Kurzgeschichte, Erschienen online in Strange Horizon, Juni, 2007
Über die Autorin:
Ruth Nestvold, Bei uns im Forum nessie.
Ruth Nestvold wurde 1958 in Colville, Washington, USA geboren, lebt aber seit dreißig Jahren in Deutschland. Nach ihrer Promotion in Anglistik an der Universität Stuttgart war sie einige Jahre an verschiedenen deutschen Universitäten tätig. Seit sie 1998 am Clarion West Writers Workshop in Seattle teilgenommen hat, der von dem Bestsellerautor George R.R. Martin geleitet wurde, sind ihre Kurzgeschichten und Novellen in zahlreichen Zeitschriften und Anthologien erschienen. Ihre Geschichte "Looking Through Lace" wurde für den "Tiptree Award" und den "Sturgeon Award" nominiert. 2007 wurde der italienischen Übersetzung die Auszeichnung "Premio Italia" für den besten internationalen Roman verliehen. Heute arbeitet Ruth Nestvold im IT-Bereich und als freie Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrem Ehemann in Stuttgart.
Eigene Zusammenfassung der Handlung:
Die Geschichte einer jungen Frau in den fünfziger Jahren, die in Alaska aufwächst und dann trotz Zweifeln und Ängste die karge Heimat zu verlassen, an der Universität von Washington geht, um da zu studieren.
Zum Abschied bekommt Victoria Askew von ihrer Mutter ein Kleidungsstück, den titelgebenden "leaviing sweater" geschenkt. Diesen robusten Pullover trägt sie jahrelang bei entscheidenden Reisen. Er ist für sie ein Glücksbringer und ihre künftigen Gründe, jemanden oder einen ort zu verlassen führt sie auf ihn zurück.
Um Karriere zu machen, entscheidet sie sich später auch gegen den Heiratsantrag ihres Freundes,
doch die Wechsel der Universitäten von Washington nach Austn, Texas bringen nicht den gewünschten Erfolg. Victoria verlässt die Uni ohne Abschluss. Eine Heimat findet sie in einer Kleinstadt in Oregon. Dort wird sie Lehrerin, verliebt sich. Hier will sie immer bleiben, also wird der Leaving Sweater“ entsorgt.
Als Vicky ihren Job verliert und die Beziehung in die Brüche geht, steckt sie fest in einer Krise.
Erst als sie von ehemaligen Schülern ermutigt wird, sich einen neuen Leaving sweater zu stricken, rafft sie sich auf, erneut den Weg in die Freiheit anzutreten, mit unbekannten Ziel, aber mit allen Chance.
Rezension:
Es handelt sich nicht um Genre-Fantasy, da es hier nur ein kleines phantastisches Element gibt und das interpretiere ich als Metapher.
Ein durchaus realistischer, amerikanischer Lebenslauf, den Ruth Nestvold hier beschreibt.
Eine Frau, die lange nichts richtig zu Ende bringt, dabei wird der Charakter nicht etwa von der Autorin verraten und schlecht dargestellt, die Probleme sind realistisch und nachvollziehbar. Sie sucht ihren Weg und das ist das wichtige.
Hinzu kommen auf einfache Weise dargestellt, der Wechsel der Zeiten: Die Lebensweisen vor und nach der sexuellen Revolution in den Sechzigern werden gestreift. Dazu braucht es nur die Erwähnung weniger Worte wie Minirock, Bob Dylan, Andy Warhol und schon laufen die Bilder im Kopf des Lesers von alleine ab.
Amüsant, dass Vicky, als sie von der Uni in die Kleinstadt kommt, dort als Lehrerin für ihre Schüler als Symbol für die große Welt gilt. Noch vor wenigen Sätzen erst war sie selbst ein Mädchen, das ihre Heimatstadt nicht verlassen wollte. Solche Entwicklungen lassen sich in dieser kurzen Form gut darstellen, wenn man die Form beherrscht. Mit ca. 2400 Worten handelt es sich um eine Länge, wie ich es bei Kurzgeschichten mag.
The Leaving Sweater ist eine berührende Geschichte mit einem relativ offenen Ende. Wird es Vicky auf ihrer nächsten Station besser ergehen?
Ich mag es, dass der Text keine Message vorgibt, die sagt, was falsch und was richtig ist, denn das ist in der Realität auch nicht der Fall. Ob ein Bleiben oder ein Weggehen richtiger ist, welche Chance man verpasst oder wie wichtig ein möglicher Erfolg ist, weiß man meistens erst hinterher.
Ich gebe der Geschichte 9,5 von 10 Punkten.