Hier könnt ihr Diana B. Hellmann Fragen stellen, die nicht das Buch der aktuellen Leserunde "Zeit der Freundinnen" betreffen.
Fragen an Diana B. Hellmann
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Na, dann fange ich mal an.
Zuerst aber an dieser Stelle mal ein ganz herzliches Dankeschön an die Autorin, die sich bereit erklärt hat, unsere Leserunde zu begleiten.
Ich hoffe, dass das Passwort zur Anmeldung inzwischen angekommen ist - heute Morgen viertel vor vier war's noch nicht da - und ich bin jetzt schon ein bisschen hibbelig und hoffe, dass da auf dem Weg übern großen Teich nichts im Cyberspace verschollen ist.
Dieses Buch "Zeit der Freundinnen" unterscheidet sich für mein Empfinden ein wenig von dem meisten, was wir bislang von Bea Hellmann kennen. Ich meine damit, es scheint nicht so vordergründig biografisch zu sein wie manch andere Bücher ("Zwei Frauen", "Ich fang noch mal zu leben an", "Aus Liebe zu ihm" usw.), wobei ich durchaus Parallelen zu den verschiedenen "Beas" in anderen Büchern sehe. Ich sehe auch Parallelen zwischen "Ben" und "Noah", die sicher nicht zufällig sind.
Natürlich ist man als Fan immer wieder gespannt, wie viel Bea Hellmann in den Hauptfiguren steckt - diese Hauptfigur, Helen, jedenfalls hat eine Menge Neues für mich gebracht. Liege ich richtig in der Annahme, dass du hier einige Erfahrungen bzw. Erlebnisse aus der Zeit deiner Hospizarbeit eingebracht hast? Das ist eine Zeit, von der ich eigentlich gar nichts weiß, weil das in noch keinem der vorherigen Bücher vorgekommen ist, für mich also ein dunkler Fleck in der Biografie von Bea Hellmann.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man die Vorgänge in der Traumaabteilung einer Notaufnahme so lebensnah rüberbringen kann, wenn man diesen Job nicht schon mal selbst gemacht hat. Nicht nur die intensive und detaillierte Beschreibung der Abläufe, auch Helens Gedanken und Gefühle dazu lassen mich vermuten, dass hier jemand schreibt, der eigene Erfahrungen verarbeitet.
Oder als ganz allgemeine Frage formuliert: Was war der Anstoß, der Beweggrund, dieses Buch zu schreiben?
Ich hoffe, dass eine Antwort hierauf möglich ist, ohne viel von der Folgehandlung zu verraten, sonst warte ich lieber noch ein Weilchen auf die Antwort bzw. komme ggf. später noch mal drauf zurück.edit: Ich sehe gerade, ich hätte die Frage auch drüben stellen können (schließlich betrifft sie ja das Buch), aber egal.
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Ich hab mit dem Buch noch nicht angefangen, werde wohl erst morgen dazu kommen und hab eigentlich auch gar keine Frage. Ich wollte mich nach 20 Jahren (zuvor hatte ich leider keine Gelegenheit dazu) für das Buch "Zwei Frauen" bedanken. Ich durchlebte damals eine sehr schlimme Zeit, ich war schwer krank (Darmoperation mit Verdacht auf Krebs) und dieses Buch war für mich ein Trost und ein großer Mutmacher. Ich hab das Buch mittlerweile einige Male gelesen, oft wenn ich im Krankenhaus gelegen bin und es hat mir immer sehr geholfen.
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Hallo aus Kalifornien!
Die technischen Probleme sind gelöst, und damit kann ich mich nun in aller Form für das Interesse an meiner "Zeit der Freundinnen" bedanken.
Ich habe gesehen, dass da schon einige Fragen aufgetaucht sind, und die werde ich mir jetzt in Ruhe zu Gemüte führen und dann hoffentlich zur allgemeinen Zufriedenheit beantworten.
Bis dahin wünsche ich viel Vergnügen beim Lesen und sende sonnige, wenn auch für unsere Verhältnisse kühle 17-Grad-Grüße aus Los Angeles,
Diana Beate Hellmann
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Uff, jetzt bin ich aber froh! Herzlich Willkommen!
Nur keine Eile beim Antworten, das hier soll Spaß machen und nicht in Stress ausarten.Übrigens: 17 Grad, die hätte ich auch gerne, hier liegt vereinzelt noch Schnee, aber es taut gerade.
