Die Frauen - T.C. Boyle

  • Inhalt (amazon):


    Er ist genial, er ist exzentrisch und er ist der berühmteste Architekt der USA - wenn nicht gar der Welt: Mit der überlebensgroßen Figur Frank Lloyd Wright erweitert T. C. Boyle seine Darstellung mythischer Amerikaner. Mitten in der Prärie hat Wright einen Traum verwirklicht: das Anwesen Taliesin. Hier lebt und arbeitet er mit seinen treuen Schülern und seinen geliebten Frauen: der aparten Tänzerin aus Montenegro, der exaltierten Morphinistin und - natürlich - Mrs. Wright. Sie alle führen erbitterte Kämpfe gegen ihre Nebenbuhlerinnen und gegen die bigotte amerikanische Gesellschaft.


    Meinung:


    Das Buch dreht sich um das Leben von Frank Lloyd Wright (1867-1959) - nach seiner eigenen Einschätzung der berühmteste Architekt der USA. Dabei geht es T.C. Boyle jedoch weniger um das um das architektonische Schaffen von Wright, sondern vielmehr um seinen Lebensstil - der große "Verschleiß" an Frauen, der ständige Geldmangel oder auch das Interesse für Japan und seine Kultur.


    Frank Lloyd Wright hatte vier große Liebschaften und dementsprechend ist das Buch in drei Teile unterteilt, die jeweils das Aufkommen einer neuen Liebschaft und das Zusammenleben mit dieser neuen Frau beschreiben. Man kann sich vorstellen, welche Skandale und Presserummel Wright mit seinem Verhalten hervorrief... Interessant ist hierbei, dass die Teile entgegen der chronischen Abfolge angelegt sind. Man macht also bei jedem neuen Teil einen Sprung in die Vergangenheit. Geschildert wird das Ganze von einem japanischen Schüler Frank Lloyd Wrights, der in seiner Jugend viele Jahre in Taliesin, dem Anwesen von Wright, verbringt.


    Man sollte allerdings nicht erwarten, dass das Buch exakt das Leben von Wright widergibt. Ähnlich wie bei "Willkommen in Wellville" überspitzt Boyle sicher manche Dinge oder sind schlichtweg auch fiktiv. Nichtsdestotrotz fand ich das Buch sehr interessant - wie verzwickt das Leben eines berühmten Menschens sein kann...


    Anzumerken ist noch, dass das Buch von zwei verschiedenen Übersetzern übersetzt wurde. Der Mittelteil von Dirk van Gunsteren und Anfang/Ende von Kathrin Razum... Die Aufteilung fand ich zwar merkwürdig, aber hat mich ansonsten nicht weiter gestört...

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

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  • Vielen Dank für Deine Rezension, ich schaue aber erstmal rein, denn Boyle hat ja grandiose Bücher geschrieben, aber leider auch einige, die eher so mittelmäßig sind.


    Heißt der Architekt nicht Frank Lloyd Wright ? :gruebel



    hin und her überlegende Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Zitat

    Original von Elbereth


    Heißt der Architekt nicht Frank Lloyd Wright ? :gruebel


    Ups, peinlich... du hast natürlich recht. Ich ändere es gleich...

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Zitat

    Original von Elbereth
    Vielen Dank für Deine Rezension, ich schaue aber erstmal rein, denn Boyle hat ja grandiose Bücher geschrieben, aber leider auch einige, die eher so mittelmäßig sind.


    Ja, bei Boyle bin ich auch immer eher etwas vorsichtig; wobei Die Frauen ja wirklich toll klingt. Vielleicht warte ich aber trotzdem erstmal auf das Taschenbuch. ;-)

  • :gruebel Diese überspitzte Wiedergabe, ist sie denn so humorvoll wie in "Wassermusik" oder "Willkommen in Wellville"? Beides sind meine Favoriten von Boyle, doch bei den anderen Büchern bin ich auch ein wenig zurückhaltend geworden...

  • So humorvoll wie die von dir genannten Werke fand ich dieses Buch nicht - wenn auch natürlich trotzdem ironisch und kritisch, insbesondere der Gesellschaft und auch Frank Lloyld Wright gegenüber.


    Ich fand es wie gesagt eben interessant wie Boyle zeigt, dass auch Genies ihre negativen Seiten, ihre eigenen Sünden haben ... sonst werden ja bei solchen Persönlichkeiten meistens eher nur die postiven Seiten gezeigt.
    Was mich eben ein wenig stört, ist, dass man nicht weiß, was Boyle erfunden hat und was nicht. Müsste man erst noch eine Biographie lesen, um das wirklich herauszufinden...


    Aber nunja, wenn ihr nicht sicher seid, könnt ihr ja lieber auf das Taschenbuch oder den Leseeindruck einer anderen Büchereule warten - will euch ja nicht zu "falschen" Käufen überreden ;-)...


