanften Landregen mag ja hin und wieder ganz nett sein, förderlich auch der Gesundheit, sagen manche, aber so ein Marsch mit Gepäck, etwa 20 km pro Tag, bei Sturm und Regen und Kälte? Die Leute mussten ganz gut bei Kräften sein. Die nächste Frage, die sich mir aufdrängte, galt dem Schuhwerk. Unter diesen genagelten Sandalen (?)/Stiefeln (?) der Soldaten kann ich mir ja noch so einigermaßen etwas vorstellen, aber wie waren die Füße der Zivilisten, ob nun Sklaven, Freigelassene, Angehörige, Kinder, bekleidet? Oder gar teilweise gar nicht?


    Die Geschichte, die dieses Buch erzählt, nimmt mich mehr und mehr gefangen, lässt mich nicht mehr los, ob ich will oder nicht, ich muss weiterlesen. Was mich ein bisschen verstört hat, war die Beschreibung, dass der Tross außerhalb des Lagers bleiben musste. Offensichtlich gab es für die Leute, die außerhalb des Lagers bleiben mussten, ja nicht einmal eine Bewachung.


    In diesem zweiten Abschnitt nimmt das Unheil also seinen Lauf.

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Was mich ein bisschen verstört hat, war die Beschreibung, dass der Tross außerhalb des Lagers bleiben musste. Offensichtlich gab es für die Leute, die außerhalb des Lagers bleiben mussten, ja nicht einmal eine Bewachung.


    Das fand ich auch erstaunlich. Ich dachte im Tross würde auch die Verpflegung transportiert? Oder hatte jeder Soldat sein Essen selbst dabei? Aber das dürfte für so eine lange Zeit kaum möglich sein. Und wenn sie den Tross verlieren, verlieren sie dann doch auch ihr ganzes Essen? Da sollten sie dann doch ein bisschen besser drauf aufpassen.


    In diesem Abschnitt spitzt sich die Lage noch ein bisschen mehr zu, es wird richtig spannend. Arminius ironische Antwort (oder eben nicht ironisch) war wirklich gut beschrieben - seeehr unheimlich.

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Die Szene, in der sich Arminius zur Anklage des Segestes äußert: Ich habe so auf die Schnelle nichts gefunden, dass dies genau wie die Warnung S. von den antiken Berichterstattern beschrieben wird.


    Wie gesagt: Die "hard facts" bieten da auch nichts. Bei Tacitus (Annalen I,55) finden wir nur, dass Segestes Varus vergeblich gewarnt habe. Ausgestalten muss ein Autor das dann schon selbst, und ich behaupte ja nicht, dass es so und nur genauso gewesen sei, halte das aber bei meiner Einschätzung der Charaktere für durchaus möglich und wahrscheinlich. ;-)



    Zitat

    Allerdings wird diese Szene, wenn ich mich recht erinnere, auch in dem Film so dargestellt.


    Oha ... Hat der NDR den Film produziert? :wow



    Zitat

    Gut, ihre Strenge gibt ihr vermutlich ihr Glauben vor, aber welchen Glaubens ist sie denn nun? Ganz spontan fiel mir jüdisch ein, ich bin mir aber nicht mehr sicher.




    Zitat

    Der arme Caldus hingegen, er tut mir leid.


    Du ahnst nicht, wie leid er mir getan hat!



    Zitat

    Überhaupt der Begriff der "Ehre": wie viel unsinniges Handeln, wie viel Blutvergießen, wie viel Leid hat dieser Begriff doch durch die Jahrhunderte heraufbeschworen.


    Weniger der Begriff von Ehre an sich, als verzerrte, übersteigerte Vorstellungen davon. Wir neigen heute dazu, Begriffe absolut, als Wort, zu begreifen, nicht mehr graduell, und indem wir alle ethischen Begriffe als "gefährlich" ablehnen, schütten wir letztendlich das Kind mit dem Bade aus. ;-)


    Überzogene Vorstellungen von "Ehre" können in einem militarisierten oder kriegerischen Umfeld zu fürchterlichen Dingen führen. Andererseits hat dieser Begriff auch etwas mit dem zu tun, was wir die "Würde des Menschen" nennen.



    Zitat

    Ich fand es unglaublich interessant zu lesen, wie alles geordnet wird, wer vorausgeschickt wird und warum. Welch ein immenser Aufwand steckt hinter diesen Planungen?