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Wenn ich als Kind fragte, wo ich mit etwas anfangen sollte, meinte meine Mutter immer lapidar: "Am besten vorne!" (Die Frau hatte viel häufiger Recht, als ich ihr damals zubilligte.) Also halte ich mich hier mal brav an Mamas Rat und fange bei der Beantwortung der inzwischen gestellten Fragen vorn an.
Ich habe "Zeit der Freundinnen" mehr "aus dem Bauch" heraus geschrieben als jedes andere meiner Bücher. Der Auslöser dafür war die Frau, die im Buch Jodie Lang heißt. Ich bin ihr unter anderen Umständen begegnet, und sie schlich sich in der Realität noch sehr viel heimlicher in mein Leben, bevor sie es vollends auf den Kopf stellte.
Mein Mann ist Psychiater von Beruf, und wenn ich auch gern behaupte, den "Psychiater im Haus" zu haben, so ist doch eigentlich genau das Gegenteil der Fall. Wie viele Psychiater (nicht alle) will mein Mann daheim nichts von psychischen Problemen hören, aber sollten die Kinder und ich welche haben, ist er allzeit gern bereit, uns einen Termin bei einem Kollegen zu machen.
Aus diesem Grund habe ich damals monatelang für mich behalten, wie "verrückt" mich diese "Jodie" machte, denn ich selbst konnte nicht ahnen, womit ich es hier zu tun hatte.Da es mir im Nachhinein schwer fiel, diese Verbindung zu verarbeiten, habe ich angefangen, darüber zu schreiben, und daraus entwickelte sich „Zeit der Freundinnen“ – ein Titel, um den ich mit meinem Verlag ringen mußte, denn die wollten das Buch „Charlottes Sonnentage“ nennen und ein noch fröhlicheres Cover wählen (man ist in Deutschland überzeugt davon, dass der Leser „positive“ Bücher will – die Leute, die von so etwas überzeugt sind, sitzen bei den Verlagen in der Finanzabteilung und haben mit „dem Leser“ nur selten zu tun). Die Personen, die im Buch beschrieben werden, gibt es alle real, wenn sie auch im wirklichen Leben nicht ganz so "extrem" sind und zum Teil andere Hintergründe haben.
Ich selbst arbeite in einer Notaufnahme in dem Job, den Helen im Buch macht. Ich mache das aber nur ehrenamtlich und deshalb nie länger als zwei Tage (oder Nächte) hintereinander - weshalb ich nie in den Genuss komme, mich an die Nachtschicht zu gewöhnen. Außerdem bin ich in puncto Schlafentzug ein wandelnder Jammerlappen, habe schon als junges Mädchen keine Nacht durchmachen können. Eine echte Charakter- oder Körperschwäche.
Ich mache die Arbeit im Traumazentrum ehrenamtlich, weil es bei uns wie in Deutschland für diesen Arbeitsbereich keine Planstellen gibt. Man hatte mir den "Job" vor Jahren angeboten, nachdem ich zuvor viele Jahre Hospizarbeit gemacht hatte.Ich schaue mir jeden Patienten in Ruhe an, bevor die Angehörigen in den Raum gelassen werden. Es ist bei uns in der Notaufnahme nicht üblich, dass der Patient vorher zurechtgemacht wird. Oftmals stecken noch die Schläuche (dazu weiter unten mehr). Ich schaue mir die Patienten vorher an, weil Angehörige unterschiedlich reagieren. Manche halten Distanz und wollen sich nur vergewissern, dass der geliebte Mensch wirklich tot sind. Andere wollen indes genau sehen, was da passiert ist. Letztere könnten für mich, die ich diese Angehörigen stützen soll, zu einer echten Problematik werden, denn oftmals sehen die Unfallopfer nicht nur entsetzlich aus, sondern es riecht auch übel. Wenn ich das in aller Stille mit mir selbst abmache, kann ich hinterher, wenn die Angehörigen dabei sind, gelassener damit umgehen.
Wie gesagt, werden Unfallopfer bei uns im Traumazentrum nicht hergerichtet, nicht einmal leidlich. Der Grund dafür ist ein extremer Personalmangel. Zum einen sind viele unserer Mediziner und Krankenschwestern/-pfleger im Irak und in Afghanistan. Zum anderen hat die Wirtschaftskrise, die jetzt die Börsen beeinträchtigt, schon vor Jahren das Gesundheitswesen erfaßt. Viele Amerikaner können sich keine Krankenversicherung leisten. In den Notaufnahmen werden sie kostenlos versorgt. Die Krankenhäuser zerbrechen an den Kosten, die dadurch entstehen, und der Staat geht einfach hin und schließt die Notaufnahmen. Vor fünf Jahren haben hier in Los Angeles vier Kliniken die Traumapatienten aufgenommen, die heute von zwei Traumazentren bewältigt werden müssen.
