Hannah Tinti: Die linke Hand

  • Die linke Hand von Hannah Tini ist für die, die sich gerne in eine schöne Geschichte verlieben wollen


    Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wächst der 12-jährige Ren in einem katholischen Waisenhaus im amerikanischen New England auf. Schon als Säugling wurde er bei den Priestern abgegeben. Das besondere an ihm: Ren fehlt die linke Hand; ein Handicap, das verhindert, dass er von den Farmern der Umgebung als billige Arbeitskraft adoptiert wird. Eines Tages kommt der junge Benjamin Nab in das Waisenhaus und gibt an, Rens Onkel zu sein. Er nimmt ihn mit, und schnell stellt sich heraus, dass Benjamin nicht sein Onkel ist. Aber was will er von Ren? Und kann er ihm dennoch etwas über seine Familie erzählen?


    Doch erst einmal entdeckt der kleine Waisenjunge eine völlig neue Welt. Zusammen mit dem ehemaligen Lehrer Tom halten sich Benjamin und Ren mit kleinen Gaunereien und Diebstählen über Wasser. Sie plündern die Friedhöfe und graben frische Leichen aus, um sie für viel Geld an wissbegierige Ärzte zu verkaufen – Obduktionen waren damals noch verboten. Bis sie eines Tages einen Mann ausgraben, der noch gar nicht tot ist...


    Mein Fazit:


    In ihrem Erstlingsroman „Die linke Hand“ erzählt Hannah Tinti die Geschichte des kleinen Waisenjungen Ren, voller Inbrunst und Sympathie für jene, die am Rande der Gesellschaft stehen. Sie bettet ihre Story in das New England des 19. Jahrhunderts, geprägt von brodelnder Aufbruchsstimmung und vielen armen Immigranten, die im Nordosten Amerikas ihr Glück suchen. So erinnert ihre Handlung auch ein wenig an die Romane des großen Charles Dickens. Wenn auch ein wenig kitschig, erzählt sie die Geschichte mit viel Humor und hohem Tempo, manchmal etwas makaber, aber mit einem Ende, das amerikanischer nicht sein kann. Für alle, die sich gern in eine schöne Geschichte verlieben wollen.

  • Mit Jugendbüchern kann ich meist nicht so recht was anfangen, von daher bin ich beruhigt, daß es auch für Erwachsene "geeignet" ist. Es ist auch gleich auf meiner Wunschliste gelandet. :-)

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Ich kann mich Sisch nur anschließen, dass dieser Roman sehr stark an die Romane von Charles Dickens erinnert, nur in etwas modernerem Gewand und in meinen Augen temporeicher.


    Das Milieu entspricht dem auch. Ren, dem die linke Hand fehlt, lebt in einem katholischen Waisenhaus, bis ein Benjamin Nab ihn da rausholt. Er gibt sich mal als sein Bruder, mal als sein Onkel aus, wie es eben so passt.


    Benjamin und sein Kumpel Tom schlagen sich mit Tricksereien (Verkauf vermeintlicher Zaubertinkturen auf Jahrmärkten z.B.), kleinen Diebstählen, Gaunereien durchs Leben und ziehen so von Ort zu Ort. Denn schnell wird es an einem Ort dann auch gefährlich.


    Deshalb wollten sie auch eigentlich nicht zurück nach North Umbrage. Warum, weiß auch der Leser lange Zeit so genau nicht. Dort lässt sich aber mehr Geld verdienen mit "fischen" - dem Ausgraben von Leichen und deren Verkauf an den Arzt des örtlichen Krankenhauses.


    Natürlich bleibt die Gruppe nicht unbehelligt in North Umbrage, muss immer wieder fliehen, gerät in Schlägereien, wird auseingerissen, eingesperrt.


    Ren ist da manchmal etwas hin und her gerissen. Hat er doch im Waisenhaus bis zu seinem 11. Lebensjahr eine katholische Ausbildung bekommen. Nun trifft er auf Menschen, die er zwar ins Herz schließen möchte, die aber Unrecht tuen.
    Er weiß auch nie so recht, wie er es nun mit dem Beten halten soll. Allein, dass er nun nicht mehr zum Gottesdienst und zur Beichte geht, ist anfangs ein Problem für ihn.


