Harry, die Zweite - Mark Sarvas

  • Harry, die Zweite, Mark Sarvas, Orig.titel „Harry Revised“, Übersetz. Klaus Timmermann und Ulrike Wasel, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2009, ISBN 978-3-462-04070-8


    Zum Autor: (lt. Klappentext)
    Mark Sarvas ist der Gründer des Literaturblogs „The Elegant Variation“, der von „The Guardian“ und „Forbes Magazine“ zu einem der weltweit besten Blogs dieser Art gewählt wurde. Seine Literatur-Rezensionen erscheinen außerdem u. a. im „New York Times Book Review“, „Philadelphia Inquierer“ und „Los Angeles Review“. Er hat Drehbücher für HBO und Warner Brothers geschrieben und Erzählungen in verschiedenen literarischen Zeitschriften veröffentlicht. Mark Sarvas lebt mit seiner Frau in Pacific Palisades, Kalifornien.


    www.marksarvas.com
    http://marksarvas.blogs.com


    Meine Meinung:
    Wenn ein Autor die Absurditäten des modernen Lebens humoristisch und treffend aufs Korn nimmt, ohne dabei platt zu werden, ist das immer wieder ein besonderer Genuss für mich als Leserin. Mark Sarvas ist dies mit seinem Roman „Harry, die Zweite“, im amerikanischen Original unter dem Titel „Harry Revised“ erschienen, hervorragend gelungen.


    Den Titel- und Antihelden Harry Rent lernt der Leser in einem Café kennen. Harry, Mitte vierzig, verliebt sich in die Kellnerin Molly. Nicht alltäglich daran ist, dass Harry erst vor kurzem seine schöne, erfolgreiche Frau Anna durch eine missglückte Schönheitsoperation verloren hat und gerade auf dem Weg zu ihrer Beerdigung befindlich ist. Harry findet sich nach dem Tod seiner Frau in einer Leere wieder. Er ist unfähig zu trauern, versteht dies nicht und wird von seiner Schwägerin Claire, mit der er sich immer gut verstanden hat, gepeinigt mit Schuldvorwürfen. Harry beschließt sein Leben zu ändern. Als Vorbild dient ihm dazu der Roman „Der Graf von Monte Christo“ mit dessen Helden Edmond Dantés. Harry will als großer Strippenzieher im Hintergrund, der Gutes tut, aber auch seine eigenen Ziele verfolgt, das Herz der Kellnerin Molly gewinnen, indem er ihrer Kollegin Lucille, die vom Leben schwer gebeutelt wurde, hilfreich zur Seite steht. Aber Harry ist nun mal Harry und nicht Edmond Dantés und das Leben ist nun mal nicht wie im Roman, so verzettelt sich Harry immer wieder, stolpert von einem Fettnapf in den nächsten und erkennt nicht, was das Ende von Dumas Roman ihm sagen könnte. Parallel zur Handlung enthüllt sich die Geschichte von Harrys Ehe, mit der es nicht gerade zum Besten stand. Aber wessen Schuld war das eigentlich?


    Mark Sarvas erzählt die Geschichte von Harry leichthändig, scharf beobachtend, feinsinnig und komisch. Szenen wie zum Beispiel die, wenn Harry von seiner Frau Anna zum Spinning ins Fitness-Studio geschleppt wird, komplett mit europäischem Techno und einem Trainer mit „mystischer Präsenz“ und hautengen Shorts, lassen den Leser lauthals lachen. Dennoch bleibt dem Leser das Lachen auch oft im Halse stecken angesichts der Absurditäten des Alltags, die der Autor auf den Punkt bringt. Harrys Geschichte ist rasend komisch, witzig und traurig, nachdenklich machend und berührend. Der Antiheld Harry wird immer sympathischer, je mehr er von einer Falle in die nächste stolpert und je weniger er seinem Heldenbild gerecht wird. Die Geschichte wie er den Problemen des Lebens und des Alltags mit mehr Reife und Mitgefühl begegnet, wie er als Mittvierziger endlich erwachsen wird, ist tiefgründig und so geschrieben, dass man sie in einem Zug durchliest.


    Ein wenig erinnert „Harry, die Zweite“ an Jonathan Troppers „Ein fast perfektes Leben“. Wo Troppers Roman aber ins Hollywoodhafte abdriftet, versteht es Mark Sarvas das Niveau seines Romans zu halten. Lediglich das Ende des Romans hätte ich mir anders vorstellen können.


    Mark Sarvas „Harry, die Zweite“ macht einfach Spaß.


    9 von 10 Punkten

  • Danke für die Rezi, Pelican!
    Ich höre grade das Hörbuch und hatte schon überlegt, es abzubrechen, weil es sich irgendwie sehr zäh anlässt ...
    Nachdem, was Du jetzt schreibst, gebe ich ihm doch noch mal eine Chance :-)

  • Meine Rezension:
    Da sieht man mal, wie unterschiedlich Bücher, Geschichten und Protagonisten wahrgenommen werden! Denn so positiv Pelican den Protagonisten sieht, so negativ sah ich ihn!


    Sicher, im Buch sind einige witzige Szenen wie das bereits erwähnte Probetraining im Spinning-Raum. Gut geschrieben fand ich auch die Geschichte mit dem Trauring (nein, ich werde nicht mehr verraten!).


    Letztlich bin ich aber mit dem Protagonisten Harry Rent nicht warm geworden. Er ist linkisch und unsicher, er will gute Taten vollbringen, agiert aber aus den falschen Gründen und stellt sich ständig selbst ein Bein.



    In vielen Momenten und Rückblicken erfährt man ihn als unsicheren Mann, der seine Frau mit Prostituierten betrügt und dabei (natürlich) erwischt wird. Als Mann, dessen Frau aus den besten Kreisen stammt, mit denen er nicht mithalten kann. Seine Schwägerin weiß von der Sache mit den Prostituierten und denkt, er hätte seine Frau zu der verhängnisvollen Schönheitsoperation getrieben, an der sie letztlich stirbt. Daraufhin macht sie ihm das Leben schwer…


    Das Buch ist durchaus unterhaltsam geschrieben, und es hat auch einige witzige Szenen, aber es hat mir trotzdem nicht besonders gut gefallen. Harry ist einfach ein Protagonist von der Sorte, die mich nerven: viel zu passiv lässt er sich durchs Leben treiben. Er ist nicht besonders entscheidungsfreudig und die paar Entscheidungen die er trifft, sind es wert, besser noch einmal überdacht zu werden. Er kommt tölpelig vor und nicht besonders feinfühlig, er will Gutes tun, aber aus falschen, nämlich ichbezogenen Motiven.


    Wer Geschichten dieser Art mag, dem wird dieses Buch sicherlich gut gefallen, meinen persönlichen Lesegeschmack hat es allerdings nicht unbedingt getroffen, das liegt aber sicher zu einem guten Teil eben daran, dass ich Harry Rent nicht leiden mochte.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • @ Batty


    heiraten würde ich ihn auch nicht wollen und als Freund, würde er mir wohl öfter mal auf den Keks gehen und ich müßte ihm in den allerwertesten treten. Allerdings finde ich ihn ganz gut getroffen, ich denke, es gibt viele Harrys auf dieser Welt.