'Varus' - Seiten 364 - Ende

  • Fertig.
    Ich habe fertig gelesen.
    Ich bin fertig.


    Es ist eine ganze Weile her, daß mich ein Buch emotional so geschafft hat. Dabei war die letzte Leserunde, deren „Ausläufer“ noch andauern, ebenfalls sehr intensiv und hart.


    Jetzt muß der gute alte Gustav Mahler zur Beruhigung herhalten. Seine 2. Sinfonie, die am Grab eines Helden beginnt und mit dem Ruf zum Jüngsten Gericht endet. Irgendwie passend. Mehr dann später.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")


  • :write (bis auf den um diese zeit nicht greifbaren mahler*g*)
    tja...
    ich fand es schön, dass annius überlebt hat.
    irgendwer schrieb weiter vorn, annius sei früh zum superhelden mutiert (oder ähnlich). finde ich nicht. auf mich wirkt er menschlich, schlicht, mit schwächen, und warmherzig. ich mag ihn.
    schade, dass caldus nicht auch davon gekommen ist.
    und noch einige. naja, eigentlich schlimm, dass überhaupt menschen menschen töten. der vater von sura ist nicht mehr aufgetaucht - oder hab ich etwas überlesen?
    beeindruckt hat mich die letzte rede des varus, als er seine leute zum angriff rief. und natürlich sein sterben. obwohl mich die genaue gebrauchsanweisung für selbstmörder schon etwas erstaunte.
    ist es authentisch, dass er nicht deshalb den selbstmord wählte, um der schande der niederlage zu entgehen, sondern, um seine soldaten zu retten? und stimmt es wirklich, dass die germanen die gegner dem opfertod geweiht hatten?
    _____________
    edit: und: dieses schild, diese tafel (mag jetzt nicht ins schlachtengetümmel zurückkehren) mit dem sinngemäßen text: wir sind, was ihr sein werdet, wir waren, was ihr seid - gab es den wirklich?
    (nervt das gefrage, was wahr ist?)
    (12 stunden nach beendigung der lektüre immer noch ziemlich geschafft)
    _____________


    obwohl voll ins geschehen gezogen, fiel mir doch ab und zu iris´ wortwahl angenehm auf. "begänne" statt "beginnen würde" zB.
    ja, da bringe ich, frisch vom lesen weg, hier so meine eindrücke zum virtuellen papier, und habe doch das gefühl, mich nicht so recht ausdrücken zu können. hat sicher mit dem erwähnten "geschafftsein" zu tun...
    ein sehr gutes, aufwühlendes buch.
    ich werde 10 punkte vergeben, wenn ich den rezithread besuche.


    PS: ich habe die zweite auflage. und hinten bei dem hinweis auf die tribun-romane steht tatsächlich "tri*o*logie"! shame on heyne!


    danke, iris!
    :anbet
    :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

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  • Gestern war auch mein "Das-Buch-ist-zu-Ende"-Tag. Ich bin nicht nur fertig, sondern völlig fertig. Mit mehr als ein bisschen Mühe habe gestern meine Eindrücke zum zweiten Leseabschnitt geschrieben, für die restlichen brauche ich noch ein bisschen Abstand.


    Deine Musik-Emfehlung hatte ich heute morgen in der Hand, hab sie aber zugunsten Verdis Requiem wieder weggestellt. "Tag der Rache, Tag der Sünden, wird die Welt in Flammen zünden." Diese donnernden Chöre, meine Güte, ja, das war meine gedachte musikalische Untermalung der Schlachtenszenen (oder sollte man Abschlacht-Szenen sagen?).

  • Zitat

    Original von drehbuch
    schade, dass caldus nicht auch davon gekommen ist.


    Das haben die überlieferten Fakten leider nicht zugelassen ... :-(



    Zitat

    naja, eigentlich schlimm, dass überhaupt menschen menschen töten. der vater von sura ist nicht mehr aufgetaucht - oder hab ich etwas überlesen?


