Verlag: Der Club
ISBN: --
Seiten: 607
Ausgabe: Hardcover
ET: 2008
Preis: € 17,95
Klappentext
1793
Es ist eine prachtvolle Zeremonie, als die blutjunge Prinzessin Luise den Kronprinzen Friedrich Wilhelm heiratet. Und ganz Preußen feiert das große Ereignis, denn es handelt sich um eine Liebesheirat. Rasch erobert die lebenslustige und unkonventionelle Frau nicht nur die Herzen ihrer Untertanen, sondern nimmt auch entscheidenden Einfluss auf die bewegte Zeitgeschichte. Der junge russische Zar Alexander I. himmelt sie an. Und Napoleon zwingt sie zur Flucht aus Preußen.
Meine Meinung
Angesprochen durch das wunderschöne Cover, dem interessanten Klappentext, einem großartigen Stammbaum und einem ausführlichem Anhang, der kaum Wünsche offen lässt, konnte ich „Luise“ einfach nicht widerstehen. Schon kurz nachdem es bei mir eingezogen war, habe ich es gelesen und wurde nicht enttäuscht. Bettina Hennig erzählt Luises Leben derart packend, dass es mich nicht loslassen wollte und ich mir reichlich Sekundärliteratur notiert habe.
Obwohl ich mich bei jeder Leseetappe erst in den manchmal recht anspruchsvollen Schreibstil eingewöhnen musste, habe ich den Roman mit großer Begeisterung gelesen. Mit ihrer bildhaften Sprache baut Bettina Hennig wunderbare Atmosphären auf und ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie die Figuren zu der Zeit gelebt haben. Hat man sich erstmal eingelesen, liest sich das Buch einfach sehr angenehm und man merkt gar nicht, wie die Seiten verfliegen. Die Autorin hat eindeutig ein großes Sprachtalent und vermag mit nur wenigen Worten wunderschöne Bilder herauf zu beschwören; und hin und wieder hat mich sowohl die Sprache als auch der Stil an Jane Austen erinnert. Ganz besonders gelungen finde ich, dass Bettina Hennig einigen ihrer Figuren Dialekte in den Mund gelegt hat. Dadurch wirken die entsprechenden Charaktere viel lebendiger und greifbarer und es verschafft dem Roman ein ganz besonderes Flair.
Der Aufbau des Romans ist leider etwas unglücklich und unausgewogen. Die erste Hälfte ist unglaublich ausführlich und manchmal ein wenig zu ausschweifend erzählt, während die zweite Hälfte viel zu sehr gestrafft ist. So hat sich Bettina Hennig für etwa sechs Wochen Handlung 300 Seiten lang Zeit genommen, was mir an sich auch gut gefallen hätte, wäre der Roman drei Mal so lang gewesen. Denn damit blieben für die kommenden siebzehn Jahre nur weitere 300 Seiten übrig. Somit musste die weitere Handlung deutlich gestrafft werden. Auch wenn die Autorin es geschafft hat, trotz dieses engen Rahmens einen wirklich runden und auch berührenden Roman zu schaffen, fehlte es mir vor allem zum Ende hin ein wenig an Gefühl und Ausführlichkeit. Ich hätte wirklich gerne auch über diese siebzehn Jahre ebenso ausführlich gelesen wie über die ersten Wochen.
Bettina Hennig erzählt Luises Leben spannend, interessant und vor allem humorvoll. Gerade die Dialekte vermitteln eine ungeheure Lebendigkeit und versprühen ein wunderbares Flair. Nie wurde es mir beim Lesen langweilig, selbst nicht bei den recht ausschweifenden Passagen. Gerade diese lassen den Leser oft tief in die Seele der Figuren blicken und so wurden sie nicht nur zu Wegbegleitern, sondern zu Freunden.
Luises Leben war ein spannendes, aufregendes, aber auch ein entbehrungsreiches und einsames und das zeigt Bettina Hennig intensiv und gefühlvoll auf. Der Leser begleitet Luise auf ihrem Weg von einer verzogenen und starrsinnigen Prinzessin, über eine junge unsichere Kronprinzessin bis hin zu einer schönen, selbstsicheren, gütigen, aber auch lebenshungrigen Königin, die bei den Menschen dieser Zeit tiefen Eindruck hinterlassen hat.
Die Autorin hat sich intensiv mit der Thematik auseinander gesetzt und eine Leidenschaft eingebracht, die man spürt. Man kann heraus lesen wie sehr Bettina Hennigs Herz für Luise schlägt und damit wird „Luise“ nicht einfach nur zu einem biographischen Roman, sondern zu einem kleinen Denkmal, das unbedingt Beachtung finden sollte.
Die Charaktere haben mir in ihrer Darstellung ausnehmend gut gefallen. Bettina Hennig hat die Figuren nicht von Anfang an in ein starres „Charakter-Korsett“ gesteckt, aus dem sie nicht ausbrechen konnten, sondern hat ihnen Raum gelassen, um sich mit ihren Erfahrungen entwickeln und wachsen zu lassen. Besonders gefällt mir, dass Luise nicht der klassische Sympathieträger ist. Sie hat durchaus ihre Ecken und Kanten und teilweise weist sie wirklich unsympathische Züge auf. Ihre Schwester Friederike ist auf dem ersten Blick die deutlich angenehmere und sympathischere Person und es war spannend zu beobachten, wie sich die Schwestern im Laufe der Jahre veränderten und deren Vielschichtigkeit mit dem Alter wuchs.
Insgesamt empfand ich alle Figuren als unheimlich aufregend, lebendig und vor allem glaubwürdig und es hat mir viel Freude bereitet, über sie zu lesen, sie ein Stück zu begleiten und ab und an in ihre Seele blicken zu dürfen.
Neben einem großartigen Roman erhält der Leser noch einiges an Zusatzmaterial, das das Buch perfekt abrundet. Hier hat sich Der Club wirklich ins Zeug gelegt. So enthält diese Ausgabe einen hübschen Stammbaum, ein ausführliches bibliographisches Nachwort (das wirklich viele Buchtipps liefert, sollte man sich weitergehend mit dem Thema auseinander setzen wollen) und ein ebenso ausführliches Nachwort, das sich damit beschäftigt, was aus den noch lebenden Personen nach Luises Tod geworden ist. Einzig eine Karte und ein Personenregister habe ich ein wenig vermisst.
Bettina Hennig konnte mich mit ihrem Roman unheimlich packen, bewegen, berühren und für ein Thema interessieren, das mir bis dahin nicht besonders ins Auge gestochen war. Ich habe mitgefiebert, mit gelitten, gebangt, gehofft, geliebt und auch die ein oder andere Tränen nicht unterdrücken können. Die Autorin hat ein großartiges Debüt hingelegt und ich warte gespannt auf ihren nächsten Roman, der sich mit Luises Schwester Friederike näher auseinander setzen wird.
Und bis dahin will ich noch mehr über Luise lesen. Luise und ihre Zeit lassen mich einfach nicht los...
Meine Bewertung
8/10 Punkte