Zeit ist da nicht mehr so sehr gleichbedeutend mit Geld als vielmehr mit Überleben. Patient rein in Trauma 1, es wird alles versucht, Patient tot, also nix wie raus aus Trauma 1, denn da kommt schon der Nächste rein, der Computer schaltet gnadenlos frei.Ich glaube, damit habe ich schon mal einige wichtige Fragen beantwortet. Vorerst nur noch eines: An welcher Krankheit Ben in der Vergangenheit litt, hat niemand überlesen, und es ist auch kein loses Ende. Das klärt sich in einem Kapitel ganz genau.
In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Sonntagabend und sende liebe Grüße aus Tinseltown,
Diana Beate Hellmann
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Zitat
Original von dbhellmann
Ich schaue mir jeden Patienten in Ruhe an, bevor die Angehörigen in den Raum gelassen werden. Es ist bei uns in der Notaufnahme nicht üblich, dass der Patient vorher zurechtgemacht wird. Oftmals stecken noch die Schläuche (dazu weiter unten mehr).
Wie gesagt, werden Unfallopfer bei uns im Traumazentrum nicht hergerichtet, nicht einmal leidlich. Der Grund dafür ist ein extremer Personalmangel. Zum einen sind viele unserer Mediziner und Krankenschwestern/-pfleger im Irak und in Afghanistan. Zum anderen hat die Wirtschaftskrise, die jetzt die Börsen beeinträchtigt, schon vor Jahren das Gesundheitswesen erfaßt. Viele Amerikaner können sich keine Krankenversicherung leisten. In den Notaufnahmen werden sie kostenlos versorgt. Die Krankenhäuser zerbrechen an den Kosten, die dadurch entstehen, und der Staat geht einfach hin und schließt die Notaufnahmen. Vor fünf Jahren haben hier in Los Angeles vier Kliniken die Traumapatienten aufgenommen, die heute von zwei Traumazentren bewältigt werden müssen.
Zeit ist da nicht mehr so sehr gleichbedeutend mit Geld als vielmehr mit Überleben. Patient rein in Trauma 1, es wird alles versucht, Patient tot, also nix wie raus aus Trauma 1, denn da kommt schon der Nächste rein, der Computer schaltet gnadenlos frei.Ui, das erklärt auch, warum es so "spezielle Angehörigenbetreuer" wie dich in solchen Notaufnahmen gibt.
Und wir regen uns in Deutschland auf, wenn die Verstorbenen den Mund oder die Augen offenstehen haben...ZitatOriginal von dbhellmann
An welcher Krankheit Ben in der Vergangenheit litt, hat niemand überlesen, und es ist auch kein loses Ende. Das klärt sich in einem Kapitel ganz genau.Ja, im vierten Abschnitt. Danke!
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Jetzt bin ich echt platt! Dass du selbst in einem Traumazentrum arbeitest wusste ich nicht; mir war nur das mit der Hospizarbeit bekannt. Obwohl es mich nicht sonderlich überrascht, denn nun wird mir auch klar, wo das ganze Insiderwissen her kommt, das man als Außenstehender gar nicht haben kann.
Somit ist ja auch dieses Buch wieder sehr viel persönlicher, als es am Anfang für mich den Anschein hatte.
Auch dass es für die Personen im Buch reale Vorbilder gibt, ist interessant. Ich hab da nämlich auch schon insgeheim Verbindungen festgestellt, zu Figuren aus anderen Büchern - besonders Jodie hat mich sehr stark an die durchgeknallte Nachbarsfamilie aus "Aus Liebe zu ihm" erinnert. Diese penetrante Art, sich in das Leben anderer zu schleichen und sie zu manipulieren, kam mir irgendwie bekannt vor. Gibt es da vieleicht Parallelen zu "Mary van Houten" oder einer ihrer Töchter? Ich kann mir schwer vorstellen, dass sich so viele verschiedene gleich geartete Menschen in deiner nächsten Umgebung versammeln. Oder zieht es diese Leute magisch an, wenn man einen Psychiater im Haus hat?Die Zustände in den amerikanischen Kliniken sind erschütternd! Und da dachte ich schon immer, Deutschland hätte ein marodes Gesundheitssystem!
