Bilder eines Sommers – Emily Mitchell

  • Btb, März 2009


    Originaltitel: The Last Summer of the world
    Aus dem Amerikanischen von Karen Nölle


    Handlung:
    Paris, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts: Der amerikanische Maler und Fotograf Edward Steichen kommt im Sommer 1918 nach Frankreich, um für die amerikanische Armee die auf Paris vorrückenden deutschen Stellungen aus der Luft zu fotografieren. Frankreich ist für ihn voller wehmütiger Erinnerungen: Hier in Paris und, etwas außerhalb der Stadt, in einem Haus an der Marne, hatte er seine ersten künstlerischen Erfolge. Hier war er Teil des lebenslustigen Freundeskreises um Auguste Rodin, Gertrude Stein, Isadora Duncan, Henri Matisse und Alfred Stieglitz. Hier verbrachte er bis zum letzten Sommer vor dem Krieg mit seiner Frau Clara und ihren zwei Töchtern eine wundervolle Zeit. Auch wenn es Clara, die ihre eigene Karriere als Pianistin und Sängerin zugunsten ihrer Familie und der künstlerischen Entfaltung ihres Mannes aufgegeben hatte, im Laufe der Jahre immer schwerer fiel, die Freiheiten, die Edward sich nahm, zu akzeptieren. Als er nun von einem seiner ersten Aufklärungsflüge zurückkommt, muss er erfahren, dass Clara gegen die Malerin Marion Beckett – einst eine enge Freundin – in den USA einen Prozess angestrengt hat: Sie wirft ihr vor, eine Affäre mit Edward gehabt und ihre Ehe zerstört zu haben …


    Über die Autorin:
    Emily Mitchell, wurde 1975 in London geboren, studierte am Brooklyn College in New York bei Michael Cunningham Literatur und lebt heute, nach längeren Aufenthalten in Japan und England, in San Francisco. Ihre Kurzgeschichten wurden in der Literaturzeitschrift »AGNI« und in der »Indiana Review« veröffentlicht. »Bilder eines Sommers« ist Emily Mitchells Debütroman.


    Rezension:
    Der bedeutende amerikanische Maler und Fotograph Edward Steichen ist ein ergiebiges Thema, dass mein Interesse weckt. Die Autorin schafft ein spannendes Portrait.
    Von Anfang an stellt die Autorin eine enge Beziehung zwischen dem Leser und Edward her.


    1918 startet der Roman, eine Zeit, die weniger oft beschrieben ist als die Zeit des zweiten Weltkriegs und daher vielleicht auch erst einmal interessanter.


    Die Struktur des Romans ist schön gemacht. Abwechselnd zur Ausgangsposition gibt es Rückblicke, z.B. die Kindheit in Milwaukee, seine erste Begegnung mit dem Bildhauer Auguste Rodin in Frankreich, wie er seine Frau Clara kennen lernte, heiratete und das Familienleben. Steichen war u.a. auch bekannt mit Henri Matisse und Gertrude Stein.


    Die Familiensituation und die Schwierigkeiten zwischen Edward und Clara stehen ziemlich im Vordergrund. Die Kunstszene und die Technik des Fotografierens werden gestreift, ein Bild von den Army-Aktivitäten Edward Steichens als Fotograf kann man sich in dem 1918-Plot machen. Da befindet er sich beispielsweise in der Schlacht um Verdun in einem Flugzeug über der Vaux-Anhöhe und beobachtet von oben und dokumentiert die Kämpfe. Fotos davon sind auch jetzt noch im Netz zu finden.
    Unterstrichen werden die Fronteindrücke auch noch durch Briefe die Steichen von seinen Freunden bekommt und die die Autorin in den Roman einbindet.


    Der elegante Stil ist fließend und angenehm zu lesen. Ein wenig Leerlauf im Mittelteil ist spürbar, größtenteils bedingt durch die Eifersuchtsszenen, aber nur in einem akzeptablen Maße.

  • Ich habe das Buch nun auch beendet und möchte gern meine Meinung dazu kundtun! :-)



    Emily Mitchell – Bilder eines Sommers


    Inhalt:


    Im Jahr 1918, einige Monate vor Ende des Ersten Weltkriegs, hält sich der Amerikaner Edward Steichen als Kriegsfotograf in Frankreich auf. Seine Aufgabe besteht darin, vom Flugzeug aus Aufnahmen der feindlichen Truppenbewegungen zu machen. In dieser Situation erreicht ihn auf postalischem Weg die Nachricht, dass seine Ex-Frau in den USA einen Prozess gegen ihre ehemalige beste Freundin angestrengt hat und sie beschuldigt, vor Jahren ein Verhältnis mit Edward unterhalten und dadurch die Ehe zerstört zu haben. Der Brief kommt von der Angeklagten Marion Beckett und ruft Edward die Jahre seiner Ehe und auch die vor Ausbruch des Krieges in Frankreich verlebte Zeit wieder ins Gedächtnis. Durch Zufall trifft er Marion in einem Lazarett wieder und das Schicksal nimmt seinen Lauf...


