Geschichte einer Ehe ("The story of a marriage") - Andrew Sean Greer

  • Es gibt noch keine deutsche Übersetzung, aber Fischer sagt, dass das Buch im Herbst 2009 auf Deutsch erscheinen soll als "Geschichte einer Ehe".


    San Francisco 1953 und Pearlie ist seit vier Jahren mit ihrem Jugendschwarm Holland verheiratet. Holland ist traumatisiert aus dem 2. Weltkrieg zurückgekehrt und zwei ältere Damen, die Holland als seine Tanten bezeichnet, hatten Pearlie vor ihrer Hochzeit geraten, diesen Mann nicht zu heiraten, da er schlechtes Blut und ein "crooked heart" haben soll. Pearlie schlägt diesen Ratschlag aber in alle Winde und heiratet dennoch und nun kümmert sie sich aufopferungsvoll darum, dass sein Herz nicht weiter belastet wird. Sie zensiert seine Zeitungen, hält laute Geräusche von ihm fern, kauft sogar einen Hund, der nicht bellt. Dazu kommt die Sorge um ihren kleinen Sohn, der an Polio erkrankt ist.
    Eines Tages steht ein Mann vor der Tür, der sich als Hollands Liebhaber aus der Vergangenheit vorstellt.


    Das Buch hat wieder so einen tollen ersten Satz: "We think we know the ones we love." Darum geht es im Grunde in dem ganzen Buch. Die Protagonisten denken, dass sie die andere Person kennen und wissen was sie will, und was sie versäumen, ist zu fragen, ob ihre Annahmen eigentlich stimmen. Alle versuchen immer nur, so zu handeln, dass die andere Person das bekommt, was sie vermeintlich möchte. Insbesondere über Holland erfährt man von ihm selbst eigentlich gar nichts, man sieht ihn das ganze Buch immer nur durch die Augen anderer. Keiner fragt Holland, was er eigentlich will.


    Ich hab das Buch unter "Zeitgenössisches" gestellt, weil die Handlung eng mit einer bestimmten Zeit verwoben ist. Zum einen die Nachkriegszeit, aber auch der Korea-Krieg, die McCarthy-Ära und noch etwas, dass ich aber nicht nennen möchte, weil es ein riesiger Spoiler wäre.


    Die Handlung wird von Pearlie in der Ich-Form erzählt.


    Ich weiss gar nicht, ob ich das Buch guten Gewissens empfehlen kann. Ich hab es innerhalb von zwei Tagen verschlungen und die Bücher von Andrew Sean Greer haben ja immer irgendwelche überraschenden Wendungen. Es ist eine eher ungewöhnliche Liebesgeschichte. Fand ich.


    Ich würde 4 von 5 Amazon-Sternen geben.


    Über den Autor


    Andrew Sean Greer, geboren 1970 in Washington D.C. lebt nach Jahren in New York heute in San Francisco. Er veröffentlichte Erzählungen in Zeitschriften wie der Paris Review und Esquire. Richard Ford zeichnete 1996 einer seiner Geschichten mit dem Ploughshares's Cohen Award for Best Short Story aus. 2000 erschien der Erzählband "How it is for me". Andrew Sean Greer gelang mit seinem Roman »Die erstaunliche Geschichte des Max Tivoli« ein internationaler Bestseller und Kritikererfolg. Bei S. Fischer erscheint im Herbst 2009 sein neuer Roman »Geschichte einer Ehe«; als Fischer Taschenbuch liegt vor: »Die Nacht des Lichts«.


    Amazon hat kein Coverbild, aber das Taschenbuch sieht so aus:



    Edit: Titel und ISBN der deutschen Ausgabe eingetragen, damit das Buch im Rezensionsindex unter dem deutschen Titel zu finden ist. LG Wolke

  • "We are each the love of someone's life" hat mir bei seinem Max Tivoli schon so gut gefallen und nun in deiner Rezi wieder ein erster Satz, der mir sehr gefällt....


    Ich habe "Die erstaunliche Geschichte des Max Tivoli" geliebt und ich denke, ich werde mir dieses Buch sicherlich auch zulegen, obwohl ich immer noch etwas irritiert bin, weil das Leben des Max so eindeutig an die Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald "angelehnt" ist, sich aber nirgendwo auch nur ein Hinweis darauf in Greers Buch findet und er sich in den USA feiern ließ, als wäre die Grund-Idee seiner Geschichte seine Erfindung. :gruebel


    Auf jeden Fall danke für deine Rezi.

  • Oh. Wenn Du Interesse zeigst, düfte Buzzaldrin nicht weit sein. :grin


    Zu "Benjamin Button" hab ich hier ein Statement von Andrew Sean Greer gefunden. Nun kennen ich "Benjamin Button" nicht, aber ich fand bei Max Tivoli gerade die Dreiecksgeschichte besonders reizvoll. Ohne die hätte mir das Buch nicht halb so gut gefallen.

  • Zitat

    Original von Delphin
    Ich weiss gar nicht, ob ich das Buch guten Gewissens empfehlen kann. Ich hab es innerhalb von zwei Tagen verschlungen und die Bücher von Andrew Sean Greer haben ja immer irgendwelche überraschenden Wendungen. Es ist eine eher ungewöhnliche Liebesgeschichte. Fand ich.


    Ich würde 4 von 5 Amazon-Sternen geben.


