Die Autoren: Donald Cammell war Maler, Autor und Regisseur, ein "Enfant Terrible" im Umfeld der Rolling Stones und ein enger Freund Marlon Brandos.
Marlon Brando war .... aber das dürfte bekannt sein!
Das Buch: Durch eine Falschaussage rettet der Seemann Anatole "Annie" Doultry einem wegen Piraterie verurteilten Mithäftling im Gefängnis, in welchem Annie wegen Waffenschmuggel einsitzt, das Leben. Wieder in Freiheit bekommt Doultry ein verlockendes Angebot. Für viel Geld soll er dabei helfen ein britisches Schiff, welches Silber geladen hat, um seine Ladung zu erleichtern. Das Angebot kommt von Madame Lai, der ebenso schönen wie durchtriebenen Piratenkönigin des chinesischen Meeres.
Meine Rezension: WOW!!! Ein dreifaches WOW für diesen phantastischen Roman! Er ist eine mitreißende, wilde Abenteuerposse, turbulent, wild und hemmungslos in seiner Schilderung der Ereignisse, ein farbenprächtiger Schmöker, wie er unterhaltsamer nicht sein könnte!
Ursprünglich war die ganze Geschichte als Drehbuch geplant, in dem Brando die Hauptrolle unter der Regie von Cammell übernehmen sollte. Das Filmprojekt scheiterte, vor allem an Brandos Unvermögen wirklich dabei zu bleiben, und so beschloss Cammell die Geschichte wenigstens als Roman fertigzustellen, allerdings wieder mit Brando, welcher Korrektur las. Endgültig fertiggestellt wurde das Buch erst Jahre später von David Thomson, der von den Erben Brandos und Cammells damit beauftragt wurde.
Beide Autoren waren hemmungslose, expressive Künstler (das von Thomson verfasste Nachwort enthält auch eine kurze Biographie Cammells), und das merkt man dem Roman auf jeder Seite an. Der üppige, an einigen Stellen süffige Stil ist teilweise ungeheuer poetisch, um dann, schon im nächsten Satz, in brutale Ehrlichkeit und Obszönität abzugleiten. Vor dem Leser wird eine bunte Palette abenteuerlichstes Seemannsgarn ausgebreitet, so schillernd und farbenfroh wie ein 50er-Jahre-Seeräuberfilm aus Hollywood für Erwachsene, hier unterhält nicht nur die Geschichte selbst, sondern ganz besonders auch die Art, wie sie erzählt wird.
Beinahe jeder Satz hat seine Berechtigung, jeder Absatz ist für sich ein kleines Gesamtkunstwerk, dessen Worte einschlagen wie Kanonenkugeln in den feindlichen Schiffsrumpf und die diese Geschichte ungeheuer lebendig und wirkungsvoll machen.
"Annie" Doultry ist ein abenteuerliches Schlitzohr, ebenso unberechenbar wie das chinesische Meer, auf welchem er sich herumtreibt. Ihn zu fassen ist beinahe unmöglich, zu wechselhaft sind seine Launen und sein Charakter, er entscheidet spontan, nach Gefühl, immer an den Gewinn von morgen denkend, nie an den Verlust von gestern.
Er stürzt sich in Abenteuer und Vergnügen, das augenblickliche Erleben interessiert ihn mehr als die Konsequenzen, doch er verliert dabei nie seinen Vorteil aus den Augen, er ist immer wachsam, um nicht übers Ohr gehauen zu werden, dieses Schicksal gedenkt er lieber den anderen zu bereiten. Auf seine Unverlässlichkeit ist Verlass, sein gutmütiger Spieltrieb kann schnell in kalte Berechnung oder wilden Zorn umschlagen. Er ist ein beinahe gleichmütiger Verlierer, wobei er im Augenblick des Verlustes schon den nächsten Gewinn im Auge hat. Trotz alle dem oder gerade deswegen muss man ihn einfach mögen!
Die ganze Geschichte hat etwas zeitloses, man könnte sie sich als Film mit Douglas Fairbanks ebenso gut vorstellen wie als Konkurrenzfilm zu "Fluch der Karibik". Vielleicht kommt der ursprünglich geplante Film ja doch noch zu Stande, hoffentlich dann ganz im Sinne des Buches und nicht als die übliche weichgespülte Mainstream-Sauce, hoffentlich wird die rohe Kraft dieses Werkes nicht der Massenkompatibilität geopfert! .....aber ich schweife ab, noch ist es ja nicht so weit.
Was bleibt noch zu sagen über dieses Buch, welches neben den Großen der Abenteuerliteratur einen besonderen Platz verdient hat, und einige von ihnen an Ausdruckskraft und verspielter Fabulierkunst locker in seinem Kielwasser zurücklässt? Von mir zumindest nichts, was diesem Buch gerecht werden würde, und deshalb halte ich jetzt auch die Klappe!