Die Päpstin - Donna Woolfolk Cross

  • ACHTUNG SPOILER!


    1996 wurde das Buch "Die Päpstin" von Donna Woolfolk Cross publiziert - ganze 20 Jahre sind inzwischen vergangen. (Noch im selben Jahr wurde auch die deutschsprachige Übersetzung publiziert.) Es handelt sich also um ein Buch aus dem vorherigen Jahrhundert, und es gehörte bei der Erstpublikation zu jenen Büchern, denen damals Bestseller-Status zugestanden wurde. Nach dem Erfolg zu schließen, das Buch wurde gelesen und sogar diskutiert und zum Teil sehr kontrovers aufgenommen, muss es damals wohl eine breite Leserschaft angesprochen haben. Zu diesem Zeitpunkt war das Internet, das heute zur Alltagswelt gehört, noch im Aufkommen, Foren waren erst im Entstehen - es war also doch noch eine ganz andere Zeit, als wir sie heute kennen.


    Im Vergleich zu dem, was heute mit Büchern, die als "historische Romane" gelten und dem ein "Bestseller-Status" zugestanden wird, fällt auf:


    - Bis heute hat die Autorin keine Fortsetzung geschrieben oder schreiben lassen. (Auch wenn eine "Tochter der Päpstin"

    ein Umschreiben des Roman-Endes für eine weitere Auflage notwendig gemacht hätten, ein „Erbe der Päpstin" oder eine "Erbin der Päpstin" wären durchaus im Rahmen des Möglichen gewesen


    - Erst 2009 wurde der Roman als Vorlage für einen Film adaptiert, also über 10 Jahre nach der Erstpublikation.


    - Erst 2011 (vermutlich nach dem Erfolg des Films) wurde "Die Päpstin" als Musical adaptiert.


    Mit Blick auf den Erfolg 1996 und im Vergleich mit anderen beim Publikum erfolgreichen Büchern, ist auffallend, dass sich die Vermarktung der "Päpstin" bisher in Grenzen gehalten hat.


    "Die Päpstin" gilt als das Romandebüt der Autorin, die zuvor nur Sachbücher publiziert hatte. Interessant ist, dass weitere Romane von Donna Cross bisher nicht im deutschen Buchhandel erschienen sind. Es hat den Anschein, dass die Autorin nach der "Päpstin" keinen weiteren Roman mehr geschrieben hat. (Darauf könnte der Umstand verweisen, dass nach dem Erfolg des Films doch ein idealer Zeitpunkt gewesen wäre, weitere Romane von Donna Cross zumindest im deutschsprachigen Buchhandel auf den Markt zu bringen und damit an den Erfolg des Films mit weiteren finanziellen Gewinnen anzuknüpfen.


    In dem Nachwort der Ausgabe, in der ich den Roman gelesen habe, gibt die Autorin an, dass sie eigentlich über die legendäre Päpstin ein historisches Sachbuch schreiben wollte, und es nur ein (fiktiver) Roman wurde, weil die Faktenlage für ein seriöses historisches Sachbuch nicht ausreichend war. Die Autorin selbst hat also 1996 jedenfalls nicht für ihr Buch den Anspruch erhoben, dass es die Päpstin wirklich gegeben hätte oder ihre Version die einzig Vorstellbare wäre.


    Negative Urteile zur mangelnden Historizität der Autorin, was in mehreren anderen Threads in diesem Forum sogar zu sehr extremen Postings geführt hat, die zum Teil in Vorwürfen, Verunglimpfungen und Kriminalisierung der Autorin ausgeartet sind, ist daher nicht gerechtfertigt. Es wäre sicher interessant, einmal über die Ursachen zu diskutieren, warum das Buch (das eindeutig ein Unterhaltungsroman ist) seinerzeit so heftige, stark emotionale Reaktionen bei Leser/innen und Diskutierenden ausgelöst hat. (Der Rezensionsthread wurde z. B. 2003 eröffnet, es handelte sich bei "Der Päpstin" keineswegs um ein brandaktuelles Buch, das gerade erst am Markt erschienen war.)


    Insgesamt kann ich der sehr hilfreichen Rezension von Tilia Salix zustimmen, allerdings sehe ich einige Punkte doch etwas anders.


    Natürlich mag es für den/die eine/n oder andere/n Leser/in schade sein, dass Donna Cross kein großartiges Panorama des 9. Jahrhunderts in ihrem Roman geschaffen hat, aber dass sie daran gescheitert ist, schließe ich allerdings aus, den Scheitern (aus welchem Grund auch immer) kann Autor/in nur an etwas, was er/sie gewollt hat. Aus dem Nachwort ergibt sich aber, dass Cross nur die Geschichte der Päpstin, wie sie sich zugetragen haben könnte, erzählen wollte. Sie hatte also keineswegs die Absicht, ein Panorama der Zeit zu schaffen, in welcher die Päpstin gelebt haben könnte. Der Aufbau der Handlung und der Fokus bestätigen das.


