'Mansfield Park' - Kapitel 27 - 32

  • Nachdem Fanny für den Ball von Mary eine Kette geschenkt bekommen hat, schenkt Edmund ihr nun auch eine. Das ist wieder eine schöne Geste, ein Zeichen seiner Zuneigung. Er akzeptiert sie als seine Cousine und nicht als niedrig gestelltes Wesen.
    Der Ball findet statt und Fanny steht im Mittelpunkt. Das passt so gar nicht zu ihr und sie fühlt sich unwohl. Warum wird eigentlich geschrieben, dass sie gesundheitlich so angeschlagen ist und schnell erschöpft? Am Anfang dachte ich noch das hängt mit ihrem schlechten Zustand von zu Hause zusammen und gutes Essen und frische Luft päppeln sie wieder auf. Inzwischen ist sie ja schon Jahre dort und müsste sich erholt haben. Aber immer wieder hört man über die Schwäche von Fanny.


    Edmund ist von Mary enttäuscht und besucht einen Freund, während Mary eine Einladung für einen längeren Aufenthalt bei ihrer Freundin in London angenommen hat. Edmund verlängert seinen Aufenthalt und Mary empfindet so etwas wie Eifersucht. Wie ähnlich sich irgendwie doch die Geschwister Crawford sind. Mary versucht Fanny auszuhorchen und sie durchschaut das Spiel.


    Um an Fanny ranzukommen, reist Mr. Crawford zu seinem Onkel dem Admiral und nimmt William mit. Der Besuch bringt aber auch etwas Gutes, William wird zum Leutnant befördert.


    Wer mich jetzt richtig ins Grübeln bringt ist Henry Crawford. Kann es sein das er sich wirklich in Fanny verliebt hat? Es soll ja schon vorgekommen sein, dass ein großer Frauenheld plötzlich die große Liebe entdeckt oder aus einer Wette zwischen Kumpels sich echte Gefühle entwickeln. Mir tut Fanny leid, sitzt sie doch jetzt zwischen den Stühlen. Und zu allem Unglück macht ihr der Onkel auch noch Vorwürfe. Das wiederum kann ich irgendwie verstehen, weil der Mr. Crawford ist ja schon eine gute Partie. Aber er kennt ja die Hintergründe nicht, nicht das seine Töchter beide in Mr. Crawford verschossen waren und das er nur spielt. Was ich dem Onkel aber hoch anrechne, dass er Fanny vor Mrs. Norris in Schutz nimmt und irgendwie doch versucht ihr die Sache zu erleichtern.

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Das mit der Kette war von Mary ja gut eingefädelt, weil sie sie mal von ihrem Bruder Henry bekommen hat und dieser ja in Fanny verliebt ist. So wirklich bin ich nicht dahinter gestiegen, ob er nun richtige Gefühle für sie hatte oder das auch alles nur gespielt war. Schön fand ich es, als sie von Edmund noch eine Kette für ihren Anhänger geschenkt bekommen hat.


    Als ihr Onkel Fanny als egoistisch bezeichnet hat, weil sie Henry nicht heiraten wollte, tat sie mir richtig leid. Ich finde, sie ist alles andere als ein Ich-Mensch. Schade eigentlich, dass sie ihm nicht erzählt hat, dass er eigentlich erst Maria umschwärmt hatte ...

    :lesendIlsa J. Bick - Brennendes Herz


    Es gibt mehr Schätze in Büchern als Piratenbeute auf der Schatzinsel... und das Beste ist, du kannst diesen Reichtum jeden Tag deines Lebens genießen. (Walt Disney )

  • Ich glaube schon, daß Henry Crawford ernsthaft etwas für Fanny empfindet. Alleine schon, daß er (er!) sich zu einer Ehe entschließen würde, nachdem er sich ein paar Kapitel zuvor so spöttisch über das Thema geäußert hatte. Er hat sich beim Bestreben, Fanny in sich verliebt zu machen, in seiner eigenen Falle gefangen. Was ihm nur zu gönnen ist.


