Die Ente hat so ein Gefühl. Eigentlich schon länger. Es ist, als schleiche jemand hinter hier her. Als sie sich umdreht, steht der Tod vor ihr. Das gefällt der Ente gar nicht, dem Tod dafür umso mehr. Endlich bemerkt sie ihn. Für die Ente stellt sich heraus, daß der Tod gar kein so übler Geselle ist. Eigentlich ist es ganz schön, wenn man immer zusammen ist. Man kann mit dem Tod z.B. im Teich sitzen oder auf einen Baum klettern.
Allerdings kommen einer Ente in Gesellschaft des Tods mitunter sehr seltsame Gedanken. Der Tod gibt auf Fragen aber auch die merkwürdigsten Antworten!
Das Ende kommt. Aber der Tod weiß, was er zu tun hat. Die schwarze Tulpe ist ein letzter Gruß und Freundschaftszeichen zugleich.
Dieses Bilderbuch ist entgegen der simplen Aufmachung von Text und Illustrationen kein Kinderbuch. Hier wird nicht ein großes Thema kindgerecht verkleinert. Der unverstellte Zugang zum Thema Tod ermöglicht vielmehr Erwachsenen, Ängsten gegenüberzutreten, indem sie sie mit dem unbefangenen Blick aus Kinderaugen betrachten.
Ich bin immer da, sagt der Tod. Ihr wollt mich nur nicht bemerken. Die Ente erschrickt, aber sie gewöhnt sich an die leise Furcht. Seite um Seite kreisen die beiden umeinander, Ente und Tod, Tod und Ente, ein moderner Totentanz, ein Pas de deux zu unhörbarer Musik, bis sie sich zuletzt in den Armen liegen. Der Höhepunkt der Intimität ist erreicht, eine lebendes Wesen umschlingt den Tod. Die Ente hat akzeptiert, daß der Tod zu ihr gehört. Ein letzter Anfall von Hybris - sie lebt danach noch, ein feiner Hinweis auf den gern genährten Wahn, man könne den Tod besiegen - verpufft schnell. Die Ente muß am Ende sterben. Doch das ist eine Folge des Lebens, sagte der Tod, das liegt nicht an mir. Dieser Gedanke ist nicht der einzige in diesem Buch, der stracks in den Bereich der Philosophie führt.
Die Illustrationen sind äußerst sparsam, großflächig, in Buntstift, kombiniert mit Collagentechnik. Es lohnt sich, den Strichen bis ins Einzelne zu folgen, kleinste Verschiebungen und Abweichungen genügen, um Stimmungsänderungen zu demonstrieren. Es ist beeindruckend zu verfolgen, wie Erlbruch einem schlichten Totenschädel eine ganze Skala vom Emotionen abringen kann, Höflichkeit, Freude, Vergnügen, Verärgerung, Weisheit, Traurigkeit, ohne die BetrachterInnen je vergessen zu lassen, daß sie einen Totenschädel sehen.
Sehr viel mehr als den Schädel bekommt man auch nicht zu sehen, der Tod trägt Berufskleidung, einen alles verhüllenden Kittel, im Schnitt zwischen Operationssaal, Schlachthaus und Hauswirtschaft angesiedelt, zur Beruhigung gemütlich kariert. Darunter lugt der Saum eines gleichfalls karierten, aber nicht bestimmbaren Gewands hervor. Dazu trägt er schwarze Handschuhe und schwarze Schuhchen - Seide? Samt?- auf denen er lautlos herantanzt, wie auf Katzenpfoten. Das Zeichen seines Stands ist keine Sense, sondern eben die schwarze Tulpe.
Die lange Hals der Ente hängt am Ende ebenso herab, wie der Stengel der verwelkenden Tulpe, nur ein Detail der Fülle, die sich in der zeichnerischen Strenge verbirgt. Und des Witzes, der sich auch in den Formulierungen wiederfindet. Der ganze Hintersinn der Geschichte enthüllt sich erst beim genauen Hinsehen und gründlichen Lesen.
Das Buch ist eine nahezu ideale Verbindung von Bild, Wort und Gedanken, es ist ein Kunstband im Wortsinn, kunstvoll, künstlerisch, eine ästhetische Erfüllung.