    Nein, einiges habe ich versucht, offen zu lassen. Nach solchen Katastrophen herrscht ja auch ein ziemliches Wirrwarr, und über viele Vermisste erfährt man nie, ob sie überlebt haben oder nicht. Amra und ihre Tochter müssen wohl mit dieser Situation leben, die auch nach dem Zweiten Weltkrieg viele Menschen aushalten mussten.



    Zitat

    beeindruckt hat mich die letzte rede des varus, als er seine leute zum angriff rief. und natürlich sein sterben. obwohl mich die genaue gebrauchsanweisung für selbstmörder schon etwas erstaunte.
    ist es authentisch, dass er nicht deshalb den selbstmord wählte, um der schande der niederlage zu entgehen, sondern, um seine soldaten zu retten?


    Ich habe lange überlegt, wie ich das mache ... Es heißt ja, er habe sich am Ende in sein Schwert gestürzt, und das ist später, in der Hermannslegende, als Beleg für Feigheit angesehen worden. Wobei ich den deutschen Patrioten sehen möchte, der sich angesichts der damaligen Situation freiwillig in die Hände dieses Gegners begeben hätte. Eine andere Chance blieb ihm eigentlich nicht.
    Und da ich andernorts auch nicht ausgeblendet hatte, erschien es mir an dieser Stelle richtig, dranzubleiben.



    Zitat

    und stimmt es wirklich, dass die germanen die gegner dem opfertod geweiht hatten?


    Wir haben Hinweise darauf, dass solche Opferweihen tatsächlich stattgefunden haben, z.B. bei einer entscheidenden Schlacht zwischen Hermunduren und Chatten um ebenso lebenswichtige wie kostbare Salzquellen (wahrscheinlich an der Werra) im Jahre 58 n.Chr. Wilm Brepohl (s.u. -- so schlecht, wie die beiden Rezensenten behaupten, ist das Buch nicht. Der rüde Ton ist eher den üblichen Schlachtortdebatten geschuldet) hat daraus und aus der ungeheuren Brutalität der Varusschlacht geschlossen, dass es sich um einen solchen Fall gehandelt habe, und ich halte das ebenfalls für möglich. Arminius und seine Mitverschwörer mussten dafür sorgen, dass möglichst wenige überleben; denn erstens verursachte es den größtmöglichen Schrecken beim Gegner und zweitens verhinderte es, dass die Truppen bald wieder aufgestellt wären.



    Zitat

    edit: und: dieses schild, diese tafel (mag jetzt nicht ins schlachtengetümmel zurückkehren) mit dem sinngemäßen text: wir sind, was ihr sein werdet, wir waren, was ihr seid - gab es den wirklich?


    Das ist eine wohl häufige Grabinschrift gewesen, die auch Horaz zitiert, ein typisches memento mori, wie es die Römer gerne auf ihre Gräber schreiben ließen. Ein Arminius, der mit der römischen Kultur vertraut war, dürfte es durchaus gekannt haben. Horaz' Gedichte waren Gassenhauer!



    Zitat

    (nervt das gefrage, was wahr ist?)


    Nein -- selbst wenn ich auch keinen Anspruch auf Wahrheit erheben kann, bloß auf Möglichkeit oder evtl. Wahrscheinlichkeit. :-)



    Zitat

    PS: ich habe die zweite auflage. und hinten bei dem hinweis auf die tribun-romane steht tatsächlich "tri*o*logie"! shame on heyne!


    ehrlich: Ich bin schier im Erdboden versunken, als ich das sah! :schaem Zum Glück stammt diese Anzeige wirklich nicht von mir!



    Vielen lieben Dank für eure anerkennenden Worte! Es tut gut, zu sehen, dass dieses "schlimme Buch" seine Wirkung tut, ohne zu "nerven".