Wie gut, dass es Menschen wie dich gibt, die so einen Job freiwillig und unentgeltlich tun. Ich kann mich nur ganz tief verbeugen und meinen Hut ziehen!So, jetzt muss ich erst mal zur Arbeit flitzen. Bin dann heute Nachmittag (für dich heute Morgen ) wieder online.
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Zitat
Original von Britt
Wie gut, dass es Menschen wie dich gibt, die so einen Job freiwillig und unentgeltlich tun. Ich kann mich nur ganz tief verbeugen und meinen Hut ziehen!Ich hätte dazu noch eine persönliche Frage. Wenn sie zu persönlich ist, einfach ignorieren:
Wie gehst du selbst, mit dem was du während deiner Arbeit erlebst, um? Mit was lenkst du dich hinterher ab bzw. wie bekommst du die Tür hinter dir zu?
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Das ist eine kurze Frage, die einer längeren Antwort bedarf! Ich bin ein tief religiöser Mensch und empfinde den Tod deshalb anders als das Gros der Menschen, mit denen ich es bei meiner Arbeit im Trauma Center und früher beim Hospiz zu tun bekomme.
Es ist heute sehr schick geworden zu glauben, dass der Weg das Ziel IST. Ich habe in einem Arbeitsbereich zu tun, in dem sich täglich zeigt, dass der Weg in Wahrheit ein Ziel HAT. Und dass der Weg dieses Ziel hat, ist das Einzige, was uns Menschen de facto wirklich miteinander verbindet. Irgendwann werden wir alle diesen einen Schritt gehen vom Leben in den Tod, der eine früher, der andere später.
So tragisch es einerseits auch ist, morgens zu einem geliebten Menschen zu sagen "Bis später, Schatz" und Stunden später vor seinem Leichnam zu stehen, so rasch und vergleichsweise schmerzlos war die Transformation doch für den Betroffenen. Er oder sie mußte nicht monatelang leiden.Da ich zutiefst davon überzeugt bin, dass kein Mensch einsam stirbt, dass Gott einen Jeden von uns "abholt" oder "abholen läßt" und wir auch alle gern gehen, wenn der Augenblick gekommen ist, gelingt es mir in den meisten Fällen recht gut, diese Geisteshaltung im Moment des ersten Schocks zu vermitteln. Es geht hier ausnahmsweise mal nicht um die "Ich-Meiner-Mir-Mich"-Ego-Manie unserer Zeit. Dass ICH meinen Mann oder meine Mutter verloren habe, ist in diesem Moment nicht wichtig. Mann oder Mutter sind angekommen, wo wir alle irgendwann ankommen werden, und bei allem Schmerz über den eigenen Verlust, ist das ein Grund, wenn auch nur für einen Moment, inneren Frieden zu empfinden. Da wurde etwas Einmaliges VOLLBRACHT. Für ein Leben in unserer ehemaligen Mitte hat sich der Kreis geschlossen.
Ich kann nach einer anstrengenden Schicht weder fernsehen, noch lesen, Musik hören oder schlafen. Zumeist setze ich mich einfach nur hin, versuche eventuell zu beten, und lasse ansonsten meine Gedanken fließen.
Gerade in den USA und ganz besonders hier im Glitz und Glamour von Los Angeles ist JEDER zu jung, wenn er stirbt. Die Leute wollen hier glauben, die durchschnittliche Lebenserwartung erreiche locker die 120 - man braucht nur die richtigen Vitamine und Mineralstoffe und jede Menge Botox. Dass eine Siebzigjährige beim Joggen (!) am Herzinfarkt stirbt, können sie sich nicht erklären.
Und dann haben wir die Sechzehnjährige, die das erste Mal mit Papas Auto fährt und nie nach Hause kommt. Natürlich weinen in einem solchen Fall alle, weil sie nie heiraten, nie Kinder haben, nie erleben wird, wie ihre Kinder am ersten Tag in die Schule gehen. Es wird nicht erwogen, dass besagte Sechzehnjährige - hätte sie weitergelebt - vielleicht mit 25 mit ihrem eigenen Auto mit einen Schulbus köllidiert wäre und damit das Leben von 20 Kindern beendet oder für immer verändert hätte.Das Leben eines jeden Menschen hat seine ureigene Zeitrechnung. Und wir können noch so viele Uhren besitzen, wie spät es wirklich ist, weiß keiner von uns. Wenn die Zeit abläuft, ist es IMMER der richtige Zeitpunkt. Wer zurückbleibt, versteht das dann zwar nicht, aber wir müssen auch nicht alles verstehen im Leben.