    Die Logistik, die hinter der römischen Armee steckt ist eine enorme zivilisatorische Leistung, die gerade weil sie so beeindruckend ist, auch einige blutige Auseinandersetzungen verhindert hat. Abgesehen davon, dass diese Kompetenzen in Friedenszeiten auch zu einem bemerkenswerten technischen Fortschritt geführt hatten. Denn logistische Kenntnisse haben ja auch im Handel eine große Bedeutung. Ein Veteran, der als Soldat im Bereich Logistik gearbeitethat, konnte sich nach dem Militärdienst mit seinem Diplom und seinem angesparten Kapital durchaus als Spediteur selbständig machen.



    Zitat

    Die nächste Frage, die sich mir aufdrängte, galt dem Schuhwerk. Unter diesen genagelten Sandalen (?)/Stiefeln (?) der Soldaten kann ich mir ja noch so einigermaßen etwas vorstellen, aber wie waren die Füße der Zivilisten, ob nun Sklaven, Freigelassene, Angehörige, Kinder, bekleidet? Oder gar teilweise gar nicht?


    Abgesehen von den caligae der Soldaten gab es unterschiedliche Typen von Schuhen: Bundschuhe, Schnürsandalen, Opanken (ähnlich: Mocassins), Schnürstiefel (calcei) -- oder man ging barfuß!
    Strümpfe waren weitgehend unbekannt (die Technik des Strickens lässt sich erst im MA nachweisen, das Häkeln erst im 16. Jh.!), dafür trug man im Winter Gamaschen (tibialia) und umwickelte die Füße, wenn es arg kalt war, mit Lappen oder stopfte die Schuhe mit getrockneten pflanzlichen Materialien aus (wie schon der "Ötzi").
    Bei solcher Fußbekleidung ist Fußpflege, trotz aller Abhärtung, natürlich wichtig. Man rieb die Füße z.B. mit Hirschtalg ein, um die Haut geschmeidig zu halten (das verhindert Wundstellen und Blasenbildung), und bearbeitete die unvermeidliche Hornhautbildung mit Bimsstein.
    Thiudgif hat Pech mit ihren Schuhen und läuft sich die Füße wund. :-(



    Zitat

    Was mich ein bisschen verstört hat, war die Beschreibung, dass der Tross außerhalb des Lagers bleiben musste. Offensichtlich gab es für die Leute, die außerhalb des Lagers bleiben mussten, ja nicht einmal eine Bewachung.


    Das betrifft nur den Teil des Trosses, der nicht offiziell zur Truppe gehört. Frauen (abgesehen von evtl. mitreisenden Angehörigen der Heeresführung) hatten keinen Zutritt zum Lager, was wegen der verbreiteten gewerblichen Prostitution grundsätzlich nachvollziehbar ist. Bei akuter Gefahr (z.B. im Fall eines Angriffs bzw. einer Belagerung) wurden sie natürlich hineingelassen.


    Nachklapp: Mitreisende männliche Zivilisten (Händler, Handwerker, Musiker, Taschenspieler etc.) hatten natürlich - außer im Gefahrenfall - auch keinen zutritt zum Marschlager. Marschlager waren meistens auch ziemlich klein und eng, verglichen mit den Standlagern.

  • Hm, also ich gehe bei so einem Roman von vorneherein davon aus, daß die Gespräche, vieles von den Mutmaßungen und Gedanken der Protagonisten der Phantasie der Autorin entsprungen ist. Denn Quellen wie Tonbandaufnahmen gibt es ja nicht. Wichtig ist für mich, daß die "harten historischen" Fakten, soweit die bekannt sind, stimmen und die Ausgestaltung so ist, wie es gewesen sein könnte. Daß es bisweilen mehrere Interpretationsmöglichkeiten gibt, sei unbestritten. In so einem Fall muß die Autorin sich halt für eine entscheiden (von der ich natürlich ausgehe, daß sie sie begründen kann) und dann im Buch durchhalten. Das ist für meine Begriffe hier der Fall, zumal im Nachwort ja noch einiges gesagt ist.


    Zur Logistik des römischen Heeres fällt mir ein, daß sich da ein passendes Buch in meinem Bestand befindet. Das lasse ich jetzt gleich mal aus dem Regal heraußen.:-)
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Um noch einen kleinen, nicht ganz ernsten Eindruck zu vermitteln: Auf Spiegel-online ist noch eine Bildstrecke zu einem inzwischen verschwundenen Artikel zu finden: Römerqualen: 500-Kilometer-Marsch auf Nägeln


    Die Wollsocken müsst ihr euch allerdings wegdenken -- von anderen Re-enactern habe ich gehört, dass Strickstrümpfe in römischen Schuhen unweigerlich zu Blasen und Wundstellen führen. Wer auf lange Sicht nun recht hat, wage ich nicht abschließend zu beurteilen. :lache

  • Zitat

    Original von Iris


    Wie gesagt: Die "hard facts" bieten da auch nichts. Bei Tacitus (Annalen I,55) finden wir nur, dass Segestes Varus vergeblich gewarnt habe. Ausgestalten muss ein Autor das dann schon selbst, und ich behaupte ja nicht, dass es so und nur genauso gewesen sei, halte das aber bei meiner Einschätzung der Charaktere für durchaus möglich und wahrscheinlich.


