Format: Trade Paperback
Verlag: Heyne
Umfang: 950 Seiten
Kurzbeschreibung
Das große Epos über die legendären Blutsauger
Vergesst, was immer ihr über Dracula und seine düstere Sippschaft zu wissen glaubt - dies ist die wahre Geschichte! Eine Geschichte, die damit beginnt, dass der Vampirjäger Abraham Van Helsing versagt: Es gelingt ihm nicht, Graf Dracula in Transsylvanien zu töten. Was verheerende Folgen hat: Der Fürst der Vampire wird zum Prinzgemahl Queen Victorias und versetzt mit seinen blutsaugenden Gesellen das London der Jahrhundertwende in Angst und Schrecken. Und das ist, wie gesagt, erst der Beginn der Geschichte ... Mit "Die Vampire" legt der britische Starautor Kim Newman ein Buch vor, das seinesgleichen sucht: Die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus Sicht der berühmtesten Horrorgeschöpfe aller Zeiten.
Über den Autor
Kim Newman wurde 1959 in London geboren und wuchs in Somerset auf. Mit seiner furiosen Neuerzählung der Vampir-Saga hat er sich internationalen Ruhm erworben. Newman lebt als freier Schriftsteller und Journalist in London.
Eigenes Fazit:
Auch wenn uns der Heyne-Verlag einen weiteren Teil seiner Rassen-Fantasyreihe á la DIE ZWERGE oder DIE ELFEN suggerieren will, gehört obige Veröffentlichung genauso wenig in den Rahmen der Serie wie eigentlich alle anderen zuvor. Während einige dieser Bücher im Auftrag des Verlages entstanden, wurden wieder andere einfach in das entsprechende Schema der Reihe gequetscht. Mit DIE VAMPIRE (der zu letzterer Gattung gehört) macht es sich Heyne gleich doppelt einfach, denn man erweitert nicht nur die Serie selbst um einen weiteren großen Wälzer, sondern reitet auch weiterhin geschickt auf der immer noch anhaltenden Blutsauger-Welle mit. Damit hat Kim Newmans Alternativwelt-Trilogie eigentlich jedoch wenig zu tun.
Trilogie? Richtig gelesen. DIE VAMPIRE besteht aus den drei Büchern von Kim Newmans im Ausland sehr erfolgreicher ANNO DRACULA-Trilogie, von denen zumindest die ersten beiden Teile (ANNO DRACULA und DER ROTE BARON) auch Mitte der Neunziger (mit weitaus weniger Erfolg) in Deutschland erschienen sind. Nach stolzen 17 Jahren kommt also die gesamte Saga auch hierzulande zu Ehren - und der Leser darf ein Vampir-Epos entdecken, das so gar nicht in den modernen Trend der schwülstig-kitschigen Beißer-Romanzen passt.
In ANNO DRACULA, dem ersten Teil, erzählt Newman absolut fesselnd von einem alternativen London im Jahre 1888, in dem zwar (historisch korrekt) der mysteriöse Jack the Ripper gerade seine furchtbaren Morde verübt, aber eben nicht Königin Victoria auf dem Thron des Empires sitzt, sondern ein gewisser Graf Dracula die Geschicke der damals einflussreichsten Nation der Welt regiert (nachdem Van Helsings Versuche, den Vampir zu töten, scheiterten und stattdessen zum Erstarken der alten Rasse führten). Steam punk at its best - Newmans Parallelwelt ist mitreißend beschrieben, glaubwürdig konstruiert und wirft den Leser in ein düsteres Universum, in dem historisch verbürgte Figuren gleichberechtigt neben Phantasiegestalten agieren.
In der Fortsetzung DER ROTE BARON (in Deutschland damals mit dem Untertitel ANNO DRACULA 1918 ins Rennen geschickt) wechselt der Schauplatz zum Ende des ersten Weltkriegs, in dem der Diogenes Club (eigentlich eine Erfindung von A.C. Doyle) versucht, Deutschland das Handwerk zu legen, nachdem dortige Wissenschaftler wie Dr. Caligari und Dr. Mabuse erfolgreich untote Kampfflieger erschaffen haben - einer von ihnen wird bekannt als der "rote Baron" ... Wieder originell und erfrischend, wenn auch die Geschichte selbst ein kleines bisschen weniger fesselt als die Ripper-Saga aus dem ersten Band. Trotzdem hat Newman auch mit diesem Sequel Maßstäbe gesetzt, an denen sich heute noch viele Autoren orientieren müssen.
Der Abschluss der Trilogie heißt JUDGMENT OF TEARS. ANNO DRACULA 1959 und ist meines Wissens nach zuvor nicht in Deutschland erhältlich gewesen. Diesmal hat der Diogenes Club in Rom zu tun, wo sich die Vampire zu Draculas Hochzeit treffen. Mehr als die Bände zuvor quillt der dritte Teil vor lauter Insider-Gags nur so über - man trifft jede Menge historischer und fiktionaler Gestalten wie den Martini-trinkenden Geheimagenten Hamish Bond, Dr. Fu Man Chu, Lord Greystoke, Fantomas, den vertrottelten Inspektor Closeau und unzählige andere. Das alles ist vor allem ein Fest für Buch- und Filmliebhaber im allgemeinen, die auf Schritt und Tritt Anspielungen entdecken werden, sei es auf die herrlichen Technicolor-Agentenreißer der 60er, die ausladende Sinnlichkeit der Fellini-Filme oder die literarischen Ergüsse von Genrekollegen. Die Story selbst ist inzwischen nur mehr ein kleiner Aspekt des Newmanschen Kosmos ... aber der Leser lernt das schnell zu akzeptieren, denn besser ist er vermutlich in diesem Genre noch nie unterhalten worden.
Zu Recht hat die ANNO DRACULA-Trilogie Kim Newman zu einem der Mitbegründer der britischen New Wave of Horror & Fantasy gemacht - und jedem sei DIE VAMPIRE ans Herz gelegt, trotz des ärgerlichen Dummenfangs, den Heyne mit der optischen Aufmachung betreibt. Wer die Trilogie schon immer mal lesen wollte, kann das jetzt tun, und wenn die Marketing-Trickserei notwendig ist, um gute Bücher zu verkaufen ... sei's drum.
Natürlich hat Newmans Klassiker schon ein paar Jährchen auf dem Buckel (und natürlich verschweigt Heyne uns das ) - aber mit dieser visionären Vampir-Saga verhält es sich wie mit einem guten Jahrgang (blut)roten Weins: Sie reift beim Leser.
Mein Tipp des Monats.