  • Und wieder ertönt Musik in meinem Kopf, wieder – natürlich - Bach: „Ächzen und erbärmlich Weinen“. Genau so ist mir zumute, als ich die Schilderung aus dem Lager der Germanen lese. Oh du liebe Güte, was mussten Frauen nicht schon zu allen Zeiten erleiden? Ach, warum nur wirkt bei Caldus der Mohnsaft (hm, wirklich?) nicht länger?


    Das Grauen beginnt immer mehr an meinen Nerven zu zerren, bekommt einen Namen: Arminius. Zu welcher Grausamkeit sind Menschen fähig? Ist es vielleicht sogar „normal“ für sie, so zu denken oder zu handeln? Ist es eine Art Blutrausch, der die Männer immer mehr anstachelt? Seite 371 „Zumindest die Jungen zeigten Anzeichen von Schrecken und Ekel...“ tröstet nur bedingt. Sie werden selber Gräueltaten begehen (müssen) oder durch Gräueltaten sterben. Ob dieses Wissen hilft, das zu tun, was sie tun werden? Rhetorische Fragen, wer mag eine Antwort wissen?


    Thiudgif entwickelt sich für mich immer mehr zu „Lichtfigur“ des Romans. Sie ist stark, wenn sie stark sein muss, erlaubt sich die Schwäche, wenn sie schwach sein darf. Um wie vieles härter das Leben in damaligen Zeiten wohl sein musste, zeigt für mich zumindest ansatzweise ihr für ihr Alter bzw. ihre Jugend erstaunliches Wissen, welche Wege sie zu gehen hat, wie sie sich zu verstecken hat, was essbar ist und was nicht, worauf sie zu achten hat beim Gang durch die Wälder etc. Überlebenswichtig, ich weiß, und dennoch...


    Seite 377 „Wir alle sind Gefangene...“ bringt mich wieder auf den Gedanken, der mir in den letzten Jahren angesichts der Nachrichten aus dem Irak, Afghanistan und anderen Schauplätzen kriegerischer Umtriebe so oft gekommen ist: Krieg ist immer männlich, Vernunft mehr als oft weiblich.


    Vor Sabinus, obgleich „nur“ eine Nebenfigur, ziehe ich meinen nicht vorhandenen Hut: „Du glaubst also an diese uns vom Schicksal übertragene Aufgabe, Frieden zu schaffen und den Völkern Gesetze zu geben?“. Ja, ja, mancher beginnt die Augen zu öffnen und nachzudenken, mal früher, mal später. Auch im weiteren Verlauf der Geschichte tut er nichts mehr, um mir unsympathisch zu werden. Respekt vor diesem Mann, vor dieser Romanfigur.


    Annius, ihn zu verstehen habe ich manchmal Schwierigkeiten. Aber was weiß ich schon vom soldatischen Leben und Denken. Froh bin ich, dass er Hilfe bekommt, wo er sie niemals erwartete, vielleicht setzt dieses Handeln der jungen „Barbaren“ ja auch in ihm den einen oder anderen Gedanken frei, den zu äußern vermutlich pure Ketzerei darstellen würde. Froh bin ich auch, dass er es allen Widrigkeiten zu Trotz schafft, sich in das rettende Vetera zu schleppen und dass er dort sein Mädchen wiedertreffen wird.


    Obwohl auch die letzte Seite noch eine letzte Verstörung für mich bringt „... verspürte die beißende Scham, ein Versehrter, ein Gezeichneter zu sein“, diesen Hauch der Hoffnung nehme ich mit und dieser Hauch ist es auch, der mich letzten Endes mit der Geschichte ein wenig versöhnen wird.


    Spontan fallen mir zwei weitere Bücher ein, die mich dermaßen haben zittern lassen (und zwar buchstäblich), das eine war "Das Zirrpen der Grillen" von Charles Martin (das hat sehr persönliche Gründe, die hier nichts zu suchen haben), das andere war "Der Schwarm" von Frank Schätzing (in meinem ganzen Leben werde ich das Weihnachtsfest nicht vergessen, am ersten Feiertag beende ich die Lektüre nach der Schilderung des Tsunami, am zweiten holt die Wirklichkeit das Buch ein).


    Trotz allem, ich bin froh, das Buch gelesen zu haben. Es hat vieles in mir freigesetzt, vieles werde ich noch nachlesen (oh ja, auch und ganz besonders Herrn Timpe). Und wenn ich jetzt aus dem Fenster schaue und das Hermannsdenkmal betrachte, dann tritt vor meinem inneren Auge ein Paar neben mich und schaut genau so fragend in das Gesicht des Cheruskerfürsten wie ich.


    Meine Rezi werde ich morgen oder übermorgen versuchen zu schreiben. Bekommen wird das Buch von mir zehn Punkte, das steht jetzt schon fest (auch wenn ich ursprünglich einen Punkt für die beiden Nächte voller Alpträume abziehen wollte - aber für meine Reaktion kann das Buch ja nichts, also bleibt es bei zehn).


    Nun denn, ein letztes Mal sei es mir erlaubt, etwas von Bach in meinem Kopf zu diesem Roman abspielen zu lassen: BWV 82 „Ich habe genug“.

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Zu welcher Grausamkeit sind Menschen fähig? Ist es vielleicht sogar „normal“ für sie, so zu denken oder zu handeln? Ist es eine Art Blutrausch, der die Männer immer mehr anstachelt?


    Das ist eine Frage, die mir nichts und niemand beantworten kann, so viel ich mich damit auch beschäftigt habe, weil auch ich es nicht begreife. Es ist ja ein Phänomen, das sich nicht auf dieses Ereignis beschränkt und schon gar nicht auf die damalige Zeit.
    Feststellen lässt sich, dass man weltanschaulich sehr weit gehen muss, um Menschen dazu zu bringen; das kann schnell gehen, aber auch ein schleichender Prozess sein. Diejenigen, die getötet werden sollen, müssen dazu ihrer Menschlichkeit schon beraubt sein, ehe man auf sie trifft.
    Außerdem schaukeln sich Grausamkeiten hoch (kann man schon beim Mobbing und Bullying beobachten: Werden keine Grenzen gezogen, dann werden evtl. gedachte immer weiter ausgedehnt). Jede bereits erfolgte Tötung verharmlost und begründet sogar die folgende.


    Die Mechanismen beschränekne sich übrigens nicht auf die männliche Psyche -- zwar steigen Frauen meist anders ein, aber sie sind nicht weniger mörderisch und, was mir persönlich jedesmal zu schaffen macht: sie bedienen sich meist der Männer, um töten zu lassen, und stacheln diese um so mehr auf. Frauen sind definitiv nicht die besseren Menschen.


    Was mich auch immer wieder erschüttert, ist, dass Menschen sich für ihre Treiben Begründungen vorlegen -- und dass sogar unbeteiligte Beobachter in den meisten Fällen Entschuldigungen für die Täter fingieren, indem sie bei den Opfern Mitschuld für die Eskalation suchen. Als müsse es eine Notwendigkeit für die Tat geben, die nicht im Täter zu finden ist. Das gilt nicht nur für Vergewaltigungsprozesse der 1960er und 1970er Jahre, sondern auch für den populärwissenschaftlichen Umgang mit längst vergangenen Schlachten, wie man u.a. an den Materialen, die das ZDF zu seiner Varusschlachtsendung für den Geschichtsunterricht zusammengestellt hat.



    Zitat

    Annius, ihn zu verstehen habe ich manchmal Schwierigkeiten. Aber was weiß ich schon vom soldatischen Leben und Denken.


