Kurzbeschreibung
Kein König des Mittelalters ist so berühmt wie Wilhelm der Eroberer, und kein Ereignis der ganzen Geschichte der britischen Inseln wurde mehr diskutiert als die Eroberung durch die Normannen. Vieles, was über Wilhelm den Eroberer geschrieben wurde, war durch Polemik gefärbt und hinsichtlich der politischen und klerikalen Kontroversen früherer Perioden verzerrt. Dieses Buch ist eine auf einer eingehenden Forschung beruhende Studie der anglo-normannischen Geschichte und die Biographie eines Mannes, dessen kometenhafter Aufstieg aufsehenerregend war. Ein Standardwerk über das Herzogtum Normandie und das Königreich England unter der Herrschaft Wilhelm des Eroberers, das fundiertes Wissen mit einem sehr klaren und lesbaren Stil verbindet.
kamelin meint
Der 1027 (oder 1028) unehelich geborene Herzog der Normandie hatte von Anfang an einen schweren Start. Als Bastard gebrandmarkt hatte er bereits als Kind mehr Feinde als Haare. Wie er es überhaupt geschafft hat, seine Kindheit und Jugend zu überleben grenzt an ein Wunder, zumal fast alle seine Beschützer gewaltsam ums Leben kamen. Ohne Hilfe des französischen Königs Heinrich, wäre er wahrscheinlich nicht weit sehr gekommen. Kaum alt genug ein Schwert zu führen, hat er auch schon alle Hände voll zu tun, die Normandie gegen seine zahlreichen Feinde zu verteidigen, am Ende sogar gegen den französischen König selbst, der ihm in seiner schwierigen Jugendzeit stets loyal zur Seite stand.
Um 1060 steht die Normandie endlich sicher unter Williams Kontrolle, sodass er seine Herrschaft festigen und Loyalitäten weiter ausbauen kann.
Nachdem 1066 "Edward der Bekenner" von England ohne Nachfolger stirbt, lässt Harold Godwinson sich zum König krönen, obschon William von König Edward zu Lebzeiten als Erbe benannt wurde, und Godwinson einen (etwas zweifelhaften) Anerkennungseid geschworen hat. Was folgt ist Krieg, denn Wilhelm landet mit nicht weniger als 700 Schiffen an der englischen Küste und schlägt in der Schlacht bei Hastings die Armee von Harold Godwinson vernichtend.
Danach beginnt ein neuer Abschnitt in Williams Leben, denn nun muss er die herrschenden Familien Englands dazu bringen, ihn als König zu akzeptieren und ihm die Treue zu schwören. Kein Kinderspiel, denn England war bis dahin fest in Dänischer Hand, und spätestens seit Bernhard Cornwells "Ælfred der Große"-Saga (Das letzte Königreich) wissen wir: Was die Dänen einmal haben, geben sie nicht mehr so schnell her.
William wird Zeit seines Lebens damit zu tun haben, die Normandie zu halten und England gegen innere und äußere Feinde zu verteidigen. Selbst gegen die Gier seiner eigenen Familie.
Diese Biographie liest sich durchgehend wie eine rein wissenschaftliche Abhandlung. Entsprechend umfangreich ist der 150 Seiten starke Anhang mit einer Chronologie der Ereignisse, Quellenangaben, Personenregister, eine Auswahl von Stammbäumen und (leider nur) zwei Karten.
Der wissenschaftliche Aspekt dieser Biographie verdient wahrscheinlich 10 Sterne. Als Leser wünsche ich mir allerdings mehr, als eine reine Informationsvergabe. Neben dem sehr trockenen Vortag hat mich der Fakt gestört, dass der Autor oft nicht wirklich spezifisch wird, sondern stets die Oberfläche beschreibt, um sich nicht selten darin zu verlieren. Auch das ständige Springen innerhalb der Zeiten trug bei mir zu nicht wenig Verwirrung bei.
So wird Seite um Seite die Struktur der herrschenden Familien erläutert, wer mit wem wie nahe verwandt oder verschwägert ist, da werden auf einer halben Seite zwanzig Namen genannt, um einen Absatz weiter in der Zeit 30 Jahre zurückzuspringen, und weiter auszuführen, dass schon Herzog Richard I, der Sohn von William "Langschwert", einen Vertrag unterzeichnet hat, den auch die Großeltern von Guy von Burgund, ...
Dann springt er zu anderen Feudalfamilien, die (wegen damaliger Ereignisse) eine Gefahr für William darstellen, und eine Revolte planen. Auch hier geht der Autor nicht auf Details ein, sondern springt zu weiteren Grafen, die dem Herzog nicht wohlgesonnen sind, listet ohne Ende Namen auf, und welche Rolle diese Herrschaften während der Kirchenreformation hatten.
Wer soll sich das alles merken?
Zum einen bleibt er selten in einer Zeit um die Zustände zu beschreiben. Dieses hin- und herspringen allein hat mich schon etwas konfus gemacht. Eben noch schreiben wir das Jahr 1035, dann sind wie in 1060, um anschließend nochmal schnell die Beziehung zu beschreiben, die Herzog Richard der I. (942 - 996) zum Erzbischof von Rouen hatte.
Verstehen Sie, was ich meine?
Ich habe diese Biographie gelesen, um zu erfahren, wer William der Eroberer war. Wie war er, wie handelte er, wie führte er das Land.
Aber von dem Mann erfährt man hier herzlich wenig. William der Ehemann und Vater kommt praktisch gar nicht vor, selbst die etwas seltsamen Umstände, in denen seine Ehe geschlossen wurde, ist dem Autor gerade mal eine habe Seite wert. Und auch hier bleibt er eher vage, was die nicht fest, warum nun der Papst die Zustimmung ursprünglich nicht geben wollte.
Das einzige Mal, dass David Douglas endlich mit persönlichen Details rausrückt, ist der Teil, in dem er die Schlacht von Hastings beschreibt. Doch auch hier klärt sich nicht, wie ganz genau Godwinson stirbt, und in welchem Teil der Schlacht.
Über die Persönlichkeit des Herzogs erfährt man also kaum etwas, es sei denn man liest zwischen den Zeilen.
Der Herzog mußte über eine enorme Ausstrahlung verfügt haben, wie sonst ist es zu erklären, dass es keine Plünderungsraubzüge gegeben hat, als er mit seiner Armee in der Normandie feststeckte, um nach England überzufahren. Wochenlang waren die Winde ungünstig, sodass er mit seinem riesigen Heer, das überdies zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Söldnern bestand, festsass. Sein Machtwort genügte, und seine Krieger haben das Umland in Ruhe gelassen. Nicht schlecht!
Solche Einblicke sind jedoch selten. Man erfährt von einigen (angenommenen) Wutausbrüchen von William I., aber das war es auch schon. Wer der Mann hinter dem König und dem Herzog wirklich war, bleibt bis zum Ende offen.
Insgesamt ist diese Biographie lesenswert, wenn man es schafft über trockenen Vortrag nicht einzuschlafen.
Wer also eher wissenschaftlich an Williams Geschichte herangehen will, ist hier genau richtig. Wer allerdings einen Erzählstil a la Régine Pernoud erwartet, sollte es sich zweimal überlegen, denn für den ist dieses Buch eher nichts.