    Oha ... Hat der NDR den Film produziert? :wow;


    Ich fand die Ausgestaltung große Klasse! Irritiert hat mich eben nur, dass Film und Buch halt die Szene fast gleich darstellen. Und - auch wenn ich noch so viel nachgrübele - im Film muss es eigentlich gewesen sein, weil ich kein anderes Varus-Buch oder keinen anderen Varus-Film in letzter Zeit gelesen bzw. gesehen habe.
    Aber was hat jetzt der NDR damit zu tun?
    Ich hatte schon die Vermutung, die Filmemacher haben Dein Buch gelesen.



    Zitat

    Gut, ihre Strenge gibt ihr vermutlich ihr Glauben vor, aber welchen Glaubens ist sie denn nun? Ganz spontan fiel mir jüdisch ein, ich bin mir aber nicht mehr sicher.


    :gruebel



    Zitat

    Der arme Caldus hingegen, er tut mir leid.
    Du ahnst nicht, wie leid er mir getan hat!


    Vielleicht könnte mir ja jemand erklären, warum ich, wenn ich an Caldus denke, ständig "Per me guinto è il di" aus Don Carlos im Kopf habe. Nein, das meine ich nicht ernst mit der Erklärung, aber die Musik ist da, immer wenn Caldus seinen Auftritt hat.


    Zitat

    Überhaupt der Begriff der "Ehre": wie viel unsinniges Handeln, wie viel Blutvergießen, wie viel Leid hat dieser Begriff doch durch die Jahrhunderte heraufbeschworen.
    Weniger der Begriff von Ehre an sich, als verzerrte, übersteigerte Vorstellungen davon. Wir neigen heute dazu, Begriffe absolut, als Wort, zu begreifen, nicht mehr graduell, und indem wir alle ethischen Begriffe als "gefährlich" ablehnen, schütten wir letztendlich das Kind mit dem Bade aus. ;-)


    Überzogene Vorstellungen von "Ehre" können in einem militarisierten oder kriegerischen Umfeld zu fürchterlichen Dingen führen. Andererseits hat dieser Begriff auch etwas mit dem zu tun, was wir die "Würde des Menschen" nennen.


    Eben, Würde ist ein Begriff, den ich mehr als akzeptiere.
    Und mit dem, was aus der Ehre wurde, habe ich mehr als Schwierigkeiten.


    Edit: Irgendwann lerne sogar ich das mit dem Zitieren. Es dauert nur noch ein bisschen.

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Irritiert hat mich eben nur, dass Film und Buch halt die Szene fast gleich darstellen.


    Das irritiert mich auch ... weil es Gründe gibt, weshalb mich das irritieren darf ... :wow


    Mit dem NDR hab ich mich schlicht vertan, die gehören ja zur ARD und haben mit dem ZDF nix zu tun, und Terra X ist eine ZDF-Produktion. :schaem



    Zitat

    Vielleicht könnte mir ja jemand erklären, warum ich, wenn ich an Caldus denke, ständig "Per me guinto è il di" aus Don Carlos im Kopf habe. Nein, das meine ich nicht ernst mit der Erklärung, aber die Musik ist da, immer wenn Caldus seinen Auftritt hat.


    Rodrigos Tod? Du liebe Zeit! Das ist eine klassische "Heularie" für mich ...


    Langsam fürchte ich, ich habe euch echt was angetan ... :wow




    Zu Amra sag ich ganz am Schluss was, okay? :-)

  • Zitat

    Original von Iris
    Langsam fürchte ich, ich habe euch echt was angetan ... :wow


    "Angetan" ist das falsche Wort, "Zahlen mit Leben erfüllt" oder "die Augen geöffnet" sind bessere Ausdrücke. Nur keine falsche Bescheidenheit. Was sein muß, muß sein. Wenns bisweilen auch weh tut.



    Zitat

    Original von Iris
    Zu Amra sag ich ganz am Schluss was, okay? :-)


    Schön, ich hätte im letzten Abschnitt nämlich auch danach gefragt. Bei meinen geringen Kenntnissen der damaligen Zeit fallen mir drei Stichworte dazu ein (ich trau mich mal, mich zu blamieren und spoilere es, falls es jemand nicht wissen will):


    Ich bin gespannt, was letztlich wirklich herauskommt.