    Doch, ernst ist es ihm schon damit. Er ist nicht dumm und durchaus in der Lage, Fannys Vorzüge zu begreifen. Aber er fängt es mit seiner Werbung vollkommen falsch an. Die Art und Weise, wie er sich Fanny zur Dankbarkeit verpflichten will, das grenzt ja schon fast an Zwang. Soll sie ihn heiraten als Gegenleistung für erwiesene Gefälligkeiten? - Dahinter steckt eine gewaltige Portion Egoismus und Selbstverliebtheit, finde ich. Auf die Idee, daß sie schlichtweg von ihm nichts wissen will, kommt er gar nicht.


    Überhaupt nimmt niemand von den Crawford-Geschwistern Fannys Persönlichkeit wirklich ernst und für voll. Auch Mary nicht. Beide wollen Fanny aus ihrer momentanen Situation herausholen, sie öffentlich gewürdigt und anerkannt sehen. Henry redet davon, sie in London in der Gesellschaft vorzuführen wie ein kostbares Schmuckstück. - Fanny in London? Fanny auf irgendwelchen Sektempfängen und Vernissagen, Fanny als strahlender Mittelpunkt von irgendetwas? Wenn Henry auf dem Ball nur ein bißchen aufgepaßt hätte, dann wüßte er, daß das für Fanny pure Folter wäre.


    Aber daran denkt er nicht. Dieses Leben ist eines, das ihm gefällt und das er für gut befindet. Da er Fanny liebt und (ehrlich!) das Beste für Fanny will, will er, daß sie das auch bekommt. Egal, ob sie will oder nicht.


    Der arme Sir Thomas steht vor einem echten Problem. Fanny will nicht raus mit der Sprache, soweit es die Liebäugelei zwischen Henry, Julia und Maria angeht, also kann er ihre heftige Abneigung überhaupt nicht begreifen. Und rein aus finanzieller Sicht muß er, seinem erlernten Denken zufolge, diese Ehe befürworten. Liebe, mein Gott. Wenn der Mann die Frau liebt, ist es doch sowieso fast schon weibliche Pflicht, diese Liebe zu erwidern.


    Aber die Sache mit dem Kaminfeuer hat mich dann sofort wieder ausgesöhnt.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Zitat

    Original von Josefa
    Der arme Sir Thomas steht vor einem echten Problem.


    Also als „arm“ würde ich Sir Thomas nicht unbedingt bezeichnen wollen. Höchstens als „arm im Geiste“. Denn er scheint mir nicht nur sehr in den Zwängen und Vorstellungen seiner Zeit verhaftet zu sein, sondern auch ziemlich „betriebsblind“ und mit großen Scheuklappen ausgestattet, so daß er grundsätzlich nur das sieht und wahrnimmt, was im im paßt.


    Die Ablehnung des Antrages von Mr. Crawford durch Fanny hat mich etwas an „Stolz und Vorurteil“ erinnert, als dort Mr. Collins um Elizabeth anhielt und ihre Ablehnung sehr ähnlich quittierte. Nur daß die ihm dann die Tür recht deutlich vor der Nase zugeschlagen hat, daß selbst so ein beschränkter Geist wie Mr. Collins das kapieren mußte. Diese Verve geht Fanny leider völlig ab.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • (Sorry für mein längeres Stillschweigen hier - bei mir kamen auch ein paar häßliche Dinge zusammen. Diese Runde steht anscheinend unter keinem guten Stern.)


    Daß Fanny diese Verve nicht hat, dürfte auch der Grund sein, warum so viele Leute Probleme mit dieser Heldin haben. Sie ist ungewöhnlich ängstlich und unsicher für eine Heldin bei Jane Austen.


