Ich weiss nicht mehr, welche Eule mir dieses Buch eingeredet hat, aber es hat fünf Monate gesubbt... fünf Monate zu viel. Nachdem auf Book&Readers alle gesagt haben, dass es sich so schnell liest, und ich mir heute morgen beim Umräumen meiner Bibliothek dachte, ich sollte mal keinen Ziegelstein mehr nehmen, an dem ich wochenlang herum kaue, weil sonst schon früh im Jahr der SUB-Abbau-nicht-schaff-frust einsetzt, griff ich nach dem Graveyard Book... und 12 Stunden später bin ich damit fertig, obwohl ich fast jeden Absatz zweimal gelesen habe, weil ich nicht glauben konnte, dass jemand so wunderbare Satz-Ideen hat, wie:
pag. 180: 'At the best of times his face was unreadable. Now his face was a book written in a language long forgotten, in an alphabet unimagined...'
Die Geschichte an und für sich ist schräg:
Die meisten richtig guten Bücher haben im ersten Kapitel eine Leiche. Dieses hier beginnt gleich mit drei Leichen - einer des Nachts in ihren Betten ermordeten Familie, und einem Mörder auf der Suche nach dem vierten Opfer.
Da es sich um ein kleines Kind handelt, nimmt der mörderische Mann Jack so frei an, es befinde sich in seinem Gitterbett...
Mitnichten, denn der kleine Mann hat bereits einige Dinge gelernt: zu laufen, aus dem Gitterbett zu klettern, und - um zu vermeiden, dass man wieder darin landet - möglichst keine Geräusche zu machen, dass stiegenabwärts eine leichtere Richtung als stiegenaufwärts ist, und man hinter offenen Türen tolle Dinge entdecken kann...- wenn es die Eingangstür ist, sogar eine ganze Welt...
Im Nebel unter dem Halbmond lockt hügelaufwärts ein verschlossener Park, durch dessen Gitterstangen man unter einer gewissen Größe leicht schlüpft...
Nun, der Mann Jack folgt wie ein Raubtier dem Windelgeruch, und klettert über die Mauer des aufgelassenen Friedhofs, nur um zu sehen, wie das Kind in einem Nebelwirbel verschwindet, und zu erfahren, wie schnell man mitten in der Nacht von einem seltsamen Friedhofswärter verwirrt und vor die Tür gesetzt werden kann...
Die Toten haben dem Kind Asyl gewährt, und der Junge wächst unter den Toten und Untoten des Friedhofs auf, lernt Geister, Werwölfe, Ghule, Hexen und sogar Lebende kennen, und lernt neben dem ABC so wesentliche Dinge, wie durch Wände gehen, Verschwinden und Spuken.
Doch 'the man Jack' hat nicht aufgegeben: seine Auftraggeber wollen das Leben dieses Knabens, der laut einer uralten Prophezeihung ihren Untergang besiegeln wird...
Der Autor, den ich bislang nur aus 'Don't Panic' und seiner Coproduktion mit Terry Pratchett in 'Good Omens' kannte, liefert uns eine Auserwählten-Geschichte in einem einzigen, schnell lesbaren Band.
Zugegebener Neid von Kollegen ist die beste aller Werbungen, so sei hier Garth Nix zitiert: 'I wish my younger self could have had the opportunity to read and reread this wonderful book, and my older self wishes that I had written it.'
Edit: Dt. Titel und ISBN eingesetzt, damit die deutsche Ausgabe im Verzeichnis erscheint. LG JanreDoe