    Hannah Tinti erzählt mit viel Tempo, Action und auch witzigen Szenen die Geschichte von Ren. Wie er es schafft, dem Waisenhaus zu entkommen, sich in seiner neuen Umgebung einzuleben und auch auf die Spuren seiner Herkunft zu kommen.


    Beim Lesen hat man manchmal so ein bisschen das Gefühl, ein Märchen zu lesen. Dazu gibt es dann natürlich zwingend ein Happy-End :-).


    8/10 Punkte.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Sigrid hat es als WB zur Verfügung gestellt und dafür nochmals ganz lieben Dank :knuddel1
    Wie schon geschrieben, im Laden wäre ich daran vorbei gelaufen. Wieder einmal hat sich bewiesen, daß die Eulen-WBs für mich eine echte Bereicherung sind an Büchern, die mir zuerst nicht auffallen, mich beim Lesen dann total begeistern.


    An zwei Nachmittagen habe ich es gelesen. Ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen.


    Mich erinnert es auch etwas an John Steinbeck :gruebel


    Temporeich, vor allem mit viel Witz wird die Geschichte erzählt. Selbst das Happy End ist nicht zu konstruiert. Es als Märchen zu bezeichnen finde ich auch eine schöne Variante.


    Von mir 9 Punkte


  • :write


    Wirklich ein schönes Buch das man nicht mehr aus der Hand legen mag. Allerdings kann ich mich auch nicht entschliessen ob ich es als Jugendbuch oder für Erwachsene einordnen soll. Ist mir aber egal, ich bin vollauf begeistert und von mir gibt es 10 Punkte.

    Diese Eintrag wurde bisher 47 mal bearbeited, zultzt gerade ebend, wegen schwere Rechtsschreipfeler.

  • "Die rechte Hand" hat meine Leseerwartungen voll erfüllt und mir wirklich gut gefallen.


    Irgendwo zwischen Charles Dickens´ "Oliver Twist" und Robert Louis Stevensons "Der Leichenräuber" angesiedelt erzählt die Autorin eine gradlinige und spannende Abenteuergeschichte, wie man sie heute nur noch selten findet. Die Hauptpersonen sind moralisch gesehen alle nicht frei von Schuld, aber trotz oder gerade wegen ihrer Ecken und Kanten sehr menschlich und authentisch. Am interessantesten fand ich hier die Figur des "Dolly".


    Das Ende fand ich weder kitschig noch besonders amerikanisch, sondern diesem Buch durchaus angemessen (man denke nur an das Ende von "Oliver Twist"...).
    Ich würde das Buch übrigens eher unter den Erwachsenenbüchern einordnen, denn die Stellen auf dem Friedhof oder im Krankenhaus sind schon recht heftig. Außerdem verschwinden mir für ein Jugendbuch zu viele Hände unter fremden Röcken :grin


    Insgesamt kann ich dieses Buch für Liebhaber klassischer Abenteuerliteratur nur empfehlen.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Eine Geschichte, die sich gut weglesen läßt und wunderbar die Stimmung des 19.Jahrhunderts und die beginnende Industrialisierung einfängt. Gleichzeitig ist man stets gespannt, welches Geheimnis Ren tatsächlich umgibt. Die Charaktere sind allesamt ein wenig schräg und gerade deshalb besonders liebenswert. Dabei kann dieses Buch ohne Weiteres auch von Jugendlichen gelesen werden, wenn ich es auch nicht als reines Jugendbuch einordnen würde.

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Zitat

    Original von grottenolm
    "Die rechte Hand" hat meine Leseerwartungen voll erfüllt und mir wirklich gut gefallen.


    @ grottenolm, hattest du eine andere Ausgabe? :keks

    Diese Eintrag wurde bisher 47 mal bearbeited, zultzt gerade ebend, wegen schwere Rechtsschreipfeler.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von kuschelhundchen ()

  • Uuups, wie peinlich. :wow


    Naja, ich finde, man sollte Verlorenem nicht hinterhertrauern, sondern sich lieber an das halten, was man noch hat. :grin

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Die Geschichte läßt sich locker weglesen, verzaubert bzw. voller Magie war sie für mich nicht. Das liegt aber hauptsächlich daran dass ich mich immer wieder schwer damit tue, wenn ständig über faule Zähne, schorfige Haut usw. geschrieben wird. Ganz ehrlich ich kann das dann regelrecht riechen :uebel

