'Zeit der Freundinnen' - Kapitel 20 - 26

  • Zitat

    Original von C.N.
    Gott sei Dank kam ich schon kurze Zeit später einfach nicht mehr an diese Droge heran, so dass meine Sucht im Laufe vieler Monate zwangsläufig abebbte. Kokkain, Heroin, alles hätte ich kriegen können, aber ich wollte nie wieder auch noch etwas anderes probieren, weil ich jetzt wusste, wie fast unmöglich es ist, davon wieder loszukommen.


    Da hast du aber verdammtes Glück gehabt! Ich kann voll und ganz nachvollziehen, wie verlockend es ist, sich immer wieder Gefühlszustände zu schaffen, in denen man sich einfach nur kompromisslos wohl fühlt, mit sich und der Welt in Einklang ist. Ich glaube ja, das ist eine kleine Vorschau auf das, was uns mal erwartet, wenn wir am Ende unseres Weges angekommen sind. (Ich hatte ein ähnliches Erlebnis von kompletten Glück mal in einer Narkose, daher kann ich in etwa nachempfinden, wie abhängig man davon werden kann).
    Aber so leicht macht es uns das Leben nun mal nicht. Es erwartet von uns, dass wir uns anstrengen, um glücklich zu werden. Dass wir lernen, Erfahrungen sammeln, Liebe, Leid, Glück und Enttäuschungen erfahren - uns auf die Welt einlassen. Das ist unser Weg, den wir zu gehen haben, um schließlich mit diesem Gefühl, diesen geilen Empfindungen, belohnt zu werden - nämlich dann, wenn es für uns an der Zeit ist, unseren Körper auf natürliche Weise, ohne die Hilfe von Kokain etc. zu verlassen. Ohne Fleiß kein Preis. Wollen wir es haben ohne dafür an uns zu arbeiten (beispielsweise eben durch Drogen), dann nur um den Preis der Selbstzerstörung.


    Es gab da auch eine schöne Geschichte zum Thema Drogen in "Das Kind, das ich nie hatte", (Olivia und Patrick) - wird wirklich Zeit, dass du das mal liest. ;-)

    Worte sind Waffen. Wenn Ihnen etwas ganz stark am Herzen liegt, legen Sie Ihre Waffe an und feuern. (James N. Frey)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Britt ()

  • Ich gebe zu kund und zu wissen, dass mein Freund "Jean" gestern wahrhaft Meisterhaftes geleistet hat. (Gottes Wege sind häufig unergründlich, führen aber immer zum Ziel!) Er rief uns gestern Abend an, weil er von meinem Mann ein Rezept für Oxycontin haben wollte. Und mein Mann hat wohl irgend etwas gewittert und ihm vorgeschlagen, doch zur Notaufnahme ins Krankenhaus zu gehen und da um ein Rezept zu bitten. Und et Jean war so zu, dass er das gemacht hat!!!


    Mit anderen Worten: Er ist jetzt sicher und geborgen in der geschlossenen Psychiatrie im Entzug, und heute Nachmittag durfte er uns kurz anrufen. Eigentlich ist er froh, dass jetzt alles so gekommen ist, hat er gesagt. Nur wieso das so gekommen ist, kriegt er noch nicht so richtig auf die Reihe. Die wären wahnsinnig nett zu ihm gewesen, hat er gesagt. Die hätten ihn mit den Worten begrüßt: "Wir haben schon auf Sie gewartet."

  • Das ist ja unglaublich! :yikes
    Und einfach großartig!
    Ich hoffe so sehr, dass er diese positive Einstellung beibehalten kann, auch wenn es ihm wieder schlechter geht!


    Wieso das so gekommen ist, darüber kann man lange spekulieren. Man muss ja auch nicht alles verstehen, wichtig ist das Ergebnis.
    Für mich scheint es, als ob sich damit ein Kreis schließt. Du hast ihm damit zurückgegeben, was er damals für dich getan hat. Ihr habt ihm ja quasi dort schon das Bett bereitet, er musste sich nur noch reinlegen.
    Es ist einfach nur wundervoll, und ich hoffe, dass er es diesmal wirklich schafft, clean zu bleiben, seine Chance zu nutzen.