    Dazu habe ich mir auch eine Frage gestellt:
    [sp]Woran klammert sich jemand, der in der Überzeugung überlebt, alles verloren zu haben, und sich schuldig fühlt, weil er dem eigenen Gefühl nach unverdient zu den wenigen Überlebenden gehört?[/sp]



    Ich danke dir ganz herzlich für deine Worte. Da ich weiß, dass es sich beim Varus um ein "schlimmes Buch" handelt, bewegt es mich zu sehen, dass es die Menschen berührt und vielleicht einige Fragen, die sich mir auch heute noch stellen angesichts der regelmäßig verbreiteten Nachrichten aus Kriegs- und Kampfgebieten (aber nicht nur von dort), aufwerfen kann.




    Jetzt muss ich aber schnell los ... :wave

  • beim lesen deines letzten postings musste ich spontan an den amokläufer von vor einigen wochen und - vor allem den gespoilerten text betreffend - an den bzw die überlebenden des holocausts denken.
    und dass frauen nicht besser sind als männer, ist mir auch klar.
    sie sind nur - meist - subtiler :grin
    und - aus der historischen rolle heraus - vielleicht normalerweise aus anderen gründen aggressiv. :gruebel

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Das Grauen beginnt immer mehr an meinen Nerven zu zerren, bekommt einen Namen: Arminius. Zu welcher Grausamkeit sind Menschen fähig?


    Ich schleich mich hier noch mal rein :-)


    Dieser Satz hängt mir irgendwie nach. War denn Arminius wirklich grausamer als andere Stammesfürsten seiner Zeit? War er wirklich grausamer als die Römer (die ja ungefähr zeitgleich in Rom in ihrem Zirkus Maximus Massen von Menschen zur Volksbelustigung den Tieren vorwarfen).


    wir sind, was ihr sein werdet, wir waren, was ihr seid


    Oder hat er am Ende nur das übernommen, was er von den Römern gelernt hat in Sachen Kriegsführung, sie also quasi mit den eigenen Waffen geschlagen?

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Oder hat er am Ende nur das übernommen, was er von den Römern gelernt hat in Sachen Kriegsführung, sie also quasi mit den eigenen Waffen geschlagen?


    Ohne jetzt, bevor ich mein eigenes Post zu diesem Abschnitt geschrieben habe, zu sehr ins Detail zu gehen, und ohne Iris vorzugreifen: ich schätze, genau das ist es. (Kommt das nicht sogar wörtlich an einer Stelle im Buch vor?) Auch paßt das Verhalten "gut" in die damalige Zeit. Über Germanen habe ich bisher wenig gelesen, aber die Kelten hatten durchaus auch solche Praktiken, die gerne verschwiegen werden, weil sie so gar nicht in unser heutiges Bild passen (Menschenopfer, Grausamkeiten in der Kriegsführung).

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Seite 369 (und andere): Es ist für die germanische Sprache immer wieder von „kehligen Lauten“ die Rede. Diese Beschreibung für die „Barbarensprache“ ist mir auch in anderen Büchern schon aufgefallen. Gibt es irgendwelche Überlieferungen in dieser Hinsicht? Also wurde die Sprache beispielsweise von römischen Autoren so bezeichnet? Und: gibt es CD-Aufnahmen davon; nein - nicht von damals, sondern natürlich von heute, indem man Texte in dieser alten Sprache aufgenommen hat (so man überhaupt weiß, wie die ausgesprochen wurde). Das Keltische hat ja bis heute überlebt, das Germanische auch irgendwo?


    Caldus lebt also, wie gesagt noch. Ich hatte schon befürchtet, daß er für die Opferung aufgehoben wurde. :cry Wenigstens hat er es erreicht, schnell aus dem Leben zu scheiden. Ich hatte wirklich gehofft, er würde es irgendwie schaffen (obwohl ich schon beim „diagonalen recherchieren“ gelesen habe, daß alle Offiziere umkamen).


