OT: Red Weather
Kurzbeschreibung:
Yuris Vater erzählt seinem Sohn allabendlich auf dem Balkon wunderbar melancholische Lügengeschichten, in denen er der Star ist, ein toller Hecht, eine Legende. In den sechziger Jahren aus Lettland emigriert, ignorieren Yuris Eltern hartnäckig, dass sie ihren amerikanischen Traum in den Sand gesetzt haben. Um jeden Preis wollen sie im öden Brauereinest Milwaukee heimisch werden. Yuris Vater ist schon mal von Wodka auf Bourbon umgestiegen, seine Mutter pflastert die Wände mit Werbeanzeigen, beide sprechen ausschließlich Englisch, wenn auch ein recht zweifelhaftes, und bemühen sich überhaupt, amerikanischer zu sein als jeder Amerikaner. Nur Yuri scheint irgendwie aus der Art zu schlagen. Seit er sich in die Jungkommunistin Hannah verliebt hat, zitiert er beim Essen neuerdings Marx und Lenin. Für seine Eltern bricht eine Welt zusammen. Trotzdem lassen sie den Sohn seine eigenen Erfahrungen machen. Und das tut dieser auch ausgiebig, bis ein nächtlicher Ausflug mit Hannah, der schlimme Folgen hat, ihn über Nacht erwachsen werden lässt. Und gerade noch rechtzeitig versteht Yuri, dass das Leben wirklich so irre ist, wie sein Vater immer behauptet - und alles, aber auch alles möglich.
Über den Autor:
Pauls Toutonghi, geboren 1976 als Sohn eines ägyptischen Vaters und einer lettischen Mutter, lebt in Portland, Oregon, und arbeitet an seinem nächsten Roman. Seine Texte wurden bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Pushcart Prize.
Meine Rezension:
In der Geschichte um Yuri Balodis prallen Welten, Vorurteile, unterschiedliche Erfahrungen, Einstellungen und Emotionen und nicht zuletzt zwei politische Systeme aufeinander, die das Leben des Teenagers Yuri nicht gerade einfacher machen. Er muss sich den typischen Problemen stellen, die in seinem Alter jeden zur Verzweiflung treiben (erste Liebe, Sexualität, Probleme mit den Eltern, etc.), gleichzeitig aber aufgrund seines familiären Hintergrunds in einem größeren Ausmaß mit der politischen Situation (Ende 1989) in Deutschland und Osteuropa auseinandersetzen. Yuris Beziehungen zu seinen Eltern, seine erste große Liebe und die Begegnung mit seinen lettischen Verwandten, nicht zuletzt jedoch eine große Dummheit, die Yuri begeht, lassen ihn in diesem Herbst erwachsen werden.
Die beiden politischen Systeme der Sowjetunion und der USA Ende der 80er Jahre anhand der Lebensgeschichten seiner Figuren (die Eltern, aber auch Hannah mit ihrem Vater) gegenüberzustellen ist Toutonghi weitgehend gelungen, auch wenn er hier an der ein oder anderen Stelle ruhig hätte weiter ausholen dürfen. Stattdessen erschienen mir persönlich einzelne Episoden (z.B. Cousin Erik) überflüssig und manche Handlungsabläufe sehr vorhersehbar (z.B. Folgen des Ausflugs, Besuch der Verwandten). Dennoch sind Toutonghis Figuren in dieser sehr warmherzig, aber niemals kitschig erzählten Geschichte allesamt authentisch und trotz (oder gerade wegen) ihrer liebenswerten Macken so sympathisch, dass ich ihnen wirklich gerne begegnet bin. Das Ende ist in gewisser Weise typisch amerikanisch (und auch ein bisschen vorhersehbar), aber mir hat es gefallen und mich schlussendlich mit den o.g. Kritikpunkten versöhnt.
Gute 7 Punkte von mir!