Eine Nonne war sie nicht – Colin Bateman

  • Eine Nonne war sie nicht – Colin Bateman


    Kurzbeschreibung
    Dan Starkey geht zum erstenmal in seinem Leben fremd und gleich endet die Affäre mit einem Mord. Seine Suche nach dem Täter wird zu einer Tour de force durch das postterroristische Belfast. Als Liebesgeschichte rührend und witzsprühend, als Krimi atemberaubend.


    Meine Meinung
    Dieses Buch kostet echt Überwindung. Genaugenommen könnte es als Favorit für Meisterschaft um das grausligste Cover, den bescheuertsten Titel und die lausigste Verarbeitung kandidieren.
    Gleichzeitig könnte es aber auch als einer der besten Romane über den Nordirlandkonflikt ins Rennen gehen.


    Starkey, Kolumnist in Belfast, glücklich verheiratet, mäßig erfolgreich, rutscht in eine haarsträubende Geschichte hinein. Nicht nur, dass er seine Geliebte, von Kugeln durchsiebt, in ihrem Bett vorfindet. Nein, dummerweise hat er deshalb auch halb Belfast an der Hacke: Loyalisten und IRA, Polizei und Geheimdienst, er gerät von einer Schießerei in die nächsteund mithin zwischen die Fronten, und muss dabei so manche Feder lassen, was auch daran liegen mag, dass Glück und gute Worte seine einzige Waffe sind.


    Vor dem Hintergrund des nordirischen Friedensprozesses spielt dieser Roman und schildert auf bitterböse, rasend komische und ultraspannende Art von den Schwierigkeiten eines vom Terror gebeutelten Landes, zur Normalität zurückzukehren. Man spürt die Stimmung in dieser kriegsmüden Stadt, in der sich die, womöglich mit nachvollziehbaren Idealen gegen die englischen Besatzer angetretene IRA, langsam in eine mafiöse Terrororganisation verwandelt hat, die ganz prima von ihren kriminellen Geschäften leben kann. In der Bombenlegen zu einer Art sportlichen Wettkampf zwischen Katholiken und Loyalisten geworden ist und in der doch nur jeder guckt, wie er über die Runden kommt.
    Und das Personal! Angefangen bei der herrlich prolligen Taxifahrerin über den IRA-Terrorist bis hin zum Hoffnungsträger des Friedens: alle Figuren sind wunderbar tiefgründig, facettenreich, überraschend.
    Der Plot ist zwingend und so mit der nordirischen Geschichte verwoben, das zu keinem Augenblick der Eindruck entsteht, Belfast wäre nur Kulisse. Geht auch gar nicht, Bateman schafft eine überzeugendes Belfastfeeling: Bomben, Liebe und immer wieder dieser unglaublich trockene Humor.


    Schade nur: dieses Buch ist derartig durchsetzt von Andeutungen und Anspielungen, dass ich fürchte, die Hälfte der Pointen verpasst zu haben. Der Jargon, der das Buch so glaubwürdig macht, sorgt auch für Stolpersteine: Die Jungs aus der Shankill Road, Moment, welche Seite war das nun wieder ???


    Trotzdem: ein wahrhaft lehrreiches Lesevergnügen, die Überwindung hat sich gelohnt!

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, daß mir dieses Buch ohne eine Eulenrezi sicher nicht aufgefallen wäre. Oder ich hätte gedacht: Bescheuertes Cover, doofer Titel, ach ja: Bastei Lübbe :grin und es nicht weiter beachtet.


    Danke für die informative Rezi, DraperDoyle :wave, nun werde ich es ganz sicher beim nächsten Besuch in der Buchhandlung doch mal näher in Augenschein nehmen.

  • Zitat

    Original von Eskalina
    Danke für deine Rezi - das ist wieder so ein Buch, bei dem ich mich freue, dass ich mittlerweile einen genialen Schutzumschlag gekauft habe - hier wird er sicher zur Geltung kommen, aber erst einmal landet das Buch auf meiner WL. :wave


    Eskalina, der link funktioniert nicht.

  • So ein kleiner Kaufrausch bei booklooker hat mir zwei neue Batemans beschert, deren Cover in Sachen Hässlichkeit der Nonne in keinster Weise nachstehen :yikes


    Dieses hier:

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von DraperDoyle ()

  • Oi!
    Es ist mir tatsächlich entgangen, daß Du dieses tolle Buch zum Nord-Irland-Konflikt vorgestellt hast.
    Und ja, das Buch ist voller Anspielungen und ich bin sicher, daß ich etwa die Hälfte nicht kapiert habe. Ich liebe es trotzdem.


    Ich besitze die untenstehende Ausgabe, aber das Cover hat mir nie gefallen.
    :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Auf das Buch bin ich übrigens durch den Film gekommen. Ich mache das sonst nicht, die Romanvorlage zu einem Film lesen, aber hier hat es mich einfach gereizt.
    Ich bin zufällig rein gestolpert, er wurde kurzzeitig in einem winzigen Kinosaal in einem Cineplex oder so gezeigt. Ich fand den Film ziemlich atemberaubend und es insgesamt hoffnungsvoll, daß jemand diesen grausigen Endlos-Konflikt für einmal satirisch-ironisch angeht.




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus