Mücke im März - Veronika Rotfuß (ab 13 J.)

  • Es beginnt wie ein ganz normaler Teenager-Liebesroman. Die Hauptfigur, die knapp sechzehnjährige Mücke (ihren bürgerlichen Vornamen erfahren wir nie), schwärmt von Yurik, einem Klassenkameraden. Schwärmen ist eigentlich zu wenig gesagt, sie ist schrecklich verliebt in ihn .Das ‚schrecklich’ führt zu einer folgenschweren Szene im Duschraum hinter der Turnhalle, denn Mücke handelt gern schneller als sie denkt. So kommt es zum Kuß und gleich darauf zum emotionalen Chaos bei beiden Beteiligten. Wie Mücke und Yurik, verliebt-verwirrt versuchen, im wogenden Ozean der Gefühle den Kopf oben zu behalten - und das mit knapp sechzehn - macht aber nur einen Teil dieser Geschichte aus.


    Der zweite Erzählstrang betrifft Mückes Familiensituation. Ihre Mutter ist erst Ende vierzig, leidet aber seit einiger Zeit an einer Form von Demenz. Sie ist pflegebedürftig, im Haushalt regiert inzwischen Frau Kowalski. Der Vater von Mücke und ihrem kleinen Bruder Jan ist als Spezialist für interkulturelle Kommunikation meist unterwegs, und das auch noch in weiter Ferne, in Japan. Nur an Wochenenden kommt er nach Hause, abgearbeitet, abgehetzt. Aber er versucht ehrlich, sein Bestes zu tun.


    Das versucht jede und jeder in diesem Roman. Herauszufinden, was das Beste ist, gehört aber zu den schwierigsten Angelegenheiten überhaupt, nicht nur für Mücke. Auch die beste Freundin Nora kämpft damit, die zweitbeste Freundin Natascha, der Arzt der Familie, Yurik, sogar Mückes Mutter in ihren seltener werdenden klaren Momenten.
    Erzählt wird sehr nah am Teenager-Alltag, Schrecken und Glück folgen dicht aufeinander, es gibt wenig Ruhepunkte, alles ist ein bißchen überhöht. Ein gemeinsames Brettspiel mit den FreundInnen, die Aufregung bei der Organisation der ersten großen Party (Mückes sechzehnter Geburtstag), die geschwisterliche Zuneigung zwischen Mücke und dem kleinem, bastelverrückten Jan, die Anfälle der Mutter, Schule und Verliebtheit treffen mit gleichen Intensität auf Mücke. Sie muß erst lernen zu sortieren, herauszufinden, was wichtiger ist und was weniger bedeutsam. Ihre Persönlichkeit schwankt dabei vom trotzigen Kind zur einsichtigen jungen Frau von einer Situation zur nächsten wie ein Wimpel im Märzwind, und dieser Wind kann bekanntlich sehr kräftig wehen. Das gewählte Erzähltempus, Präsens, und die Ich-Perspektive verstärken die Unmittelbarkeit des Geschehens.


    Mücke im März ist der Debütroman einer jungen Autorin und Schauspielerin. Die Geschichte ist lebendig, durchdacht, mit attraktiven Figuren und nicht wenigen originellen Wendungen, bis zum ganz eigen gestalteten Schluß. Er enthält nur wenige Abschweifungen, die gelegentlich etwas zu breite Darstellung bestimmter Phänomene der Teenagerkultur stört die Zielgruppe des Romans sicher nicht. Noch eine Nennung des Spiels ‚Siedler’ oder noch eine schwärmerische Beschreibung von Ane Brun hätte ich allerdings nicht mehr ausgehalten. Die vorliegende Fassung läßt die Vermutung aufkommen, daß hinter dem Buch auch ein überaus sorgfältiges Lektorat steckt. Ebenso wurde einem leichten Hang der Autorin zu stilistischen Kühnheiten deutlich Zügel angelegt, zum Vorteil des Texts. Zugleich gibt es wunderschöne Bilder, wie das von Nora und Mücke hoch auf den Dächern über Hamburg oder eben das Motiv des Mädchens, das auf seinem Fahrrad übers Meer fährt, das bildlich umgesetzt auch das Cover schmückt. Auch der Titel ist ein Treffer. Nicht nur spielt die Geschichte im März, Vorfrühling und früher Frühling erweisen sich immer noch als tragfähige Metapher für die Wandlungen und Stürme, denen man in der Teenagerzeit ausgesetzt ist.


    Die Ausstattung ist originell wie die Geschichte, die Klappbroschur hätte nicht sein müssen, die Titelgestaltung aber und die frische Art, die Kapitelüberschriften, schlicht die Zahlen von eins bis sechzehn ausgeschrieben, in einer an Schreibschrift erinnernden Type geschwungen als Bogen zu setzen, ist voll Witz und verstärkt den munteren Eindruck den das Ganze hat, ohne das zugrundeliegende schwere Thema zu verwischen.


    Schönes kleines Buch.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Etwas verspätet, deswegen kein eigener Thread unter Branchennews:


    Anfang November 2009 erhielt Veronika Rotfuß für Mückes Geschichte den Oldenburger Kinder - und Jugendbuchpreis, zusammen mit Kirsten Reinhardt (für ein bislang unveröffentlichtes Manuskript).




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus