Englischer Originaltitel: The Minotaur
Klappentext
Kerstin Kvist, eine junge schwedische Krankenschwester, kommt nach Lydstep Old Hall zur Pflege des kranken John Cosway. Doch nicht nur der erwachsene Sohn des Hauses verhält sich auffällig, auch der Rest der Familie wirkt eigenartig. Aus dieser Welt gibt es kaum noch ein Entkommen …
Über die Autorin
Hinter dem Pseudonym Barbara Vine verbirgt sich für Eingeweihte die vielleicht noch bekanntere Kriminalschriftstellerin Ruth Rendell, die vor allem mit ihrem Wexford-Krimis eine große Anhängerschaft um sich schart. Doch auch außerhalb dieser Serie wirft sie unter ihrem eigenen Namen mit Vorliebe einen Blick hinter die Kulissen der britischen Gesellschaft, vorzugsweise des zu Wohlstand gekommenen Kleinbürgertums.
Meine Meinug
Ich habe mich lange auf die TB-Ausgabe des Buches gefreut, denn ich bin ein großer Fan der Barbara-Vine-Bücher. Sie entfalten immer verlässlich eine feinen Lesesog. Im klassischen Sinne sind die meisten ihrer Bücher keine Krimis. Es gibt Geheimnisse und auch mal Tote, aber im Vordergrund stehen immer die Figuren und ihre Handlungen. Sie kann wunderbar Stimmungen erzeugen, die durchaus spannend und fesselnd sind.
Auch hier gibt es für die junge schwedische Krankenschwester Kerstin keine direkte Gefahr. Um in England bei ihrem Freund zu sein, nimmt sie die Pflegestellt für den anscheinend geisteskranken Sohn der Cosways an. Schon bald sieht sie sich mit Familiengeheimnissen und düsteren Verwicklungen der Familienmitgliedern untereinander konfrontiert. Mrs Cosway, die Mutter. führt noch ein typisches Upper Class Leben (der Roman spielt ende der 60iger Jahre). Ihre Töchter, bis auf eine, sogenannte späte Mädchen, leben bei ihr und sind sich in inniger Feindschaft verbunden.
Schon bald fragt sich Kerstin, ob die Behandlungsmethoden an John, ihrem Patienten, so richtig sind. Durch einen Unfall der Mutter wird der autistische Mann von seinen Medikamenten abgesetzt. Und ein neu zugezogener Nachbar im Dorf sorgt für gefühlsmässige Verwirrung unter den Schwester. Eins führt zum anderen, Neid, Liebe, Hass, Abhängigkeit und Verzweiflung durchbrechen die dünne Oberfläche und schon bald ist nichts mehr, wie es wahr. Und Kerstin steht als Beobachterin mitten drin.
Barbara Vine zieht auch hier wieder langsam die Spannungsschraube zu. Wir fragen uns mit Kerstin, was es mit Johns Krankheit auf sich hat und sind ebenso interessierte Beobachter der gefühlsmässigen Verwirrungen bis zum bitteren Ende.
Leider hat mich trotz des wieder eingetretenen Lesesogs die Auflösung nicht ganz befriedigt. Warum und wieso alles soweit kam, ist für mich nicht ganz befriedigend geklärt. Aber vielleicht geht es mir da wie Kerstin. Man sollte vielleicht nicht alles wissen. Oder sich seine eigenen Gedanken machen.
Auf jeden Fall ist der Autorin wieder ein rundum gutes, schnell zu lesendes Buch gelungen, und mit der Familie Cosway hat sie eine beeindruckende Gesellschaft geschaffen, an die ich bestimmt noch oft denken werde.