    Dann verfolgen wir die beiden kleinen Fluchtgruppen abwechselnd. Thiudgif im eigenen Land, und dennoch muß sie Angst haben. Eine irritierende Vorstellung. Bei der Begegnung mit den Dörflern haben sie Glück und finden Hilfe. Interessant auch der Gegensatz der beide "vereinten" Gruppen, also die um Thiudgif und die Prostituierten, die zähneknirschend anderkennen müssen, daß aus dieser Situation sie nur Thiudgif retten kann, weil sie Orts- und Überlebenskenntnisse hat. Über die beiden Freigelassenen habe ich gefunden, daß sie vermutlich auch ums Leben gekommen sind. Also konnten sie hier im Buch auch nicht überleben. Ich hätte es ihnen so gegönnt.


    Weniger Glück haben Annius und seine Begleiter. Nur noch zwei sind übrig. Und bald nur noch einer. Ich hatte wirklich gehofft, sie kämen beide durch.


    Seite 403. “Mächtige kämpfen gegen Mächtige, und wir zahlen den Zoll, ganz gleich an wen.“
    Wie früher schon gesagt: manche Dinge ändern sich nie.


    Dann geht es, Gott sei Dank, etwas schneller. Thiudgif und Annius kommen getrennt in Vetera an. Wie zum Zeichen wird er von Thiudgif entdeckt, die sich auch um seine medizinische Versorgung kümmert, wie wir aus einem Nebensatz erfahren.


    So finden sich am Ende nach unermeßlichem Grauen wenigstens diese beiden, die sich unter so ungünstigen Umständen einst getroffen haben. Einst - erst ein paar Wochen her und doch so unendlich lange.



    * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *


    Eine Stelle auf der letzten Seite habe ich übrigens (trotz mehrfachen Lesens) nicht so richtig verstanden:


    “Ich bringe dich zum Medicus“, sagte sie schlicht.
    Er verbat sich die schroffe Antwort, das schaffe er schon allein. Sie wusste es ohnehin.


    Müßte das nicht eher „er verkniff sich die schroffe Antwort“ heißen? Denn „Ich bringe dich zum Medicus“ ist für meinen Begriff überhaupt nicht schroff, und eine Antwort ist es auch nicht.



    So Dinge wie „durch das Buch wurden aus Zahlen Menschen aus Fleisch und Blut“ oder „regt sehr zum Nachdenken an“, „zwingt, historische Ereignisse auch mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten“ schreibe ich dann eher in die Schlußrezi (deren erster und letzter Satz schon fertig sind, nur der „Mittelteil“ fehlt noch).

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")


  • dort stolperte ich auch, habe das aber so interpretiert, dass er sich selbst eine (schroffe) antwort verbat/verkniff. die antwort wäre evtl. deshalb schroff ausgefallen, weil er gerührt und verlegen war, einmal wegen des wiedersehens und dann wegen seiner verwundung, seines sich-als-krüppel-fühlens, vor allem im vergleich zu diesem jungen mädchen.
    so etwas in der art...
    :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)


  • Seiten 247 ("Wir..."entgegnete er kalt. "Oder hast du vergessen, wie der Aufstand in der Pannonia niederschlagen wurde? Wie der letzte Aufstand hier in der Germania erstickt wurde?") und eine andere Stelle in dem Roman geben da eine ziemlich eindeutige Auskunft - für mich zumindest.


    Mein Grauen auf Seiten der Römer hat einen anderen Namen: Gaius Iulius Caesar. Der spielt ja nun in dem Buch nicht mit - ich glaube, das hätte ich dann doch nicht mehr ertragen.


    So große Schwierigkeiten ich auch mit dem Buch von Christian Pantle habe, möchte ich doch zwei Stellen daraus zitieren:
    Im ersten geht es um die "Schlacht" gegen die Usipeter und Tenkterer "Mit ein paar lapidaren Sätzen schildert Caesar hier ein Verbrechen von ungeheurer Dimension. Er selbst spricht von 430 000 Feinden - Frauen und Kinder sind hier eingeschlossen -, und die Römer töteten praktisch alle. Auch wenn diese Zahlenangabe sicherlich übertrieben ist, beschreibt sie einen Massenmord von einem Ausmaß, wie es ihn in der Menschheitsgeschichte nur selten gab." (Seite 47)