    Meine Meinung:


    Emily Mitchell hat als Hauptfigur ihres Debüt-Romans den berühmten amerikanischen Fotografen Edward Steichen ausgewählt, der als einer der einflussreichsten Männer in der Geschichte der Fotografie gilt. Er war mit etlichen bekannten Persönlichkeiten wie Auguste Rodin, Alfred Stieglitz und Gertrude Stein befreundet und half Picasso und Matisse, mit ihren Werken in den USA Fuß zu fassen. Steichen versuchte sich an jedem Genre der Fotografie und war Mode-, Landschafts-, Akt-, Stillleben- und Kriegsfotograf. Unter anderem saßen ihm Winston Churchill, Thomas Mann, Marlene Dietrich und Henri Matisse für Porträts Modell. In den sechziger Jahren war Edward Steichen dann Kurator der Fotoabteilung im Museum of Modern Art (MoMA) in New York.


    So erfolgreich der Amerikaner als Fotograf und zum Teil auch als Maler war, so sehr versagte er als Ehemann und Partner und war auch als Vater wenig präsent. Auf diesen Aspekt konzentriert sich Mitchell und zeigt einen kleinen, aber klar umrissenen Ausschnitt aus Steichens Leben. Die wichtigsten Eckdaten der Handlung entsprechen den Tatsachen, andere Begebenheiten wiederum sind frei erfunden. Genauere Informationen dazu erhält der Leser am Ende des Romans.


    Die Autorin lässt ihre Hauptfiguren Edward und Clara Steichen die Ereignisse abwechselnd aus ihrer Sicht erzählen und baut zwischendurch noch die Sichtweise von Marion Beckett mit ein. Der Fokus liegt eindeutig auf den Emotionen aller Beteiligten und weniger auf dem geschichtlichen und kulturellen Hintergrund. Zwar erfährt man einiges über die Kriegszeit, die Fotografie und auch ein wenig über berühmte Freunde von Edward, aber diese Informationen sind eher nebensächlich und sollen nur die Handlung tragen und mit Leben füllen. Ich persönlich habe teilweise eine genauere Darstellung der Lebensumstände einiger Personen doch etwas vermisst und konnte mich nicht so recht damit anfreunden, dass vieles nur an der Oberfläche bleibt.


    Das Jahr 1918 bildet den zeitlichen Kernpunkt des Geschehens, von wo aus Rückblenden in die Vergangenheit in Form von Momentaufnahmen stattfinden. Nach und nach setzt sich das Bild der gescheiterten Beziehung zwischen Edward und seiner Frau zusammen. Mitchell versteht es wunderbar, die Gefühle dieser beiden sehr komplizierten Menschen zu verdeutlichen und ich fand jene Stellen besonders spannend. Clara, die ihre Liebe zur Musik ihren Pflichten als Ehefrau und Mutter opfern muss, war mir sehr viel näher als der egozentrische, untreue Edward und ich hätte ihm gern ab und zu die Leviten gelesen. Das Ende des Romans schwächelt leider ein bisschen, da Claras Beweggründe in Bezug auf den Prozess nicht ohne weiteres nachzuvollziehen sind. Auch einige Kriegsszenen hätten nach meinem Empfinden kompromissloser und eindringlicher sein können und sorgten bei mir kurzzeitig für leichte Langeweile.


    Ansonsten ist die Schreibweise der Autorin äußerst angenehm und man merkt dem Buch an keiner Stelle an, dass es sich um einen Erstling handelt. Die Sprache wirkt präzise, poetisch und sehr kunstvoll. In manchen Szenen kam ich richtig ins Träumen und war berührt von der Kraft der Darstellung.


    Fazit:


    Emily Mitchell ist mit "Bilder eines Sommers" ein Roman von großer Sogkraft gelungen, der anspruchsvoll ist und dennoch leichtfüßig daherkommt. Wie ein wunderschönes Foto, das einen kurzen Augenblick voller Intensität einfängt. Etwas für Liebhaber von niveauvollen Beziehungsgeschichten!


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  • Ich kann mich den schönen Rezensionen von Herr Palomar und Mrs Bean weitestgehend anschließen, auch wenn ich im Gegensatz zu letztgenannter nicht so viele kleine Kritikpunkte habe.
    "Bilder eines Sommers" hat mich ausgesprochen positiv überrascht, ein sehr eleganter, fließender, mitunter ins Poetische greifender Schreibstil und auch inhaltlich fesselnd.
    Mir war vor und während des Lesens nicht bewußt, daß es tatsächlich einen Edward Steichen gegeben hat, umso interessierter las ich am Ende die historischen Anmerkungen der Autorin.
    Auch stilistisch ist dieser Roman gut gemacht mit den Rückblenden; der Aufbau ist derart gestaltet, daß man zu keiner Zeit ins Trudeln kommt, alles ist klar und übersichtlich.
    Das langsame Scheitern der Ehe, der angestrengte Prozeß, die aufflammende Liebe, die Künstlerfreundschaften und natürlich die Kriegswirren - das alles ergibt ein harmonisches Ganzes, das ich sehr gerne gelesen habe.