    (Hat mich sowieso ein wenig gewundert, dass nicht mehr Leute das Buch schon gelesen haben... )

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Bei Wellville hatte sich Boyle mit Dr. Kellogg ja auch einen Protagonisten ausgesucht, der tatsächlich gelebt hat. Mir ging es beim Lesen schon so, dass ich neugierig auf eine Biographie von Kellogg wurde und ich habe stellenweise dann einiges im Internet über seine Person gelesen...das hat mir letztlich genügt, um herauszufinden, dass zwar einige Dinge über den guten Doktor auf Fakten beruhen, aber dass ein großer Teil des Charakters wohl von Boyle erfunden wurde. Gerade diese Mischung hat mir sehr gefallen.


    Dass noch nicht mehr Leute dieses Buch gelesen haben, wundert mich auch, aber vielleicht wurde es einfach zu wenig vermarktet.. Ich bin tatsächlich erst hier durch deine Rezi auf das Buch aufmerksam geworden, obwohl ich sonst meist gut über Neuerscheinungen informiert bin. :wave

  • Langeweile auf hohem Niveau


    Mit "Wassermusik", der enorm amüsanten - und fiktiven - Achterbahnfahrt durch das Leben des Afrikaforschers Mungo Park begründete T. C. Boyle seinen Weltruhm als Schriftsteller, und er legte damit das Fundament für Folgeprojekte wie "Willkommen in Wellville" oder "Dr. Sex", deren Protagonisten ebenfalls Figuren der Zeitgeschichte waren, die Boyle auf seine unnachahmliche Art einerseits demontierte und denen er zugleich Liebeserklärungen machte. Genies sind eigenwillig, nicht immer Vorbilder in sämtlichen Lebensbereichen, manchmal sogar ziemlich abgedrehte Knalltüten. Dieser Tenor schwingt in all jenen biographischen Romanen mit. So auch in "Die Frauen", der das Leben des Stararchitekten Frank Lloyd Wright thematisiert, der vor allem in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts erfolgreich die "organische Bauweise" propagierte - und der u.a. das Guggenheim-Museum in New York schuf.


    Wie in "Dr. Sex", dessen Hauptfigur der Sexualforscher Albert Kinsey war, stellt Boyle in "Die Frauen" Frank Lloyd Wright einen fiktiven Erzähler aus dem unmittelbaren Dunstkreis zu Seite, in diesem Fall einen Architekturschüler aus Japan. Dieser tritt nur im Rahmen der Einleitungen zu den drei Teilen des Romans in den Vordergrund, und ansonsten macht er sich durch Fußnoten bemerkbar - übrigens ein Aspekt, der den Lesefluss manchmal erheblich behindert.


    Diese drei Teile sind jenen Frauen gewidmet, die Wrights erster Ehefrau Kitty folgten. In umgekehrter Chronologie schildert der Roman nur nebenher, häufig sogar lediglich angedeutet Wrights Laufbahn und Erfolge; im Vordergrund stehen die Epochen, die die drei Folgefrauen markierten. Allen Beziehungen war gemein, dass sie mit "wilden Ehen" begannen, zu Zeiten, als Wright noch mit der jeweiligen Vorgängerin verheiratet war. Da dies während der ersten drei Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts geschah, waren die moralischen Implikationen erheblich. Wright, der ohnehin auf zu großem Fuß lebte, ständig hoch verschuldet war und außer der eigenen Meinung keine andere gelten ließ, war - glaubt man Boyle - praktisch ständig Anfeindungen ausgesetzt, worunter jene Beziehungen und vor allem die Frauen selbst erheblich litten.


    "Die Frauen" ist ein großes, sehr langweiliges Buch. Groß, weil Boyle ein anschauliches Sittengemälde gelingt, ein biographisches Werk, das viel Zeitgefühl und einiges über seine Hauptfigur vermittelt. Langweilig, weil es keine Entwicklung gibt, und weil die Figuren allesamt armselig und fremd- bzw. wrightgesteuert daherkommen, beginnend bei der Schülerschar des Architekten und längst nicht endend bei seinem Harem. Einzig Miriam, die offensive, selbstbewusste, drogensüchtige Mittvierzigerin, die Wright auf furiose Weise gezielt erobert, um dann ebenso großartig an der Beziehung zu scheitern, entwickelt Konturen und nachempfindbare Eigenschaften. Die anderen Frauen in Wrights Schatten verharren dort auch, weshalb sie sich nicht als Hauptfiguren eignen. Bleibt eine sich im Kreis drehende Lebensgeschichte, der auch die ironische Stimme des japanischen Erzählers nicht genug Farbe verleiht, um sie einen mehr als fünfhundert Seiten starken Roman tragen zu lassen. Tatsächlich gibt es amüsante und spannende Passagen, aber am Ende steht die Erkenntnis, dass weder Kunstgriffe bei der Chronologie, noch Selbstplagiate bei der Erzählperspektive darüber hinwegtäuschen können, dass hier nur etwas mäßig Interessantes erzählt wird. Auf hohem Niveau zwar, aber das erweist sich als wenig probates Mittel gegen die fortwährende Leserermüdung.