    Verrückt, dass das gerade jetzt passiert ist, wo wir es hier thematisiert haben. Mir fällt dazu ganz spontan das ein, was C.G. Jung Synchronizität der Ereignisse nannte: Wir reden über sein Problem, wünschen ihm, den Teufelskreis durchbrechen zu können, und promt läuft er bei der Notaufnahme auf! :anbet

    Worte sind Waffen. Wenn Ihnen etwas ganz stark am Herzen liegt, legen Sie Ihre Waffe an und feuern. (James N. Frey)

  • Nun, was uns die Geschichte vor allem verrät, ist natürlich, warum akut Drogenabhängige so häufig schwere Verbrechen begehen. Mein Freund war, als er bei uns anrief, dermaßen auf "withdrawal", dass er alles tat, was man ihm sagte. Glücklicherweise wurde ihm in dieser Situation gesagt, in den ER zu gehen und dort zu behaupten, er habe Schmerzen, und dann würde er seine Pillen bekommen. Darüber hat er in seiner Lage nicht weiter nachgedacht, es einfach getan. Man stelle sich vor, er hätte jemand anderen kontaktiert, und der hätte ihm geraten, zur Apotheke X zu gehen, den Apotheker niederzuschlagen und sich sein Zeug aus dem Giftschrank zu holen.

  • Solche Beispiele gibt es ja erfahrungsgemäß auch mehr als genug.
    Das sind dann diejenigen, die nicht so gute Freunde haben wie "Jean".
    Was für ein Glück, dass er noch so geistesgegenwärtig war, eure Nummer zu wählen.
    Und dein Mann hat dann auch noch das einzig Richtige getan. Da war der 'Psychiater im Haus' genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hat goldrichtig reagiert. (Und Apotheker X damit möglicherweise vor Schlimmeren bewahrt).

    Worte sind Waffen. Wenn Ihnen etwas ganz stark am Herzen liegt, legen Sie Ihre Waffe an und feuern. (James N. Frey)

  • Ich komme gerade von einem Besuch bei meinem Freund und werde meinem Mann jetzt gleich sein Lieblingsessen kochen. Ich war nämlich gerade erstmals auf der Station, auf der er seit vielen Jahren täglich zu tun hat, und habe dadurch einen aktuten Anfall von Gattenrespekt, dem ich mich jetzt sofort ergeben werde. Tja, so sieht er also von innen aus, der Sicherheitstrakt der geschlossenen Psychiatrie ... das war ein Erlebnis, davon werde ich mich so schnell nicht erholen. Vielleicht hilft das Kochen.

  • Zitat

    Original von dbhellmann
    Tja, so sieht er also von innen aus, der Sicherheitstrakt der geschlossenen Psychiatrie ... das war ein Erlebnis, davon werde ich mich so schnell nicht erholen.


    Daß das in diesem Bereich quasi die Hölle sein muß, vermute ich schon lange. Kurz nachdem mein Vater Pflegefall geworden war, erlitt er wohl einen Schlaganfall. Jedenfalls sprach er völlig wirr und - für ihn sehr ungewöhnlich - randalierte im Bett. Der Arzt weigerte sich, ihn auch nur anzusehen. Das einzige, wozu er - und das nur telefonisch - bereit war, war ihn in die Psychiatrie (nach Lohr, wem das was sagt) einzuweisen. Was dann auch geschah.


    Ein paar Stunden später schon war mein Vater wieder völlig normal im Kopf und flehte uns bei jedem Besuch an, ihn dort rauszuholen. "Das ist die schlimmste Zeit meines Lebens" hat er immer wieder gesagt. Und er hat Krieg und Gefangenschaft erlebt. Wir haben ein paar Wochen gebraucht, ihn wieder herauszuholen. Denn die Ärzte wußten ja so genau, daß er der typische Fall für Komplikationen war. "Da muß doch noch was kommen" - kam aber nicht. Bis zu seinem Ende nicht. Irgendwann hatten die Ärzte keine Argumente mehr, und sie mußten ihn entlassen.


    Diese totale Abschirmung der Krankenstation, mangelnde Information für uns Angehörige sowie letztlich Fehldiagnose haben mein Vertrauen in solche Einrichtungen nicht gerade gestärkt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • O ja, ich hatte auch mal das zweifelhafte Vergnügen, auf der Geschlossenen im Bürgerhospital Stuttgart eine Vernehmung zu schreiben. Das ist schon heavy, wenn man keinen Angehörigen dort hat - wie viel härter muss es einen erst treffen, wenn jemand, der einem nahesteht, dort drin ist.
    Wie kommt "Jean" denn inzwischen damit klar? Ich hoffe sehr, dass er durchhält. Gibt es denn keine Alternative für einen Entzug außer diese geschlossene Psychiatrie? Muss ja nicht gleich die Betty-Ford-Klinik sein. Aber ein Umfeld, wo er sich wohlfühlen kann und trotzdem nicht an den Stoff rankommt?