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Das hast du sehr schön gesagt. Und genau so eine Antwort hab ich auch erwartet. Ich musste beim Lesen an die Schilderung des Sterbens deiner Mutter denken, wie du es in "Ich fang noch mal zu leben an" beschrieben hast. Es war sehr traurig, sicher, aber es war auch wunderschön. Anders kann ich es nicht sagen.
Ich habe das Sterben meines Vaters erleben dürfen (ich verwende das Wort "dürfen", weil ich es im Nachhinein nicht missen möchte), und ich habe erlebt, wie er schon am Tag vor seinem Tod plötzlich in die Luft griff, als wolle er jemandem die Hand reichen, den nur er sehen konnte. Und dann habe ich kurz bevor er starb, nach unsäglichen Schmerzen, so etwas Entspanntes und fast schon Glückliches in seinem Gesicht gesehen, dass ich ganz genauso überzeugt bin, dass wir dort, wo wir hingehen, sehr gut aufgehoben sind. -
Mit dieser Frage hier läßt sich, glaube ich, so einiges beantworten, was bisher angesprochen wurde. Nein, die Jodie Lang war nicht die Mary van Houten oder mit der verwandt. Ja, Menschen wie ich ziehen solche Leute wie magisch an. Und ja, zum Teil liegt das daran, dass mein Mann Psychiater ist.
Ein Psychiater und seine Familie haben immer Groupies. Zumeist sind das Leute, die gut und eng mit jemandem befreundet sein wollen, der ihnen mal eben ein Rezept für Pillen ausstellen kann, vorzugsweise welche, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen. Wenn sie feststellen, dass sie da keine Chance haben, ziehen sie nicht etwa ab, sondern verziehen sich grimmig in den Hintergrund, denn wer weiß, vielleicht hat der nächste Bittsteller ja Glück, und dann könnte man den ja bitten, ob er einem von den "Brosamen" was abgibt.
Ich selbst bin ein Mensch, der nicht nur gern zuhört, ich habe mir sagen lassen, dass ich auch ausgesprochen gut zuhören kann, wie ich mir habe sagen lassen, dass das eine Eigenschaft ist, die heutzutage selten geworden ist. Durch meine ehrenamtliche Tätigkeit und durch die Arbeit meines Mannes, die hin und wieder natürlich auch schon mal ins heimische Leben überschwappt, mußte ich zudem gewisse Dinge bewußt LERNEN. Dazu gehört, mich vor der Konfrontation mit einem Menschen im "Distress", wie das hier so schön heißt, selbst ganz zu leeren oder zurückzustellen. Was in meinem Leben ist, belastet oder glücklich macht, muss ganz weg, und man selbst richtet sich her zu einer Art von Auffangstation. Man läßt ES an sich heran, aber nicht in sich hinein.Nun habe ich durch meine Arbeit festgestellt, dass man dieses Verhalten auch in seinem Privatleben als Akt der Nächstenliebe praktizieren kann, wenn es situationsbedingt erforderlich wird. Das, in Verbindung mit dem Umstand, dass mein Mann Psychiater ist (Fachbereich Forensik) zieht eine Gruppe von Menschen an, zu denen Jodie Lang gehörte. Schwerst mental und psychisch kranke Individuen mit soziopathischen und/oder narzissistischen Persönlichkeitsmerkmalen, die mich für sich gewinnen und meinen Mann überlisten wollen. Es war für die wirkliche Jodie ein japanisches Kirschblütenfest, meinem Mann ihre Stories unterzujubeln. "She out-psyched the psychiatrist." Für ihren kranken Geist war das ein monumentales Erfolgserlebnis.
Derweil ist es mir bei solchen Jodies als Nicht-Fachmann nicht möglich, das Kranke und damit potentiell Gefährliche als solches zu identifizieren. Ich verfüge lediglich über eine stark ausgeprägte Sensibilität, und ich habe nach Jodie gelernt, dieser Sensibilität zu entsprechen. Damals hatte ICH oft schreckliche Angst in ihrer Gegenwart. Ich hatte auch Angst, wenn ich ihren Namen auf der Anruferidentifikation sah. Hatte aber mindestens ebenso große Angst, wenn sie sich tagelang nicht meldete. Vor ihr hatte ich in Wahrheit keine Angst, das war mir nur nicht bewußt, und deshalb hielt ich die Gefühle für lächerlich und habe sie verdrängt. Ich hatte Angst vor ihrer Krankheit, vor ihrer Soziopathie, vor ihrem Narzissismus. Seit damals schlage ich sofort Alarm, wenn ich derartige Empfindungen bekomme. Und die Jodies dieser Welt warten immer irgendwo auf mich, da darf ich sicher sein. Ihre Stelle hätte allein im letzten Kalenderjahr bereits zweimal neu besetzt werden können.
Diese Menschen sind zwar krank, aber nicht dumm, alles andere als dumm. Sie beginnen ein Gespräch nicht mit den Worten "Hallo" oder "Wie geht's?", sondern mit: "Ich brauche Hilfe!" und "Hast du mal einen Moment Zeit für mich?" Und da unter denjenigen, die so etwas sagen, auch einmal ein echt Notleidender sein könnte, bedarf es immer einer gewissen Zeit, bis man weiß, wo man dran ist.
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Jetzt sind mir beim Lesen dieser langen Antwort die Mandeln angebrannt. Ich musste erst mal ausloggen und drüber nachdenken. (Und neue Mandeln rösten natürlich.)
Eine Jodie Lang ist ja schon mehr als genug, in illustrer Gesellschaft der drei van Houtens und möglicherweise noch mehr Individuen dieser Art ... das möchte ich mir gar nicht vorstellen. Ich hab schon hin und wieder beim Lesen von "Aus Liebe zu ihm " und "Liebe ist nicht genug" gedacht, das kann ein einzelner Mensch einfach nicht alles erleben, da ist bestimmt eine Menge fabuliert. Wenn ich deinen letzten Beitrag hier lese, bin ich da plötzlich gar nicht mehr so sicher.
Dein Mann betreibt also wirklich forensische Psychatrie, dann arbeitet er auch tatsächlich mit der Polizei zusammen und der "Krimi" im letzten Buch war dann auch realistisch? Ich mochte es nämlich nicht glauben, mir gefriert ja im Nachhinein noch das Blut in den Adern.Was du zum Erkennen der potentiellen Gefahr psychisch Kranker schreibst, hat mich nachdenklich gemacht und erklärt mir einiges, was ich - zwar gottlob nicht in dem Maße wie ihr - jedoch im Kleinen selbst auch schon erlebt habe, anfangs aus völliger Naivität heraus. Und ja, es ist verdammt schwierig, dass von Anfang an zu erkennen, eigentlich geht das gar nicht. Und wenn man es dann merkt, ist es oft schon zu spät, und es ist verdammt schwierig, sich davon zu befreien.
Danke für so viel Offenheit!
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Nur wenige Menschen gelangen zu der Erkenntnis, dass sie den Tod eines geliebten Menschen erleben "dürfen", denn das Dürfen geht weit über die eigene Empfindung hinaus.
Das Sterben ist die intimste Erfahrung, die ein Mensch in seinem Leben macht, und die meisten Menschen möchten diese Erfahrung mit niemandem teilen. Schon gar nicht mit jemandem, dem sie im Leben sehr eng verbunden waren, und von dem sie jetzt einfach befürchten müssen, dass er sie im entscheidenden Moment aus emotionalen Gründen nicht gehen läßt. Weltliche Bindungen haben enorme Kraft. Eine Mutter kann sich wochenlang mit dem letzten Stück des Sterbens herumquälen, weil eines ihrer Kinder schlichtweg noch nicht soweit ist, sie gehen zu lassen. In funktionalen Familien ist das bewußte Sterben an einer tödlichen Krankheit ein regelrechte Gemeinschaftsproduktion.
Bei der Hospizarbeit versucht man unter anderem, diese Produktion im Interesse des Patienten voranzutreiben. Künstlich klappt das nicht, denn Menschen, die "bewußt" sterben, haben sehr viel feinere Sensoren als wir. Sie hören auch zwischen den Worten und sehen mit geschlossenen Augen, fühlen mit jeder Faser ihres Ichs (wobei mir auffällt, dass ich da noch eine andere wichtige Frage beantworten muss, die muss ich nur erst wiederfinden).
Aber gleichgültig, wie gut eine Familie vorbereitet ist, und wie prima sie alles macht: Ich habe es unzählige Male erlebt, dass die Patienten in dem Moment starben, in dem nur ich im Raum war, die eine Person im Haus, deren offizieller Job es war, dieses Sterben zu begleiten. Mir konnten sie bedingungslos trauen, blieb nur der eine Moment abzuwarten, in dem Jenny draußen eine Zigarette rauchte, Jackie sich eine Jacke holte und Arthur mal gerade auf dem Klo war.