    Ich muss zugeben, ich bin jetzt etwas verwirrt. Du weißt nicht, ob Du das Buch guten Gewissens empfehlen kannst, oder ob Du mir das Buch guten Gewissens empfehlen kannst? :gruebel Wir sind nicht mit einem Fluch beladen, allerdings wollte ich Max Tivoli wegen des Verjüngen-Plots ja nicht lesen. Daher kann ich mit "typisch Greer" auch nicht wirklich was anfangen. Aber das Cover der gebundenen Ausgabe finde ich immer noch sehr schön. :-]



    .

  • Zitat

    Original von Uta
    Ich muss zugeben, ich bin jetzt etwas verwirrt. Du weißt nicht, ob Du das Buch guten Gewissens empfehlen kannst, oder ob Du mir das Buch guten Gewissens empfehlen kannst? :gruebel


    Das weiss ich eben nicht. Es ist irgendwie schön und poetisch und melancholisch und bei Andrew Sean Greer kommt an irgendeiner Stelle immer irgendwas, das man nicht erwartet hat. Aber was mich gestört hat ist, dass Holland einem so fremd bleibt. Wobei das eben auch Teil der Geschichte ist.

  • Die Ich-Erzählerin Pearlie wächst zu Zeiten des zweiten Weltkriegs in Kentucky auf. Jahre später trifft sie in San Francisco ihre damalige Jugendliebe Holland Cook wieder.
    Der Roman spielt während sechs Monate im Jahr 1953, in dem Pearlie und Holland vier Jahre verheiratet sind. Mit ihrem an Polio erkrankten Sohn Sonny leben die Cooks am Stadtrand unweit des Meeres.
    Im zweiten Weltkrieg war Hollands Schiff torpediert worden und er kehrte mit einem „empfindlichen, versetzten“ Herzen aus dem Krieg zurück, „versetzt“ auf eine Weise, von der Pearlie nichts ahnen kann. Pearlie kümmert sich fürsorglich um Sohn und Mann. Um Hollands Herz nicht weiter zu belasten, vermeidet Pearlie Lärm, erwirbt einen Hund, der nicht bellt, schneidet beunruhigende Meldungen aus der Zeitung aus.


    Dieses kleine, idyllische Glück der Cooks wird jäh gestört, als unerwarteter Besuch kommt: Charles „Buzz“ Drumer, der Holland aus Kriegstagen kennt. Buzz bricht für Pearlie einen Bann von dem sie nicht ahnte, dass er auf ihrem Leben lag.


    Mehr sollte man über den Inhalt nicht erzählen, denn Andrew Sean Greer hat den Roman sehr geschickt konstruiert. Die Protagonisten bleiben zu Beginn seltsam unscharf, erst die im Verlauf auftretenden Wendungen fügen Puzzlestein zu Puzzlestein hinzu.


    Die Geschichte spielt 1953, ein Jahr noch im Schatten des zweiten Weltkriegs, vor dem Hintergrund des Koreakriegs, der Rassenfrage, von Todesurteilen, den Kommunisten, den Bomben der Russen.


    Andrew Sean Greers Erzählstil ist unaufgeregt, die poetische, bild- und metapherreiche Sprache trägt den Leser durch diese schicksalhafte Liebesgeschichte, die die Lebensgeschichte der Protagonisten bestimmt.
    Tiefgründig und melancholisch beschreibt Greer auch das Amerika der 1950er Jahre, von den Auswirkungen des Krieges auf die Menschen, ob an der Front oder Daheim.


    Auffällig ist (wie Delphin in ihrer Rezi schon ausführte), dass man nie erfährt, was Holland will und denkt. Die anderen reden über ihn, scheinen zu entscheiden. Damit hebt der Autor besonders seine Aussage hervor, „wie wenig wir die wirklich kennen, die wir lieben“. Pearlie sagt:“Immer, wenn ich glaubte, meinem Mann endlich auf den Grund gekommen zu sein – trübte er sich.“


    Als Fazit sollte man den Autor zu Wort kommen lassen, der Pearlie in den Mund legt:“Das hier ist eine Kriegsgeschichte. Das war so nicht geplant. Sie hat als Liebesgeschichte begonnen, […], aber überall hängt der Krieg an ihr wie Splitter zersprungenen Glases.“


    9/10 Punkten

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Ich war schon sehr gespannt auf das Buch, vor allem auch nach Euren wirklich guten Bewertungen und interessanten Rezis. Dennoch habe ich es nach einem guten Teil abgebrochen, es konnte mich einfach nicht wirklich fesseln.


    Vielleicht hätte ich ja weiter durchhalten sollen, bis die Protags auch wirklich an Schärfe gewinnen - aber ich mochte einfach nicht mehr.


    Dabei ist das Buch sicherlich nicht schlecht - aber es war eben einfach nicht mein Buch, irgendwann möchte ich einfach in der Geschichte drin sein statt nur distanziert daneben stehen und leider erging es mir so damit. :-(

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich habe das Buch nun auch gelesen und kann mich eher der Meinung von Batcat anschließen. Abgebrochen habe ich es nicht, aber nichtsdestotrotz blieben mir die Protagonisten zu unscharf und die Geschichte zu konstruiert, es ist mir einfach nicht wirklich gelungen, mich in Pearlie (oder die beiden Männer) hineinzuversetzen. Interessant fand ich dagegen die Zeitgeschichte aus der Sicht einer "Farbigen" erzählt zu bekommen.


    Von mir gibt's 6 Punkte.


    Edit: Das Buch ist übrigens seit Ende letzten Jahres als Taschenbuch verfügbar.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

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