    Ich hoffe, das Kochen hat ein bisschen geholfen.



    Zitat


    Original von SiCollier
    ... Wir haben ein paar Wochen gebraucht, ihn wieder herauszuholen. Denn die Ärzte wußten ja so genau, daß er der typische Fall für Komplikationen war. "Da muß doch noch was kommen" - kam aber nicht. Bis zu seinem Ende nicht. Irgendwann hatten die Ärzte keine Argumente mehr, und sie mußten ihn entlassen.


    Wenn man doch bloß auch mal bei Triebtätern so übervorsichtig wäre!
    Wie viele von denen wurden schon als 'gesund' entlassen und verschleppten wenig später das nächste kleine Mädchen.

    Worte sind Waffen. Wenn Ihnen etwas ganz stark am Herzen liegt, legen Sie Ihre Waffe an und feuern. (James N. Frey)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Britt ()

  • Zitat

    Original von Britt
    Wenn man doch bloß auch mal bei Triebtätern so übervorsichtig wäre!
    Wie viele von denen wurden schon als 'gesund' entlassen und verschleppten wenig später das nächste kleine Mädchen.


    Du sprichst mir aus der Seele. Aber die können sich halt wehren und haben - möglichst auf Steuerzahlers Kosten - zig Anwälte. Ein alter Mann gibt halt keine Schlagzeile her und kann sich nicht wehren, die Angehörigen sind auch gezwungen, den Ärzten zu glauben. Dazu kommt die Schocksituation. Bis man sichs versieht, steht man einer Reihe von "Halbgöttern in Weiß" gegenüber und muß mit gesundem Menschenverstand dagegen ankämpfen. Ich hoffe, nie wieder.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Auch im Feld der Psychiatrie geht es in den USA ganz anders zu als in Europa. Die Stationen sind strikt unterteilt. In dem Sicherheitstrakt, in dem mein "Jean" jetzt untergebracht ist, befinden sich ausnahmslos Drogensüchtige, die abhängig sind von einer illegalen Substanz, also keine Alkoholiker.
    Der Gesetzgeber erlaubt den Krankenhäusern nur eine dreitägige Zwangseinweisung. Danach muß der Patient einer weiteren stationären Behandlung zustimmen, und zwar nicht nur vor einem Arzt, sondern auch vor einem vom Gericht geschickten Richter und einem Patientenanwalt. Diese persönliche Zustimmung gilt für nicht länger als zehn Tage am Stück, dann gibt es einen neuen Gerichtstermin. Und wer das jetzt liest, wird sich vielleicht an Britney Spears erinnern, daran, wie häufig sie vor Gericht erscheinen mußte, bis man einen für alle Teile zufriedenstellenden Modus Operandi gefunden hatte.

  • Eine Zwangseinweisung gibt es in Deutschland nur durch einen Richter nach fachärztlichem (vom Richter eingesetzten) Gutachten und nur bei akuter Eigen- oder Fremdgefährdung.


    Das Ammenmärchen von den vielen Sexual- und Gewaltstraftätern, die von den blöden Ärzten rausgelassen werden und dann wieder zuschlagen hält sich dank medialer Fehlinformation hartnäckig. Die Wahrheit ist, man müsste von 100 Straftätern, die ihre Strafe abgebüst haben 97 Leute, die in der Gesellschaft als normale Bürger leben könnten einsperren, weil drei rückfällig werden könnten, von denen ein vietel ein Tötungsdelikt verwirklicht, also einer von vierhundert. Solche Schutzhaftorgien gab es schon mal in der deutschen Geschichte, nicht zu deren Glanzzeiten.

  • Mag sein Beo, natürlich erfahren wir immer nur von den "3 Prozent", die wirklich rückfällig geworden sind und nie von denen, die 'geläutert' wurden. Ich gebe auch zu, dass ich durch meinen Job eine verschobene Sicht der Wirklichkeit bekomme, das ist eine Art selektive Wahrnehmung - da wir natürlich nie mit den Fällen zu tun kriegen, die als brave Bürger weiterleben, sonder nur mit denen, die anschließend wieder Scheiße bauen.
    Aber das ist dann tragisch genug. Ich möchte keiner der Gutachter sein, der letztlich die Verantwortung dafür trägt.

