Klappentext
Schlechter kann es für Böddi nicht laufen. Erst fliegt er als Lehrer, dann erfährt er, daß er gerade der Tochter seines ehemaligen Rektors ein Kind gemacht hat. Dann verliert er nach dem Tod der Mutter auch noch sein Elternhaus. Das reicht, um durchzudrehen: Böddi steigt auf sein Pferd und bricht zu einem Amokritt in die Hauptstadt auf. In Reykjavík ruft er zum allgemeinen Umsturz der Lebensverhältnisse auf, doch hinter seinem Rücken vermarktet ihn der eigene Bruder schon in den Medien ...
»Rokland« ist als literarische Gesellschaftssatire eine konsequente Fortsetzung der beiden vorangegangenen Romane von Hallgrímur Helgason. Der isländische Don Quijote des 21. Jahrhunderts kämpft allerdings nicht gegen Windmühlen, sondern gegen die Allgegenwart des Fernsehens und die allgemeine Verflachung und Verblödung seiner Landsleute. Den großen Showdown inszeniert Helgason, wie er es zu seinem unverwechselbaren Markenzeichen gemacht hat: sarkastisch, ketzerisch und voll schräger Ideen.
Über den Autor
Hallgrímur Helgason, 1959 geboren, ist einer der meistgelesenen Autoren Islands. Zahlreiche Lesereisen führten ihn nach seinem Studium in München auch immer wieder nach Deutschland. Mit seinem Roman »101 Reykjavík«, der auch als Film in ganz Europa ein Erfolg wurde, gelang ihm international der Durchbruch. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit arbeitet er als Zeichner. »Rokland« ist sein dritter ins Deutsche übersetzter Roman.
Meine Meinung
Böddi sitzt fest, in einer miefigen Kleinstadt im Norden Islands. Das hat zum einen damit zu tun, dass er ein unverbesserlicher Querulant ist, der in seinem Blog ätzende Kommentare über seine Nachbarn veröffentlicht und überhaupt nichts für diese Gesellschaft übrig hat, die Nietzsche und Goethe nicht unterscheiden kann oder Wagner für einen deutschen Waggonbauer hält. Die sich von Onionchips und Coca-Cola ernährt, ununterbrochen amerikanische Serien glotzt und mit völlig absurden Monsterjeeps durch die Gegend jockelt.
Andererseits liebt Böddi Island, seine Freunde, die leider auch nicht geeignet sind, ihn auf einen solideren Lebensweg zu führen, den beschissenen isländischen Frühling und sein Elternhaus, „Rokland“, in dem er im Keller haust, sich die Zeit mit Pornofilmen vertreibt oder mit wissenschaftlichen Aufsätzen über die Rezeptionsgeschichte Hölderlins.
Schließlich aber passiert ihm das, was allen Männern um ihn herum schon viel früher passiert ist, und das alles ändert: er wird Vater. Die Mutter des Kindes hört auf den schönen Namen Dagbjört (aber das nur am Rande), und will nur leider nicht diesen spießigen Familientraum, Vater, Mutter, Kind, leben, den Böddi plötzlich so erstrebenswert findet. Und so entwickelt sich Böddi zum Racheengel, einer Gestalt irgendwo zwischen Tragik und Lächerlichkeit.
Böddi ist, genau genommen, ein Arschloch, arrogant, selbsteingenommen und keineswegs so brillant, wie er selber meint. Gleichzeitig ist er aber auch selbstironisch, witzig und originell, der mit seinen Aktionen ständig seine Umwelt herausfordert, und die daraus resultierenden Tiefschläge doch immer wieder mit Fassung trägt. Irgndwann muss man ihn einfach gerne haben.
Noch vor einem Jahr ist dieses Buch wohl als zynische Abrechnung eines Außenseiters betrachtet worden, als böses Pamphlet eines Verlieres in einer Gesellschaft, die es „geschafft“ hat. Umso frappierender ist die Aktualität dieses Buches, und offensichtlich sind es die belächelten „Werte“ Böddis, auf die sich viele Isländer derzeit zurückbesinnen.
Dabei ist dieses Geschichte alles andere als trübsinnig, sondern brüllend komisch, gekonnt absurd, bevölkert von schrägen Gestalten und auf gar keinen Fall politisch korrekt.
Was allerdings das Cover mit der Geschichte zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht