Über das Buch
Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-46689-4
Seiten: 479
Ausgabe: Taschenbuch
Preis: € 8,95
ET: 02.2009
Kurzbeschreibung
England, 1795
Die junge Mary Finch, Lehrerin an Mrs. Bunburys Schule für junge Damen, ist unterwegs zu ihrem Onkel, der sie auf seinen Besitz White Ladies eingeladen hat. Doch als sie unterwegs einem schwer verletzten Mann begegnet, der eine Uhr mit den Initialen ihres Onkels bei sich trägt, nimmt Marys Leben eine dramatische Wendung. Plötzlich gerät sie in eine Verschwörung, in die auch ihr Reisebegleiter, der hinreißende Captain Holland, verwickelt sein könnte - in dessen Nähe Marys Herz stets ein wenig schneller schlägt ...
Meine Meinung
„Miss Mary und das geheime Dokument“ ist der Auftakt zu einer Abenteuerserie um die junge, gebildete und abenteuerlustige Mary Finch. Auch wenn ich nicht ganz glücklich mit dem Roman bin, habe ich mich doch kurzweilig sehr nett unterhalten lassen.
Obwohl sich das Buch wirklich wunderbar weglesen lässt (in drei Tagen hatte ich das Buch komplett gelesen), habe ich leider eine Menge zu kritisieren. Auch wenn man sich schnell in den sehr leichten, wenig anspruchsvollen Stil einliest, wirkt der Erzählstil gerade zu Beginn etwas hölzern und gezwungen, was den Erzählfluss meines Erachtens beeinträchtigt. Außerdem habe ich den Eindruck, dass Rose Melikan krampfhaft darum bemüht war, Jane Austens Stil in einem gewissen Maße zu kopieren. Dadurch wirkte vor allem der Anfang des Romans oft recht verkrampft und zu sehr gewollt. Im Laufe der Handlung werden Sprache und Stil immer flüssiger. Scheint als hätte die Autorin letztendlich zu ihrem eigenen Stil gefunden. Ganz ohne moderne Umgangssprache kommt Rose Melikan allerdings bis zum Ende nicht aus und leider gibt es immer wieder kleine Erzähllücken in der Handlung. Gelegentlich vergisst sie einfach, dem Leser die für einen plausiblen Handlungsablauf wichtigen Details zu erzählen, was mich im Lesefluss leider zurück geworfen hat.
Ob die diversen Flüchtigkeitsfehler der Übersetzung zu verdanken sind, kann ich nicht beurteilen. So oder so hat es mich genervt, dass aus Miss Finch häufig Mrs. Finch wurde, um nur ein Beispiel anzuführen.
Die Handlung beginnt recht schleppend, ohne große Vorkommnisse und es dauert eine Weile bis wirklich etwas Schwung in die Geschichte kommt und damit auch Spannung. Obwohl die Autorin diese Spannung dann auch über weite Strecken halten kann, gibt es gelegentlich etwas langatmige Einschübe. Der grobe Plot ist zwar recht leicht zu erahnen, dafür sind die Szenen, zu meiner großen Freude, äußerst selten vorhersehbar. Die Art der Verschwörung ist an sich sehr originell und auch wenn ich gewisse Verdachtsmomente hatte, hatte ich nie wirklich einen Durchblick, sondern war bis zum Ende hin verwirrt. Allerdings ist die Umsetzung nicht ganz optimal, da zum Schluss doch viele Fragen von Bedeutung unbeantwortet bleiben und das Zusammensetzen des Verschwörung-Puzzles dem Leser obliegt. Meine Verwirrung hat sich bedauerlicherweise nicht gänzlich aufgelöst und somit hat mich das Buch etwas unzufrieden zurück gelassen. Die Liebesgeschichte ist eher eine Randerscheinung und der historische Hintergrund beschränkt sich im Prinzip darauf, dass sich Frankreich und England im Krieg miteinander befinden. Zwar wirft Mary hin und wieder ihre Geschichts- und Literaturkenntnisse ein und Captain Holland erzählt ein wenig über Artillerie, aber das Prädikat „historisch“ hat sich der Roman damit nicht verdient. In meinen Augen ist „Miss Mary und das geheime Dokument“ ein unterhaltsamer Abenteuerroman, der zufällig im 18. Jahrhundert angesiedelt ist.
Bis auf Mary Finch haben mich die meisten Figuren leider enttäuscht. Mary ist die einzige Figur die regelrecht vor Leben sprudelt, unheimlich vielschichtig ist und mich recht früh begeistern konnte. Tiefe Beziehungen konnte ich aber auch zu ihr nicht aufbauen. Sehr schön fand ich, dass sie zwar gebildet, aber etwas weltfremd und abenteuerlustig, aber naiv ist. Die Autorin hat es vermieden Mary zu Superwoman des 18. Jahrhunderts zu machen, was ich ihr hoch anrechne. Dennoch hat Mary Finch ihre Stärken. Sie ist tapfer, mutig und hat einen sehr wachen und klugen Verstand.
Zwar gestehe ich neben Captain Holland noch einigen wenigen anderen Charakteren durchaus einige Facetten zu, allerdings wirkten sie dennoch nicht wirklich lebendig und real. Im Laufe der Handlung konnte ich zwar Sympathien für Holland und auch eine Nebenfigur namens Cuff entwickeln, aber in regelrechte Begeisterungsstürme konnten sie mich nicht versetzen. Allerdings muss ich zugeben, dass Holland wirklich mit der Handlung wächst und je näher ich ihn kennen lernen durfte, desto besser gefiel mir diese Figur. Zum Schluss hätte ich beinahe auch mein Herz an ihn verlieren können. Viele der Nebenfiguren sind absolut blass, flach, eindimensional und heben sich kaum von den anderen ab. Ich hoffe sehr darauf, dass es der Autorin gelingt, ihren Figuren in den kommenden Romanen mehr Tiefe zu verleihen.
Fazit
Insgesamt ist „Miss Mary und das geheime Dokument“ eine äußerst unterhaltsame und kurzweilige Lektüre, allerdings ohne großen Anspruch und auch dicht gewebte Atmosphären sucht man hier leider vergeblich. Aber wenn man sich auf leichte Kost einlassen kann, dann findet man hier durchaus ein kleines Lesevergnügen. Trotz der Mängel konnte ich das Buch genießen und für eine kurze Zeit ins 18. Jahrhundert abtauchen. Für mich war es genau das richtige für zwischendurch, auch wenn es stilistisch, sprachlich und inhaltlich durchaus verbesserungswürdig ist. Aber für eine Debüt ist „Miss Mary und das geheime Dokument“ eine durchaus ansprechende Leistung und vielleicht entwickelt sich die Autorin mit ihren nächsten Büchern weiter. Das Buch hat es auf jeden Fall geschafft, mich vor einer drohenden Leseflaute zu retten und ich fühlte mich gut unterhalten, daher gibt es noch eine verhältnismäßig hohe Bewertung. Auch wenn es hier und da etwas hapert, werde ich sicherlich die Fortsetzung lesen, sobald sie in deutscher Übersetzung erschienen ist. In der Originalausgabe ist der zweite Teil bereits unter dem Titel „Counterfeit Guest“ veröffentlicht, der dritte ist für 2010 unter dem Titel „The Mistaken Wife“ geplant. Bleibt nur zu hoffen, dass Goldmann diese Serie auch komplett heraus geben wird und es nicht wie zuletzt bei der Spionage-Serie von Lauren Willig (erschienen bei Blanvalet) nach dem zweiten Teil zu einer Einstellung der Reihe kommt.
Meine Bewertung
6/10 Punkte