Mein finnischer Großvater - Marjaleena Lembcke (ab 6 J.)
Die kleine Leena ist ganz aufgeregt, heute wird sie ihren Großvater kennenlernen. Die Großmutter kennt sie schon ihr ganzes vierjähriges Leben lang, denn diese wohnt ja zusammen mit Mama, Papa, dem siebenjährigen Bruder Matti und eben Leena. Die Begegnung ist zunächst etwas enttäuschend, Großvater sieht zwar ganz lustig aus mit seinem Schnurrbart, aber er hat keine Süßigkeiten mitgebracht. ‚Das war auch nicht zu erwarten’ erklärt die Großmutter: Die Kinder kennen eben Juho, so heißt der Großvater, noch nicht richtig. Eigentlich hätte Großmutter eher damit gerechnet, daß Juho seinen schwarzen Schrank mitbringt! Nun ist Leena aber neugierig. Doch das Geheimnis des Schranks klärt sich noch lange nicht.
Zuerst bringt Leena Juho bei, wie man schaukelt. Dann, und das überrascht Leena völlig, bringt Juho ihr bei, ‚wie man sich Gedanken macht’. Das ist ja nun wirklich seltsam. Aber das ist nicht die einzige wunderbare Sache, die Juho seiner jüngsten Enkelin schenkt. Da ist der Sommer mit Juho bei Onkel Antti und Tante Leila, der graue Schafspelzmantel und da sind vor allem die Briefe. Zuerst müssen Mama oder Großmutter sie vorlesen, dann aber ist Leena alt genug, sie selbst zu lesen und auch ihrerseits welche zu schreiben.
Juho spendet auch Trost oder gute Ratschläge in den Krisen, die Leena meistern muß, sei es durch den Umzug in eine neues Haus, sei es im Ferienlager, sei es durch die Geburt des Bruders Oskari. Juho weiß immer das Richtige zu sagen, auch wenn Leena nicht gleich davon überzeugt ist. Am Ende wird das Geheimnis des schwarzen Schranks enthüllt. Aber Leena ist darüber nur halb glücklich, denn Juho ist nicht mehr da, um es mit ihr zu teilen.
In kleinen Episoden erzählt Marjaleena Lembcke von frühen Kinderjahren im Finnland ca. der fünfziger Jahre. Leenas Familie ist eine sehr lebendige und liebevolle Familie, ein wenig chaotisch, nicht besonders wohlhabend. Der Alltag ist von den einfachen Dingen geprägt, die auch die Perspektive Leenas ausmachen. Sie ist eine genaue Beobachterin, aber auch ein wenig überschwenglich und zu Unsinn geneigt. Dickköpfig ist sie auch. So setzt sie ihre Einschulung durch, obwohl sie eigentlich noch zu jung ist. Es gibt Geschwisterkonflikte und Geschwisterfreuden, Alltagsabenteuer und sogar die Begegnung mit der großen Welt anläßlich eines Besuchs bei reichen Verwandten. Juho hat zu allem das Passende zusagen, meist knapp, höflich, aber entschieden. Leena kann das bald auch, zum nicht geringen Vergnügen der Leserinnen und Leser.
Ausgestattet ist diese sehr schön erzählte Buch mit schwarz-weiß Illustrationen von Maren Briswalter, die sowohl zu Lebendigkeit des Ganzen beitragen, als auch die ganz eigene, ein wenig zauberische Atmosphäre, die die Geschichten haben, verstärken und sichtbar machen. Das Ganze hat den angenehm altmodischen und zugleich zeitlosen Touch der Magie der Kindheit. Zugleich sind die Geschichten sehr genau in bestimmte Zeitströmungen eingebunden. Man hört von den Folgen des zweiten Weltkriegs für ein eher fremdes Land und erfährt das eine oder andere über die Schwierigkeiten auf Finnlands Weg von einer Agrargesellschaft zu einem modernen Staat.
‚Mein finnischer Großvater’ ist der Auftakt der inzwischen sechs Bücher umfassenden Reihe über Leena und ihre Familie. Man kann die Bücher unabhängig voneinander lesen, auch die Reihenfolge ist nicht wichtig. Nur entgehen lassen sollte man sie sich nicht.