Sprich: Wer als nächster Angehöriger DA sein darf in diesem einzigartigen Augenblick eines menschlichen Lebens, bekommt damit eine letzte Frage beantwortet, die er vielleicht nie gestellt hat: Ja, ich weiß, dass du mich liebst, und ja, ich vertraue dir - mit meinem Sterben.
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Nun, den wirklichen Moment des Sterbens durfte ich bei meinem Vater nicht erleben, nur die Minuten vorher. Für den großen Abgang hat er sich tatsächlich den Moment gewählt, nachdem ich den Raum verlassen hatte. Jetzt weiß ich auch warum. Danke!
Ich könnte noch Stunden über dieses Thema diskutieren, leider schellt morgen früh mein Wecker - blöde Zeitverschiebung!
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So ist das in den allermeisten Fällen! In der Hospiz-Ausbildung haben wir gelernt, dass sie davon ausgehen, dass es für den Sterbenden sehr viel einfacher ist, wenn niemand "Bindender" im Raum ist. Weshalb man als Angehöriger, wenn man selbst soweit ist, auch mal ganz bewußt ein paar Stunden gehen sollte, um dem Sterbenden die Zeit und den Raum zu schaffen zu gehen.
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Da dieser Thread schon viel zu lange brach liegt und ja auch für off-Topic-Fragen gedacht ist, die nichts mit dem vorliegenden Buch zu tun haben, traue ich mich mal an eine solche ran. Denn wann hab ich schon mal wieder Gelegenheit dazu?
Eins der Bücher, das mich sehr geprägt hat, ist „Laras Geschichte“. Durch Lara habe ich Ligurien kennen und lieben gelernt, und ich war damals derartig „larafiziert“, dass ich vor Ort rumgelaufen bin, Buch und Kamera unterm Arm, und Bekanntes wiederfinden wollte. Es war toll, und ich hab mich Lara sehr nahe gefühlt.
Was mich verwirrt hat war, dass im Buch ja immer von Pietra Ligure die Rede war, ich das Gros der im Buch genannten Lokalitäten aber im Nachbarort Loano wiedergefunden habe (wobei beide Orte ja ineinander übergehen). Z. B. hab ich in Pietra keinerlei Kloster auf einem Berg gefunden, dafür jedoch das Kloster der Karmeliter auf dem Colle Costino in Loano – war es das, zu dem Lara am Anfang des Buches hinaufgeklettert ist? Wenn ja, dann war sie sehr schnell außer Atem, denn das ist ja nur ein kleines Stück oberhalb der Stadt.
Ebenso hab ich Lara’s erdbeerrotes Hochhaus am Strand nicht gefunden; das Einzige, was evtl. in Frage gekommen wäre, ist an dem Punkt, wo die Via Aurelia auf die Strandpromenade trifft (wo auch das Denkmal mit dem Seemann steht), dieses Haus ist allerdings ocker bzw. terakottafarben.
Etwas, das mich besonders berührt hat, ist Laras Freundschaft zu Bosco. Und Boscos Bar hab ich tatsächlich in Loano gefunden. (Es gibt auch prima Toasts dort!) Am liebsten hätte ich Bosco nach dir gefragt, hab mich aber nicht getraut. Denn erstens ist mein Italienisch zu schlecht für ausgedehnte Gespräche, zweitens war ich nicht sicher, ob ich den richtigen Bosco vor mir habe bzw. ob der im Buch nicht erfunden ist.
Als ich Jahre später noch mal dort war (übrigens gemeinsam mit Christiane :knuddel1, mit der ich noch mal auf Laras Spuren wandeln wollte) war Boscos Bar geschlossen.
Irgendwie interessiert mich aber immer noch, wieso du Laras Geschichte ausgerechnet nach Ligurien verlegt hast. Daher frage ich jetzt einfach mal ein bisschen nach:Hast du wirklich mal selbst dort gelebt, oder kennst du es "nur" so gut von den jährlichen Urlaubsaufenthalten?
Ist die Freundschaft zu Bosco der Realität entnommen und ist er tatsächlich der Inhaber der "Bar al Bosco" an der Strandpromenade in Loano gewesen?
Gab es das erdbeerrote Haus wirklich oder war es der Fantasie entsprungen?
Hatte ich mit dem Kloster der Karmeliter in Loano (ein Stück oberhalb der Bahnlinie) das Richtige gefunden, das im Buch genannt war?Ich hoffe, ich nerve nicht allzu sehr mit meinen vielen Fragen.