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Die linke Hand
    "The Good Thief", Hannah Tinti, 2008

    Übersetzung aus dem Amerikanischen Englisch: Irene Rumler
    Meine Rezension bezieht sich auf die Ausgabe:
    Luchterhand, ISBN: 978-3630871653


    Ein wenig wie Oliver Twist kommt es daher, dieses amerikanische Buch über einen einarmigen Waisenjungen Ren, der begleitet von zwei Gaunern im Amerika des 19. Jahrhunderts zu überleben versucht und den es so nach North Umbrage verschlägt. Und zwischen Mausefallen, Zwergen, Friedhöfen und Mördern, die wie große Babys erscheinen schleicht sich immer mal wieder ein Gefühl der Seligkeit ein, wenn man Ren bei seinem Weg durchs Leben zuschaut. Ein Junge, begleitet von einem amüsanten Tagedieb, einem verlotterten Lehrer, die allerlei kleine Schummelein nötig haben, um ihr Dasein zu fristen, das hat was. Und so graben sie Leichen aus, die teilweise weniger tot sind, als man denkt, werden vom Mausefallenmagnaten behelligt oder stellen sonstigen Unsinn an.


    Diese Atmosphäre, irgendwo zwischen dem Charme vergangener Tage, Groteske, Abenteuer und Rens zuckersüßer Coming of Age-Geschichte, mit denen sich der Roman in die Herzen der Leser stiehlt, wirkt allerdings in Teilen leider ein wenig bemüht. Die für sich durchaus netten Skurrilitäten wirken manchmal ein wenig "too much", ein wenig zu konstruiert, ein wenig zu undurchdacht und für das Happy-End à l'américaine ein wenig zurechtgebogen. Mit Atmosphäre und ein wenig makaber-skurriler Stimmung wird der Plot des Romans, die Herkunft Rens, die stark mit North Umbrage verknüpft ist, völlig erdrückt und marginalisiert - die für Ren wichtigen Erkenntnisse und Enthüllungen kommen viel zu knapp.


    Es werden Chancen vertan, Unnötiges wird in den Vordergrund gestellt. Ichy und Brom, die Zwillinge, die Ren im Klosterwaisenhaus Freunde waren und die ihm wiederbegegnen, werden zu bloßen Pappgestalten, die ein wenig rumheulen und nur fürs Happy-End dabei sein müssen. Rens Freund, der Mörder in der Gestalt eines Riesen mit dem Gemüt eines Kleinkindes, verschwindet hingegen von der Bildfläche - vielleicht war er doch nicht die richtige Gestalt, die in einen hoffnungstrunkenen Epilog passen würde? Da passt nur noch der Zwerg auf dem Dach, der ist wenigstens harmlos und mault nur, wenn seine Socken nicht gestopft werden.


    Ich finde es traurig, dass so viel Potenzial verschenkt wurde, dass nur etwas mittelmäßig Gutes herausgekommen ist, wo allein von der Idee her sehr viel mehr möglich gewesen wäre. Es immer noch ein Roman der zum Schmunzeln bringt, der mit kleinen schwarzhumorigen Überraschungen aufwarten kann und die Atmosphäre des aufstrebenden Amerikas im Charme der Mausefallenfabrik einfängt, aber eine Geschichte, in der die Skurrilitäten ein bisschen weniger konstruiert wären oder die sich weniger dem Wunsch nach einem absoluten Happy-End beugen würden, wäre durchaus möglich und sehr viel überzeugender gewesen. So bleibt ein keineswegs schlechter, aber nicht wirklich begeisternder Roman über das Abenteuer eines Waisenjungen, in dem leider nur stellenweise dieses magische Etwas aufblitzt, die dem Leser ein seliges Lächeln aufs Gesicht zaubert.


    7/10 Pkt.


    Liebe Grüße,
    bartimaeus

  • Im Januar 2011 erscheint bei btb für 9,95 Euro das Taschenbuch! :wave
    Wäre das Cover etwas hübscher gewesen, hätte ich mir das glatt noch zugelegt. Irgendwie hoffe ich sehr, dass in nächster Zeit wieder etwas neues von Hannah Tinti auf den Markt kommt.