    Worte sind Waffen. Wenn Ihnen etwas ganz stark am Herzen liegt, legen Sie Ihre Waffe an und feuern. (James N. Frey)

  • Zitat

    Original von dbhellmann


    Mit anderen Worten: Er ist jetzt sicher und geborgen in der geschlossenen Psychiatrie im Entzug, und heute Nachmittag durfte er uns kurz anrufen. Eigentlich ist er froh, dass jetzt alles so gekommen ist, hat er gesagt.


    Wie sehr mich das freut ... Ich wünsche ihm, so fest ich nur irgend kann, dass er es schafft, nie mehr rückfällig zu werden und in seinem Leben Sinn und Halt und Freude zu finden!!!

  • Zitat

    Original von Britt


    Mag sein Beo, natürlich erfahren wir immer nur von den "3 Prozent", die wirklich rückfällig geworden sind ... da wir natürlich nie mit den Fällen zu tun kriegen, die als brave Bürger weiterleben, sonder nur mit denen, die anschließend wieder Scheiße bauen. Aber das ist dann tragisch genug. Ich möchte keiner der Gutachter sein, der letztlich die Verantwortung dafür trägt.


    Ich finde, dass jedes falsche Gutachten eins zu viel ist. Mir kommt es auch fast so vor, als wenn es mehr als 3 % sind und einfach zu fahrlässig mit diesen Dingen umgegangen wird. Immer wieder gab es Beispiele, wo ich schon nach weit weniger Informationen, als dem Gutachter zur Verfügung standen, der Meinung war, das konnte nicht gut gehen, ich hätte den nicht entlassen, auch wenn ich jetzt ein konkretes Beispiel leider anführen kann.

  • Zitat

    Original von dbhellmann


    In unserem Haushalt gibt es ausschließlich rated versions. Nur ein einziges Mal hat uns unser Großer einen Film aus der Videothek mitgebracht, der unrated war: Ein mir unvergeßliches Erlebnis. Es handelte sich dabei um den 2005-Streifen "A History of Violence" mit Viggo Mortensen und Maria Bello. Mein Mann saß auf dem Sofa und guckte das, und ich goß die Blumen, als ich plötzlich sah, wie et Viggo dat Maria auf der Treppe in den Hintern .ickte. Erst da wurde mir bewußt, dass ich im amerikanischen Fernsehen seit 1994 nichts mehr gesehen hatte, was über einen innigen Kuss hinausgegangen ist, denn wir haben kein Kabelfernsehen. Aus Überzeugung nicht.


    Ja, der Film hat nicht nur wegen dieser Sexszene eine Altersfreigabe FSK 18.
    Habt ihr den Film dann abgebrochen?

  • Zu den Rechenbeispielen von beowulf ein etwas hinkendes Beispiel: mein alter PC hatte einen Herstellungsfehler im Prozessor. „Unmöglich“ war die Antwort des Fachhändlers. „Unsere Reklamationsquote liegt bei 0,1 Prozent.“ Darauf ich: „Das mag schon sein. Aber wenn ich die 0,1 Prozent bin, dann mache ich Ihnen hier Zeter und Mordio.“


    Übrigens habe ich nach unserer interessanten Diskussion über Filme und „Rated Versions“ bewußt geschaut. Am Donnerstag habe wir uns einen amerikanischen Unterhaltungsfilm angesehen, weil wegen Schlag-K.O-Seins ging nix , wo man hätte groß denken müssen. Das dürfte, obwohl auf Tele5 (also dt. TV) gesendet, eine „Rated Version“ gewesen sein, denn in einem deutschen Film (sogar in einem „Pilcher“), wäre zumindest eine Szene ganz anders ausgefallen. Ich traue es kaum zuzugeben, aber an diese Versionen könnte ich mich gewöhnen. :rolleyes

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Wir haben das weitergeguckt, denn wir sind ja alle schon "gross". Ich persönlich habe auch weniger Probleme mit dem Sex als vielmehr mit der Gewalt. Ich kann und will mir nicht ansehen, wie Augen ausgestochen und Finger mit Zangen abgeknipst werden. Auf Pilcher stehe ich allerdings ebenso wenig. Hält sich echt die Waage.