    "Arm im Geiste" ... naja, vielleicht ein bißchen hart ^_^. Nein, ich verstehe schon, was du meinst. Aber ich versuche das etwas aus der Sicht der damaligen Zeit zu sehen. Was könnte einem absoluten Niemand, der Fanny nun einmal ist, aus Sicht ihrer Zeitgenossen denn Besseres passieren, als daß sich ein reicher, umschwärmter, wenn auch nach Ansicht von Mr Rushworth ein wenig zu kleinwüchsiger Mann aufrichtig in sie verliebt und noch dazu bereit ist, sein bisheriges Lotterleben für sie aufzugeben. Das ist genau das, wovon jeder Kitschroman schwärmt. Wieso ausgerechnet Fanny dagegen immun sein soll, kann Sir Thomas vermutlich gar nicht verstehen. (Und am Ende des Romans wird es ja auch etwas relativiert).


    Die Sache mit den Scheuklappen unterschreibe ich allerdings. Im Grunde dasselbe, was bei der Hochzeit seiner ältesten Tochter passiert ist. Sein Verstand sagt ihm ganz klar, daß da etwas im Argen liegt. Aber der eigenen Bequenlichkeit zuliebe läßt er den Gedanken bei erster Gelegenheit fallen.
    Dennoch finde ich es immerhin bemerkenswert, daß er sich diese Gedanken überhaupt macht. Soweit ich das aus den sonstigen Romanen im Kopf habe, war das Verheiraten der Töchter ja wohl in erster Linie Frauensache. Daß Sir Thomas sich überhaupt so um das künftige Glück seiner Kinder sorgt, spricht erst mal für ihn.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Zitat

    Original von Josefa
    Daß Fanny diese Verve nicht hat, dürfte auch der Grund sein, warum so viele Leute Probleme mit dieser Heldin haben.


    Das vermute ich auch. Jedoch kam Fanny gerade wegen ihrer Zurückhaltung für mich sehr glaubwürdig herüber. Alles andere hätte in ihrer Situation mMn nicht gepaßt.



    Mit „arm im Geiste“ habe ich mich etwas unglücklich ausgedrückt, aber ich denke, Du hast mich richtig verstanden.



    Zitat

    Original von Josefa
    Soweit ich das aus den sonstigen Romanen im Kopf habe, war das Verheiraten der Töchter ja wohl in erster Linie Frauensache. Daß Sir Thomas sich überhaupt so um das künftige Glück seiner Kinder sorgt, spricht erst mal für ihn.


    Weiß ich jetzt nicht so genau. Wenn es um dynastische oder finanzielle Aspekte ging, haben sicher auch die Männer ein Wort mitgeredet.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Mini-Leserunde März 2021


    Ohhh, ich leide mit Fanny. Oh, ich war so geschockt, als Sir Thomas ihr seine Meinung gesagt hat. Fanny und undankbar??? Da schätzt er sie aber falsch ein. Das ist so furchtbar, dass Sir Thomas jetzt so über Fanny denkt.

    Aber Fanny steckt auch in einer solchen Zwickmühle. Jetzt meint Mr Crawford es mal ehrlich und dann ausgerechnet bei Fanny, die ihn deswegen gar nicht leiden kann. Sie kann und will es anscheinend nicht begreifen, dass er es ehrlich meint. Das ist jetzt eine richtig verzwickte Situation. Wie die wohl gelöst wird? Ich hoffe, Edmund kommt bald wieder und kann Fanny helfen, die Situation aufzuklären.


    Oder Mr Crawford kann sie überzeugen. Fanny müsste ihm halt mal deutlich sagen, warum sie gegenüber Mr Crawford so abgeneigt ist. Aber andererseit, wie soll sie ihm nach all dem dennoch vertrauen, wenn Mr Crawford versuchen sollte zu versichern, dass er es ehrlich meint.

    Nur gleich einen Heiratsantrag zu machen, finde ich schon etwas von Mr Crawford übertrieben. Fanny hatte ihn doch schließlich vorher schon abgewiesen.


    Es war richtig schwer, das Buch am Ende des 32. Kapitels beiseitezulegen.

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

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  • Was für ein toller Abschnitt:love:. Ich finde das Buch jetzt richtig toll und gerade das Hören von dem Hörbuch genieße ich sehr.