    Und zum zweiten (und hier bekommt er meinen Beifall, Pantle meine ich):
    "Es mutet wie Ironie an, dass ausgerechnt der Tatenbericht Der Gallische Krieg dieses Menschenschlächters zur Standardlektüre schlechthin wurde, um bis heute Generationen von Lateinschülern eine humanistische Bildung zu vermitteln." (Seite 48)


    Edit: Das Buch des Focus-Redakteurs meine ich:

  • keine panik! :knuddel1 :keks
    wichtig ist der inhalt deiner postings - und der liest sich sehr interessant.
    die versehentlichen doppel können, wenn du es denn unbedingt willst, nach entsprechender benachrichtigung überdies von einem moderator gelöscht werden.


    mich beschäftigt das buch auch weiterhin.
    habe vorhin mit einem bekannten über den varus´schen selbstmord eine heftige diskussion geführt. er hält die hiesige variante für vollkommen aus der luft gegriffen, soldaten seien zu allen zeiten als kampfmaschinen angesehen worden, ihr einziger sinn sei es, für das vaterland zu töten und getötet zu werden. und varus hätte sie wenn, dann dazu retten wollen, damit sie weiterkämpfen können. das überleben einzelner wäre ihm sicher sehr egal gewesen. eine zeitgenössische quelle, welche, wusste er leider nicht mehr, solle gesagt haben, varus hätte sein schwert statt gegen sich gegen den feind richten sollen.
    irgendwie wünsche ich mir, dass es so ist, wie iris es geschildert hat...
    auch zu arminius hatte er eine teilweise andere ansicht.
    der charismatische einiger. hat die deutsche kultur verteidigt.
    dass es damals noch gar nicht allzuviel kultur bei uns gegeben hat und dass sehr wohl germanen gegen germanen kämpften, wollte er nicht so recht gelten lassen.
    aber ich bin des kämpfens müde*g*
    MICH hat die iris´sche version vollstens überzeugt.

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Zitat

    Original von drehbuch
    keine panik! :knuddel1 :keks
    wichtig ist der inhalt deiner postings - und der liest sich sehr interessant.


    Danke!


    Zitat

    soldaten seien zu allen zeiten als kampfmaschinen angesehen worden, ihr einziger sinn sei es, für das vaterland zu töten und getötet zu werden.


    Soll ich noch einmal aus dem Pantle-Buch zitieren? "Jeder Legionär war zu der Zeit ein Berufssoldat, ein gut ausgebildeter und schwerbewaffneter Profikiller mit eiserner Rüstung." (Seite 13) Na, ich dank doch auch schön, besonders für die Formulierung!


    Er hat noch so einen parat: "Umfassende Massaker an Männern und Frauen, Kindern und Greisen - nach heutigen Maßstäben Genozide - waren für die Soldaten keine Kriegsverbrechen, nicht einmal Exzesse, sondern ein übliches Standardverfahren, um Furcht und Schrecken zu verbreiten." (Seite 13/14)


    Wenn ich ehrlich sein, als ich das gelesen habe, hat sich mein Magen nicht nur einmal umgedreht.


    Zitat

    MICH hat die iris´sche version vollstens überzeugt.


    Mich auch!


    Mein herzlicher Dank gilt auch Dir für das Anstoßen der Leserunde!

  • Vielleicht kann Iris noch einmal helfen:
    Pantle sagt in seinem Buch "die heute vielfach verbreitete Behauptung, Arminius sei zeitweise in Rom aufgewachsen, ist nichts als pure Spekulation."


    Mir ist schon klar, dass es da keine Aufzeichnungen gibt oder geben kann. Aber würde nicht seine umfassende Kenntnis über die Römer (nicht nur ihres Militärwesens), die er doch fast schon zwangsläufig haben musste, um einen so "durchschlagenden" Erfolg zu haben, dafür sprechen, dass er in römischer Umgebung mit römischer Erziehung groß geworden ist?