  • Interessant, das ist die erste wirklich negative Rezension des neuen Boyle-Romans. Ich lese das Buch gerade und stehe vor der Vollendung des ersten Teils. Bisher gefällt mir die Geschichte sehr gut, was sicher auch an der sehr "beeindruckenden" Miriam liegt, aber das deutet Tom in seiner Rezension ja selber auch an. Wenn er recht hat, müssten die nächsten beiden Teile deutlich langweiliger werden. Ich mag das nicht so recht glauben wollen, aber gut - ich will kein vorschnelles Urteil fällen.


    Was die "Tandem-Übersetzung" betrifft: das ist etwas, was mich auch sofort hat stutzen lassen. Ich habe daraufhin mal diese Frage in die Runde geworfen und Dirk van Gunsteren, eine Hälfte des Übersetzerduos war so nett und hat folgendes interessante Statement dazu abgegeben:


    Dirk van Gunsteren über "Die Frauen"


    (Es handelt sich um den Eintrag des Users "Dirk", viertletzter Eintrag von unten.)


    Schöne Grüße


    Frank


    :wave

  • Ikone, Genie, Egozentriker – Phantast? Was war es, das den unvergleichlichen Frank Lloyd Wright zur Schöpfung seiner bemerkenswerten Kunstwerke trieb? Wer war dieser Mann, der so überreichlich kreativ ein Wunderwerk der Architektur nach dem nächsten erschuf und doch nicht einmal in der Lage war, ein Minimum an Sozialverhalten in sich zu vereinen?
    Mit Hilfe eines fiktiven japanischen Adepten Wrights nimmt T.C. Boyle den Leser an die Hand, um Genie und Wahnsinn des größten amerikanischen Architekten aller Zeiten aufs Genaueste lustvoll zu sezieren. Und welches Mittel könnte da passender sein, als die schicksalsträchtigen Verknüpfungen des Maestro mit seinen diversen Affären, mit denen er die scheinheilige oberflächliche Moral der Amerikaner gleich reihenweise vor den Kopf stieß?


    T.C. Boyle, der seinerseits in einem von FLW konzipierten und errichteten Gebäude residiert (womit die Frage nach der Inspiration zu diesem Roman dann auch gleich mitgeklärt wäre), wählt bereits im Grundaufbau des Romans eine durchaus interessante Variante. Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt, stattdessen beginnt er mit der letzten Romanze, eben dem von ganz Amerika verteufelten Stelldichein mit der montenegrinischen Tänzerin Olgivanna Ivanovna Lazovich, um sich über die monströse Miriam Maude Noel bis hin zu seiner Extravaganz vorzuarbeiten, nämlich Mamah Borthwick Cheney, welche die erste war, bei der Frank Lloyd Wright eine Alternative suchte zu dem bis dato beschaulichen (und für ihn offensichtlich nicht länger erträglichen) Eheleben mit der ihm angetrauten Catherine Tobin.


    Das noch in den Kinderschuhen steckende zwanzigste Jahrhundert ist in Amerika geprägt von augenscheinlicher und an der Oberfläche schwelender Prüderie, jegliches nonkonforme Verhalten zieht ein öffentliches Spiessrutenlaufen par Excellence nach sich – vor allem bei Personen des öffentlichen Interesses. Und exakt in diese Zeit hinein platziert Frank Lloyd Wright seinen Traum, seine Vision, sein Lebenswerk – „Taliesin“ (bzw. später „Taliesin II“ und folgende, denn das Original fällt dem wutschnaubenden Flammeninferno eines zutiefst gedemütigten Angestellten zum Opfer), den kulminierten Schmelztiegel seiner Visionen und Obsessionen, ein Gebäude im Einklang mit der Natur, herausgewachsen aus den örtlichen Begebenheiten und für FLW persönlich sein heiligstes Inneres, in dem er (auch) die amerikanische Doppelmoral an den Pranger stellt und seine Idee der vielgestaltigen „wahren“ Liebe pflegt.


    Keiner der Protagonisten ist in irgendeiner Art und Weise sympathisch. Die Riege der Konkubinen pendelt zwischen „Jung, hübsch, nichtssagend“ (Olgivanna), „verquer idealistisch“ (Mamah) bis hin zu „völlig weltfremd, egozentrisch, manisch“ (Miriam - die Amis würden wohl „fucking nuts“ sagen und damit den Nagel auf den Kopf treffen).
    Allein schon die Charakterisierung Miriams ist das Lesen des Buches wert, wenngleich man hin und wieder das Gefühl hat, die eine oder andere Tirade in leicht abgewandelter Form ein paar Seiten vorher bereits gelesen zu haben. Sei´s drum.