    Gewöhnlich wird von Autor/in einem "historischen Roman" erwartet, dass er/sie sich im Wesentlichen doch an die historischen Fakten (Vorgaben) hält. In diesem Roman war die Legende von der Päpstin die Vorgabe, und was den Ausgang der Geschichte betrifft, so hat sich die Autorin an diese Legende, ihre Hauptquelle, gehalten.


    Was den Schluss betrifft,

    , der war in der Legende vorgegeben, hier kann Leser/in höchstens bedauern, dass sich die Autorin an ihre Hauptquelle gehalten hat.


    Auch mit Blick auf den Schluss unterscheidet sich "Die Päpstin" übrigens wesentlich von den "historischen Romanen" des 21. Jahrhunderts, die gewöhnlich ein Happyend haben, oder wenn dieses durch die historischen Fakten unmöglich ist, es entweder abwandeln (z. B. der Tod der Hauptfigur wird in den Epilog verlegt, der Roman endet zu einem früheren Zeitpunkt oder Held/in ist nur scheinbar umgekommen und befindet sich am Schluss mit neuer Identität auf dem Weg in ein anderes, besseres Leben) oder wenigstens abmildern (so z. B. Astrid Fritz, Die Hexe von Freiburg


    Da Johannas Schwangerschaft bereits in der Legende vorgegeben ist, war für mich nachvollziehbar, dass sich Donna Cross dazu eine Geschichte ausdenken musste, und da stellt sich die Frage, ob die von Cross gewählte Lösung mit der Liebesgeschichte nicht doch die sympathischste Möglichkeit ist. In der Legende ist der Verursacher der Schwangerschaft gewöhnlich der Teufel oder Johannas Mentor, der sie letztlich verführt. Der Teufel oder der Heilige Geist als Verursacher der Schwangerschaft hätten zu diesem Buch aber nicht gepasst, und da Johanna Sympathieträgerin und als eine selbständige Frau konzipiert ist, wollte Cross sie offensichtlich auch nicht durch ein fragwürdiges Sexualleben diskriminieren oder zum Opfer eines sexuellen Missbrauchs degradieren.


    Im Roman selbst wird übrigens keineswegs dezidiert behauptet, dass es Frauen überhaupt nicht erlaubt ist, Wissen zu erlangen oder gar anzuwenden. Frauenfiguren haben es eindeutig schwerer, und es gibt genug Männerfiguren mit Vorurteilen, die sie kraft männlicher Autorität zu verwirklichen versuchen, allen voran Johannas Vater. Aber gerade zu Beginn der Geschichte finden sich auch Männerfiguren, von denen Johanna Unterstützung erfährt (und auch die übrige "Frauenwelt" besteht nicht nur aus Negativfiguren, die ihre Geschlechtsgenossin behindern.


    Mit der Figur der Arnalta wird die Idee eingebracht, dass Johannas Geschichte keineswegs so unüblich gewesen sein könnte, abgesehen davon, dass Johanna eben zuletzt den Papststuhl besteigen kann.


    Zunächst scheint es im Roman vorstellbar, wenn gleich mit Einschränkungen, dass Johanna im Kloster durchaus als Ausnahmefrau reüssieren könnte. Die Übernahme einer männlichen Identität ist hier auch Ergebnis von Erfahrungen, die Johanna macht.



    Der hohe Preis, den Johanna zahlt, ist eher darin zu sehen, dass sie zur Aufrechthaltung ihrer Identität als Mann Distanz zu anderen Menschen wahren muss und damit sehr einsam wird, weniger im ohnehin nur vorübergehenden Verzicht auf die große Liebe ihres Lebens.


    Die Figuren sind eindimensional, aber auch hier finden einige ganz interessante Ideen. So ist der wenig intelligente jüngere Brüder keineswegs negativ gezeichnet


    Gerolds Ehefrau habe ich nicht als gefühlskalte, boshafte Zicke gesehen, sondern eher als Opfer ihrer Position als Ehefrau, in der sie sich durch Johanna bedroht sieht. Da sie von Gerold abhängig ist, ihr fehlt offensichtlich der Rückhalt einer starken eigenen Familie, muss er überhaupt keine Rücksicht auf ihre Lage nehmen. Auf mich wirkt sie eher wie eine Person, die in die Enge getrieben ist, und sich zur Wehr setzt, wobei sie eigentlich auch nur versucht, Johanna loszuwerden.

    Dass sie negativ wirkt, hängt damit zusammen, dass ihre Ängste zwar glaubwürdig sind, aber mit Blick auf den Ehemann im Roman völlig unbegründet scheinen, denn Gerold aber ein Ehrenmann.


    "Die Päpstin" ist sicher kein Meisterwerk, aber gelungene Unterhaltung, und zu ihrer Entstehungszeit entsprach sie dem, was damals als "historischer" Roman gegolten hat.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

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