    Also am Anfang von dem Buch fand ich ja Henry Crawford ganz furchtbar und unmöglich in seinem Verhalten. Aber jetzt scheint er es ja wirklich mal ernst zu meinen, mit seinen Gefühlen Fanny gegenüber. Da tut er mir fast ein weng leid, dass seine Verliebtheit nicht erwidert wird. Aber er kann ja auch nicht ahnen, dass Fanny die ganze Zeit über in Edmund verliebt ist.

    Puh, ich bin mal gespannt, wie Fanny da jetzt aus der Nummer raus kommen will. Durch ihre schüchterne, stille Art nimmt sie niemand richtig ersnt und sie kann ihre Abneigung gegen den Heiratsantrag nicht richtig durchsetzen.


    Und Mrs Norris ist so eine furchtbare Person:schlaeger Der hätte ich am liebsten schon mehrfach den Kopf abgerissen. Ihre Bemerkungen sind einfach das allerletzte.


    Ich hoffe einfach mal weiter, dass die Geschichte für Fanny gut ausgeht und sie zum Schluß noch ihren Edmund bekommt. Aber eigentlich haben die Bücher von Jane Austen ja immer ein Happy End:-]

  • Was soll ich sagen? Ich kenne das Ende. 8)


    Puh, ich bin mal gespannt, wie Fanny da jetzt aus der Nummer raus kommen will. Durch ihre schüchterne, stille Art nimmt sie niemand richtig ersnt und sie kann ihre Abneigung gegen den Heiratsantrag nicht richtig durchsetzen.


    Und Mrs Norris ist so eine furchtbare Person:schlaeger Der hätte ich am liebsten schon mehrfach den Kopf abgerissen. Ihre Bemerkungen sind einfach das allerletzte.


    Eure Empfindungen finde ich hoch interessant. Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich Henry Crawford je Sympathie entgegengebracht hätte. :lache Aber Schadenfreude, liebe Sasaornifee, habe ich nicht empfunden. Erst einmal war ich froh. Dann habe ich nur noch gehofft, dass sie ihm bloß nicht nachgibt. :yikes



    Bei Mansfield Park habe ich im Nachhinein das Gefühl, der Weg ist das Ziel, trifft hier besonders gut zu. Das fängt an mit dem Theaterstück, das nie aufgeführt wird. Dabei kam es Austen, denke ich, nur darauf an, das Verhalten ihrer Charaktere zu schildern, damit wir sie besser kennenlernen. Und wenn ich mich recht erinnere, ist Fanny die Einzige bei den Theaterproben, die ihrer Auffassung treu bleibt. Selbst Edmond wirft aus Verliebtheit seine Bedenken fort.


    Typen wie Mrs Norris :fetchsind das Salz in den Novellen von Jane Austen und dürfen nicht fehlen. ;)

  • Und wenn ich mich recht erinnere, ist Fanny die Einzige bei den Theaterproben, die ihrer Auffassung treu bleibt

    Ja genauso ist es. Fanny ist die Einzige, die sich weigert bei dem Stück eine Rolle zu übernehmen, auch wenn sie arg dazu gedrängt wird. Edmund will auch erst nicht mitspielen, ändert dann aber recht schnell seine Meinung.


    Und Mrs. Norris wollte ich zwischenduch einfach nur schütteln und aus dem Fenster werfen mit ihren unmöglichen Ansichten und Kommentaren.:fetch Aber ohne ihre Person hätte wirklich was gefehlt in der Geschichte.

  • Typen wie Mrs Norris sind das Salz in den Novellen von Jane Austen und dürfen nicht fehlen.

    :write Nein, die dürfen auf gar keinen Fall fehlen! :lache



    Was Mr Crawford angeht, empfinde ich keine Schadenfreude. Ich habe da eigentlich so gar keine Meinung oder Gefühle dazu. Ich glaube, die habe ich erst, wenn das Buch zu Ende ist.

    Sasaornifee :eiskristall

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