    Edit im Spoiler.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von SiCollier ()

  • "Langsam fürchte ich, ich habe euch echt was angetan ..." (iris)


    nein, hast du nicht! ich schließe mich da ganz sicollier an... :write

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Zitat

    Original von Iris
    Das irritiert mich auch ... weil es Gründe gibt, weshalb mich das irritieren darf ... :


    Sorry, nix capito. Aber lass Dich von mir nicht zu einer Erklärung drängen, die Du nicht abgeben möchtest.



    Zitat

    Vielleicht könnte mir ja jemand erklären, warum ich, wenn ich an Caldus denke, ständig "Per me guinto è il di" aus Don Carlos im Kopf habe. Nein, das meine ich nicht ernst mit der Erklärung, aber die Musik ist da, immer wenn Caldus seinen Auftritt hat.
    Rodrigos Tod? Du liebe Zeit! Das ist eine klassische "Heularie" für mich ...


    Langsam fürchte ich, ich habe euch echt was angetan ...


    Hast du nicht. Vielleicht habe ich aber für die Arie eine Erklärung gefunden, wenn ich daran denke, wie Caldus für mich aussieht - nämlich ein ganz kleines bisschen so wie der junge D. Hvorostovsky.


    Zitat

    Zu Amra sag ich ganz am Schluss was, okay? :-)


    Ach ja, bitte, so langsam macht mich das nämlich ganz wuschig.

  • Zitat

    Original von SiCollier


    Schön, ich hätte im letzten Abschnitt nämlich auch danach gefragt. Bei meinen geringen Kenntnissen der damaligen Zeit fallen mir drei Stichworte dazu ein (ich trau mich mal, mich zu blamieren und spoilere es, falls es jemand nicht wissen will):


    Ich bin gespannt, was letztlich wirklich herauskommt.


    Edit im Spoiler.


    ... und ich fing mich doch tatsächlich an zu wundern - ich verrat aber nicht, über wen oder was. :lache

  • Zitat

    Original von Lipperin
    ... und ich fing mich doch tatsächlich an zu wundern - ich verrat aber nicht, über wen oder was. :lache


    Ich weiß schon, worüber. Ist mir auch furchtbar peinlich und rätselhaft, wie so ein Irrtum passieren konnte.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Na ja, wenn ich daran denke, daß ich zwei Mal überlegt habe, bevor ich poste, ist es mir schon peinlich, daß ich den Fehler nicht bemerkt habe. Aber Mathe war noch nie meine Stärke. :chen

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Hallo Zusammen,


    Abschnitt fertig. :-)


    Was mich in diesem Abschnitt am meisten beeindruckt hat, war tatsächlich die große Logistische Leistung der Römer. Wahnsinn ! :anbet


    Auch ich habe gestern den zweiten Teil der ZDF-Sendung gesehen und schon da hat mich dieser lange Heeres-Wurm arg imponiert. Er zog sich über 10 Km entlang durch das Land. Kein Wunder, dass die Barbaren einen teil angreifen konnten, ohne das die anderen Teile etwas mitbekommen haben.


    Was mich immer wieder etsetzt innehalten lässt, ist diese "Verblendung" das varus ! Er will ja die Wahrheit gar nicht sehen ! Obwohl es nun schon genug Zeichen gegeben hat, denen er wenigsten einmal nachgehen hätte sollen. :fetch Vielleicht, nur ganz vielleicht, hätte dann diese schwere Niederlange verhindert werden können.



    Aus Amra werde ich nicht schlau, was hat sie iegentlich für einen "Sinn" ? Mir ist sie, ehrlich gesagt, recht unsympathisch.



    So, mich graut nun schon etwas vor dem Weiterlesen, und trotzdem werde ich es tun.

    liebe Grüsse melanie


    Wenn man Engeln die Flügel bricht, fliegen sie auf Besen weiter !
    :keks


    :lesend )

  • Zitat

    Original von melanie
    Aus Amra werde ich nicht schlau, was hat sie iegentlich für einen "Sinn" ? Mir ist sie, ehrlich gesagt, recht unsympathisch.


    Ganz am Anfang war ich in Bezug auf sie auch etwas skeptisch. Das hat sich aber gegeben. „Sinn“ hat sie schon. Das findet sich später im Buch.



    Zitat

    Original von melanie
    So, mich graut nun schon etwas vor dem Weiterlesen, und trotzdem werde ich es tun.


    Kann ich mir gut vorstellen, denn das Ende der "Schlacht" ist ja bekannt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")