Elisabeth Plessen (Herausgeber), Michael Mann (Herausgeber)
Taschenbuch: 187 Seiten
Verlag: Fischer
Ausgabe von 2004
Ich habe allerdings eine alte Ausgabe von 1974 gelesen.
Kurzbeschreibung:
Diese Frau hat ohne Zweifel mehr erlebt als die meisten ihrer Zeitgenossen. 1973 feierte sie ihren 90. Geburtstag, keineswegs verstrickt in Erinnerungen, sondern präsent, dem Tag zugewandt. Fast jedes Mitglied der Familie Mann hat geschrieben oder schreibt. Sie weigert sich, es zu tun. Deshalb hat sie ihre Memoiren, die hier vorgelegt werden, nicht selbst geschrieben; sie hat sie erzählt, den Fragen Elisabeth Plessens und ihres Sohnes Michael antwortend; erzählt freilich in einem Ton, der unverkennbar und unverwechselbar ist.
Über die Autorin:
Katia Mann, geboren 1883 in Feldafing, gestorben 1980 in Kilchberg bei Zürich war die Ehefrau des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann.
Meine Meinung:
Über die Ehefrau von Thomas Mann ist schon viel geschrieben worden, zuletzt so besonders bemerkenswert in Frau Thomas Mann von Inge Jens und Walter Jens
Sie selber hat nie geschrieben. Deshalb kam sie hier in einer Art Interviewform zu Wort (vorangetrieben von ihren Kindern und der Schriftstellerin Elisabeth Plessen) und das zu einer Zeit, als die Thomas Mann Tagebücher noch nicht veröffentlicht waren und die Filmteile „Die Manns“ noch lange nicht gedreht waren. 1974 erschien das Buch, Katia Mann war schon 90 Jahre alt, als sie noch daran überarbeitete.
Es beginnt mit ihrer Kindheit, wie sie in einer gutbürgerlichen Familie in München aufwuchs und die Tatsache, dass schon in ihrer Jugend berühmte Männer, wie z.B. der Komponist Richard Strauß oder die Schriftstellerin Anette Kolb die Familie besuchte. Kunst hatte also etwas Selbstverständliches für sie. Beeindruckt war sie von ihrer Großmutter Hedwig Dohm, eine Schriftstellerin, die sich für Rechte der Frauen einsetzte. Auch das prägte sie. Man spürt beim Lesen, Katia Manns Selbstbewusstsein und Gelassenheit, und ihre Heiterkeit.
Komik kommt zum Beispiel auf, wenn sie von Thomas Mann ersten Heiratsantrag überrascht ist und ihn erst einmal in die Wüste schickt. „Dann war er etwas beschnien und zog ab“ (Seite 16).
Auch der Schriftsteller Alfred Kerr wollte sie heiraten. Er hatte keine Chance, letztlich war es doch Thomas geworden. Katias Vater war von der Wahl nicht komplett begeistert, Thomas Manns Begeisterung für Schopenhauer hat er nicht geteilt.
Amüsant sind viele Episoden, zum Beispiel in München 1904, als sie mit der Straßenbahn schwarz fuhr und dann so mit dem aufgebrachten Schaffner stritt, dass er ihr nachrief: Mach dass d´weiterkimmst, du Furie! (Seite 21)
Nach der Heirat tritt aber Thomas Manns Werk sehr in den Vordergrund. Fiorenza, Königliche Hoheit und weitere. Katia bemerkt in vielen Details Besonderheiten in Thomas Manns Leben, sein gespaltenes Verhalten zu Lübeck, den leichten norddeutschen Akzent, den manche Kritiker bespötteln, das Zerwürfnis der Brüder Thomas und Heinrich, nachdem Betrachtungen eines unpolitischen.
Ein gutes Verhältnis hatte Thomas Mann mit dem Fischer-Verlag.
In München hat die Familie ein offenes Haus und empfängt Größen wie Hesse, Hauptmann, Wedekind, Gustav Mahler, Furtwängler usw. In so einer Umgebung wachsen ihre Kinder auf, die ja auch alle künstlerisch begabt und tätig werden.
Interessant ist das Buch stilistisch, wenn es zwischendurch Einwürfe von außen, zum Beispiel von Golo oder Erika Mann zugelassen werden.
Katia Mann nimmt vieles wahr, aber die Leidenschaft ihres Mannes zu Jungen, die sich z.B. in Tod in Venedig ausdrückt, nimmt sie nicht ernst.
Spannend wird es, wenn man durch Katia etwas von Romanen erfährt, wie das Maja-Projekt, den Friedrich-Roman oder Ein Elender. Alles Bücher, die Thomas Mann dann doch nie realisiert hatte.
Dann wird auch erzählt, wie sie 1933 Deutschland verlassen, der Aufenthalt in den USA mit Dozentur in Princeton, Begegnungen mit dem Komponist Schönberg oder Charlie Chaplin. Nur wenig mit Bert Brecht. Brecht und Thomas Mann mochten sich nicht. Andere hatten es nicht so leicht. Döblin und Heinrich Mann kamen in den USA nicht zurecht.
Ich will jetzt nicht noch mehr aufführen, das nimmt sonst kein Ende, aber spannend ist das Buch auf jeden Fall.
Eine Qualität der vollkommen uneitlen Memoiren ist, dass sie wenig selbstbezogen sind und stattdessen die damalige Zeit in Deutschland wiedergeben. Dabei tragen auch einige Fotos in meiner Ausgabe bei, in der man Katia von jung bis alt und sogar steinalt sehen kann. Auch ganz hilfreich ist das Namensregister am Ende des Buches.