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Ich habe Familienbande zu Liguren und deshalb von frühester Kindheit an fast sämtliche Ferien dort verbracht. Bei dem Ort handelt es sich um Loano. Als der Rummel um ZWEI FRAUEN 1989 Überhand nahm, mußte ich Mittel und Wege finden, zwischendurch auch irgendwo noch mal zur Ruhe zu kommen, denn man erwartete zwar von mir, dass ich ein zweites Buch schrieb, doch war ich nahezu täglich vom frühen Morgen bis zum späten Abend voll verplant. In einem derart öffentlichen Leben ist keinerlei Platz mehr für Kreativität. Deshalb habe ich mir Ende 1990 mit Hilfe meiner Familie in Loano einen zweiten Wohnsitz geschaffen.
Ja, es war das richtige Kloster, und wenn man von der Bergseite zum Monte Carmelo pilgert, nicht den Weg vom Hafen nimmt, ist es ein regelrechter Hiking Trail. Das Haus, in dem ich damals gewohnt habe, liegt unmittelbar am Meer, schräg gegenüber von der Stranddiskothek Saita. In 2000 war es immer noch erdbeerfarben, im Erdgeschoß befindet sich eine Pizzeria, und wenn man mit dem Rücken zum Meer vor dem Haus steht, geht es rechts in die Via Garibaldi.
Der Besitzer der Bar al Bosco heißt im wirklichen Leben Oswaldo. Durch meine Ballett-Vergangenheit hatte ich eine ganz besondere Beziehung zu ihm. Ich war gerade mal vier Jahre alt, als ich durch das Ballett den ersten homosexuellen Männern in meinem Leben begegnete. Sprich, ich habe Homosexualität "erlebt", lange bevor ich lernte, welche Vorurteile die Gesellschaft dagegen hat. Aus diesem Grund habe ich ein sehr feines Gespür dafür entwickelt, ob ein Mann schwul ist, etwas, was mein Mann "erschütternd" findet. Manchmal lernen wir jemanden kennen, und ich sage dann zu ihm "Du, der ist schwul", und dafür gibt es zu dem Zeitpunkt keinerlei Anhaltspunkt, aber Jahre später bewahrheitet es sich.
In meiner Naivität dem Thema gegenüber habe ich irgendwann als junges Mädchen Oswaldo danach gefragt, ob er eigentlich einen festen Freund habe oder à la carte lebe. Dem Mann ist fast die Kinnlade heruntergefallen, denn seine Homosexualität war das bestgehütete Geheimnis der gesamten Küstenregion. Dass ich ihn "durchschaut" hatte und immer noch liebte, beseelte den Mann über alle Maßen, und meine Mutter und ich waren die ersten Menschen, die seinen langjährigen Lebensgefährten kennenlernen durften - was der Anfang dieser so besonderen Freundschaft war. -
Ich musste jetzt erst mal die Lende vom Herd nehmen, sonst wäre sie mir verbrannt. Ich musste das hier unbedingt JETZT SOFORT lesen!
Danke! Vielen lieben Dank für die Erklärungen. Ich weiß sehr genau, welches Haus du meinst, es ist wirklich das Höchste in Loano und hat oben auch Rundum-Balkone. Unten ist eine Bar, Pizzeria, Cafe oder sonstige Kneipe (ich weiß nicht mehr genau was es war). Und es ist inzwischen teracottafarben, liegt direkt am westlichen Anfang des Centro Storico. Ich stand mit Christiane vor der Klingelleiste, bevor wir über die Via Garibaldi in die Altstadt gegangen sind!
Zum Kloster bin ich den direkten Weg von der Stadt aus gegangen und hab mich schon gewundert, warum Lara so fix und fertig war. Nächstes Mal nehme ich dann nicht den Weg vom Hafen.
Die Geschichte mit Bosco ist sehr bewegend, dann hab ich wirklich den Richtigen gesehen. In einer der blauweiß-gestreiften Hollywood-Schaukeln jenseits der Straße hab ich gesessen. Mir geht's grad richtig durch und durch.Ich weiß auch schon, welches Buch ich als nächstes lese: Ich werde mir "Lara" noch mal vornehmen!
Danke!edit: @Christianchen, wollen wir nicht mal wieder nach Ligurien fahren?
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Guten Morgen aus Los Angeles!
Ich habe soeben erfahren, dass ich einer Kollegin heute den Dienst abnehmen muss, deshalb werde ich die Posts erst morgen lesen und antworten.
Bis dahin sende ich allen liebe Grüße